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Podiumsdiskussion zum EEG 2021: Experten kritisieren Chaos in der Energiepolitik

Vertrauensverlust, Planlosigkeit, vertane Chancen: Die Liste der Kritikpunkte am aktuellen EEG ist lang. Das zeigte eine Diskussionsrunde beim Fachsymposium der IG Biogasmotoren.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Bundesregierung stochert bei der Energiewende weiter im Nebel und wird immer noch stark von zentralen Strukturen der bisherigen Energieversorgung geleitet. Das zeigt allein das chaotische Gesetzgebungsverfahren des im Dezember beschlossenen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021), kritisierten am Montag Nachmittag Vertreter der Biogasbranche auf einer digitalen Podiumsdiskussion im Rahmen des Fachsymposiums der Interessengemeinschaft (IG) Biogasmotoren. „Nach dem für die Biogasbranche katastrophalen Referentenentwurf zum EEG waren viele Branchenvertreter sehr zufrieden mit den Änderungen, die der Regierungsentwurf vorsah“, erläuterte Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg. Doch dann kam quasi über Nacht drei Tage vor der Abstimmung im Bundestag ein 60-seitiges Änderungspapier des Wirtschaftsausschusses, das wegen seiner Komplexität keiner mehr überblicken konnte. „Die Regierung hat der Branche lange etwas versprochen und dann so knapp, dass keiner mehr reagieren konnte, massive Änderungen vorgenommen“, kritisiert der Anwalt.

Großer Vertrauensverlust

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Wiederholt machte er darauf aufmerksam, dass die wichtigste Verschlechterung aus Sicht der Biogasbranche die rückwirkende Streichung des Flexzuschlags für Betreiber ist, die bisher schon die Flexprämie erhalten haben. „Das Argument der Doppelförderung ist fadenscheinig: Die Flexprämie erhält ein Betreiber, um freiwillig mehr Leistung zu installieren, als er für die Bemessungsleistung benötigt. Den Flexzuschlag in der Anschlussförderung bekommt er dagegen, weil er nur 45 % der möglichen Strommenge vergütet bekommt“, betonte er.

„Die Streichung hat den Vertrauensverlust der Branche in politische Entscheidungen verschärft. Denn auch Betreiber, die noch nicht flexibilisiert haben, wissen jetzt, wie die Politik mit Bestandsschutz umgeht“, berichtete Biogasberater Dr. Dietrich Clemens von Treurat und Partner aus Kiel.

Was ist „hocheffizient“?

Kritik gibt es auch an neuen, scheinbar unausgereiften Vorgaben im Gesetz, wie z.B. den Zwang, dass BHKW künftig „hocheffizient“ sein müssen. „Dazu gibt es viele Fragezeichen. Ein BHKW kann effizient sein, wenn viel Wärme genutzt und damit ein Großteil des Brennstoffes in Energie umgesetzt wird. Oder es hat einen hohen elektrischen Wirkungsgrad von über 45 %“, merkt Michael Wentzke an. Der Geschäftsführer der IG Biogasmotoren aus Hamburg erklärte, dass der Gesetzgeber auch hierzu für Klarheit sorgen müsse, weil die Betreiber Investitionssicherheit bräuchten.

Unausgereifte Regelung zu Biomethan-BHKW

Nicht zu Ende gedacht ist anscheinend auch der Ansatz der Biomethan-BHKW, die mit dem EEG 2021 neu eingeführt wurden. Der Gebotshöchstpreis von 19 ct/kWh könnte zwar viele reizen, hier einzusteigen. „Aber wenn man ein großes BHKW mit z.B. 5 MW elektrischer Leistung installiert, muss man bedenken, dass auch die Grundgebühren für das Erdgas teuer werden“, warnte Martin Laß, Geschäftsführer der Agrarservice Laß GmbH aus Tüttendorf bei Kiel. Denn wie beim Stromanschluss würden auch Gasnetzbetreiber den Preis nach der möglichen Gasentnahmespitze ausrichten, auch wenn diese nur für sehr kurze Zeit im Jahr abgerufen werde. Daher sei ein Gasspeicher am Standort des Biomethan-BHKWa als Puffer nötig, der die Investitionskosten erhöhe und die vermeintlich hohen Gebotshöchstpreis wieder relativiere.

