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Neue Kraftwerke: Biogasbranche fordert dreifache Ausschreibungsmenge

Biogasanlagen könnten den Bau neuer fossiler Gaskraftwerke überflüssig machen. Das spart Zeit und Geld und liefert neben Wärme auch Wertschöpfung. Dafür sind jetzt schnelle Gesetzesänderungen nötig.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Zukunft der Biogasnutzung in Deutschland entscheide sich jetzt. Mit diesen deutlichen Worten beschreibt der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, die Situation seiner Branche im Rahmen der heutigen Pressekonferenz.

Die Kraftwerksstrategie (KWS), die Nationale Biomassestrategie (NaBiS) und vor allem die nächste Biomasse-Ausschreibung stellen die Weichen für den Fortbestand des Biogasanlagen-Parks. Noch gibt es knapp 10.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 6 Gigawatt, die pro Jahr über 33 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugen, rechnet der Fachverband vor. Das entspricht ca. 6 % des Stromverbrauchs in Deutschland. Zudem erzeugen sie die gleiche Menge an Wärme, die v.a. im ländlichen Raum genutzt wird.

Für hunderte Anlagen endet der EEG-Vergütungszeitraum in den nächsten Jahren. Viele würden gern für weitere zehn Jahre eine Anschlussvergütung in Anspruch nehmen. Dafür müssen sie allerdings an einer Ausschreibung teilnehmen und einen Zuschlag erhalten. Die letzte Ausschreibungsrunde für eine Anschlussvergütung war jedoch dreifach überzeichnet. Das bedeutet: Zwei Drittel der Bieter ist leer ausgegangen.

Vierfache Leistung möglich

Was die Branche noch wurmt: In der aktuellen Kraftwerksstrategie spielen Biogasanlagen keine Rolle, das Wort Biogas kommt darin nicht vor. „Alle Experten sind sich einig, dass wir neben Batterien oder der Lastverschiebung künftig 30 GW an Kraftwerken benötigen. Diese werden 2045 nur an wenigen Stunden laufen, um ca. 35 TWh Strom zu erzeugen“, sagt Seide. Damit wird deutlich: Diese Strommenge lässt sich schon heute allein mit Biogaskraftwerken erzeugen.

Doch wie kann die installierte Biogasleistung von heute 6 GW steigen? „Wenn wir die Anlagen flexibilisieren und ca. vierfach überbauen, können wir statt 6 künftig 24 GW bereitstellen“, rechnet er vor. Schon eine Verdopplung der aktuellen Leistung von 6 auf 12 GW bis 2030 wäre problemlos möglich. Das würde den Bau neuer Gaskraftwerke überflüssig machen.

Schubladendenken in der Politik

„Aber wenn wir dieses Modell in der Politik vorstellen, ist die Diskussion meist beendet, weil die Politiker nicht mehr zuhören. Viele denken sofort an eine Vervierfachung der Anbaufläche, z.B. von Mais.“ Eine Flexibilisierung bedeute jedoch nicht, dass mehr Biogas erzeugt und dafür mehr Biomasse eingesetzt werden soll, sondern nur, dass die Betreiber mithilfe zusätzlicher Blockheizkraftwerke die gleiche Menge Strom, jedoch nur in wenigen Stunden produzieren, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Diesen Unterschied zwischen Leistung und Arbeit habe auch die Bundesregierung noch nicht ganz durchdrungen.

Die Forderung der Branche

Er fordert daher aus dem politischen Berlin ein klares Signal pro Biogas – denn es sei für niemanden nachvollziehbar, warum ein funktionierender, mit erneuerbarer Energie betriebener Kraftwerkspark zurückgebaut wird und zugleich Milliarden für neue, mit fossilem Gas betriebene Kraftwerke ausgegeben werden. Das sei weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll.

Um das vorhandene Potenzial zu nutzen, müsse das Ausschreibungsvolumen bei jeder der zwei jährlichen Runden von aktuell 300 auf 900 MW pro Ausschreibungsrunde und der Flexzuschlag von heute 65 auf 120 € pro kW und Jahr angehoben werden. Das sei immer noch erheblich günstiger als der Bau neuer Kraftwerke, versichert Seide. Denn der Bau neuer fossiler Gaskraftwerke kostet nach Schätzungen der Gasbranche rund 60 Mrd. €. „Umgerechnet auf das installierte kW wären das 250 €. Damit wären wir mit 120 €/kW nur halb so teuer für Strom, der im Gegensatz zu dem Strom aus fossilen Großkraftwerken auch noch klimafreundlich ist“, betont der Präsident.

Das Geld werde benötigt, um Gas- und Wärmespeicher, zusätzliche BHKW, Trafo usw. zu finanzieren. Eine garantierte Förderzusage über das EEG würde das Vertrauen der Banken bringen, hierfür Geld zur Verfügung zu stellen. Ohne diese Maßnahmen würden immer mehr Anlagen stillgelegt mit fatalen Folgen die Regionen, da in hunderten von Dörfern dann die Wärmequelle fehlt. „Außerdem müssen die Betreiber von fossilen Kraftwerken Emissionszertifikate kaufen, was die Stromerzeugung für die Volkswirtschaft noch teurer macht“, nennt er ein weiteres Argument pro Biogas.

Vorsprung wird verschenkt

„Wenn der bestehende Anlagenpark erst einmal stillgelegt ist, lässt er sich später nicht mehr reaktivieren“, mahnt auch Christoph Spurk, Vizepräsident des Fachverbandes und Geschäftsführer eines großen deutschen Biogasanlagen-Herstellers. Es gehe darum, gut funktionierende Anlagen und das über 20 Jahre aufgebaute Know-How der Betreiber zu erhalten und weiterzuentwickeln. „Wir müssen jetzt die nächsten Schritte gehen, die Erneuerbaren in allen Sektoren miteinander verzahnen, alle Technologien optimal einsetzen“, fordert Spurk.

Man dürfe bei Biogas nicht die gleichen Fehler machen wie damals mit der Solar- und Windbranche und die deutsche Marktführerschaft auch hier verspielen und den großen Vorsprung verschenken in andere Länder. „Deutsche Firmen haben Anfragen aus aller Welt nach der Technologie. Zum Beispiel haben wir in Deutschland das Verfahren entwickelt, aus Wasserstoff und Rohbiogas Biomethan herzustellen. Das erste Großprojekt dazu wird jedoch in Dänemark realisiert, nicht bei uns“, kritisiert er. Noch gebe es motivierte Arbeitskräfte in der Branche, die das notwendige Biogas Know-how haben. Aber man brauche jetzt klare Signale und eine verlässliche Perspektive, auf deren Basis die Betreiber den Weiterbetrieb ihrer Anlagen kalkulieren und letztlich auch Kredite dafür erhalten können.

„Energiewirtschaftlich macht es absolut keinen Sinn, bestehende dezentrale Kraftwerke stillzulegen und dafür neue zu bauen“, bestätigt Christoph Spurk die Aussagen von Präsident Horst Seide.

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