Chancen in der Wärmeversorgung

Neben der Stromproduktion wird auch die Wärmevermarktung immer wichtiger, betonte Laß. Mit regenerativen Speicherkraftwerken, die neben einem Gasspeicher auch mit großen Wärmespeichern ausgestattet sind, würden sich neue Möglichkeiten bei der Wärmeversorgung ergeben, z.B. in Nahwärmenetzen.

Clemens erklärte, dass eine nachträgliche Installation eines Wärmenetzes für bestehende Anlagen nicht immer wirtschaftlich sei: „Viele Betreiber haben nur noch zehn Jahre Restlaufzeit, das ist für die Wirtschaftlichkeit oft zu kurz“. Loibl bestätigte das: „Man braucht in der Regel zwölf Jahre, um ein Wärmenetz zu refinanzieren.“ Er rät dazu, beim Wärmepreis mutig vorzugehen und mindestens 8 ct/kWh Wärme zu verlangen – auch bei Nachverhandlungen. „Unsere Erfahrung zeigt, dass die Wärmekunden froh sind, grüne Wärme zu haben. Ein weiteres Argument ist, dass sie ja keine CO2-Abgabe dafür zahlen müssen“, sagte er.

Auch Wentzke sieht hier noch viel Potenzial: Bei Seminaren der IG Biogasmotoren würden Betreiber eine breite Spanne von 0 bis 7 ct/kWh für den Wärmepreis angeben, den sie erhalten. Offensichtlich würden also einige noch Wärme verschenken. „Das hängt aber auch davon ab, ob sie den KWK-Bonus bekommen. Das wissen auch die Abnehmer und verhandeln entsprechend“, meinte Clemens dazu. Aber auch er sieht Kosten von 8 ct/kWh und mehr für notwendig, um ein Wärmenetz zumindest kostendeckend betreiben zu können.

CO₂-Preis spielt Branche in die Hände

„Es kommt beim Preis aber darauf an, welche Wärmekunden wir bedienen und wie hoch die Wärmekundenzahl je m Trassenlänge ist“, hakte Laß ein. Ein Industriebetrieb mit 1,5 Mio. kWh Wärmeabnahme zahlt einen anderen Preis als ein Einfamilienhaus mit 15.000 kWh.

Clemens machte aber noch auf ein anderes Problem aufmerksam: Die hohe Förderung von Heizkesseln der neuen Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) von bis zu 45 % der Investitionskosten macht es für viele Hausbesitzer attraktiv, jetzt von einer Ölheizung z.B. auf einen Pelletkessel zu wechseln. „Da wird es schwer, sie zum Anschluss an ein Wärmenetz zu bewegen.“

Für Peter Krabbe spielt der neue CO₂-Preis auf fossile Energie der Biogasbranche in die Hände. Der Biogasanlagenbetreiber ist Vorstand des IG Biogasmotoren e.V. und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft B.A.U.M. Consult GmbH aus Hamburg. „Viele Mittelständler haben sich bislang keine Gedanken um die Wärmeversorgung gemacht. Jetzt stellen sie fest, dass die Preise steigen und dass sie mit erneuerbaren Energien auch ein Marketinginstrument erhalten.“ So würden schon einige das Label „Klimaneutrales Unternehmen“ anstreben.

Brücke zur Wasserstoffwirtschaft

Abschließend machte Martin Laß Mut, auch weiterhin auf stark flexibilisierte Anlagen zur Strom- und Wärmeproduktion zu setzen. Dabei nahm er auch Ü20-Anlagen in die Pflicht: „Statt über Bioemethanaufbereitung im kleinen Stil nachzudenken, könnte auch eine Sammelleitung für das Rohbiogas sinnvoll sein, um an einem geeigneten Standort ein großes BHKW mit guter Wärmeauskopplung betreiben zu können, z.B. an einem Wärmenetz.“ Die 5 MW-BHKW böten dann irgendwann die Chance, um an dem Standort einen Elektrolyseur zur Wasserstoffproduktion zu installieren, dessen Abwärme man auch im Wärmenetz verwerten könnte.

Das Fachsymposium der IG Biogasmotoren findet noch bis Freitag, 26.02. statt. Die Vorträge sind jeweils vormittags von 10 bis 12 Uhr geplant.

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