Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Gewinnabschöpfung

Strompreisbremse verfassungswidrig: Erneuerbaren-Branche fürchtet Vertrauensbruch

Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen soll rückwirkend ab dem 1. März 2022 erfolgen.

Lesezeit: 6 Minuten

Das Bundeswirtschaftsministerium hat seine konzeptionellen Überlegungen für Eingriffe in bestehende Marktmechanismen zur Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne vorgelegt. Danach sind erhebliche Einschnitte bei der Bioenergie geplant, während manche fossilen Energieträger wie Steinkohle ungeschoren bleiben.

Nach Auffassung des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) wird damit im Bereich der Energiewirtschaft das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland zerstört. Der BEE sieht darin einen schweren Vertrauensbruch und hält Teile der Vorschläge für verfassungswidrig.

Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

„Die Erneuerbare Branche hat wiederholt deutlich gemacht, dass sie sich solidarisch bei der Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen im Rahmen der Energiekostenkrise zeigen will. Die Kosten- und Versorgungskrise der fossilen Energieträger darf aber nicht zulasten der Energieträger gehen, die die Strompreise schon heute senken und für die Einhaltung der Klima- und Erneuerbaren-Ausbauziele unverzichtbar sind,“ unterstreicht BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter.

„Eine Rückwirkung massiver Markteingriffe auf den 1.3.2022 ist nach unserer Einschätzung zudem verfassungswidrig. Wir lehnen diese ab.“ Ein rückwirkender Eingriff sei ein klarer Bruch mit dem Prinzip der Investitions- und Planungssicherheit. Angesichts der aktuellen Energiekrise könnte dies existenzbedrohliche Auswirkungen haben.

„Eingriff kommt zu Unzeit“

„Dieser massive Markteingriff kommt zu einer Unzeit, in der Ausschreibungen aufgrund der jahrelangen Ausbaubremse noch unterzeichnet sind,“ so Peter. Die Branche sei gerade dabei, angesichts der Ausbauambitionen der Bundesregierung wieder Marktvertrauen zu schöpfen, obgleich noch viele Hemmnisse wie z.B. langsame Genehmigungen, fehlende Flächen und zu viel Bürokratie im Weg stehen.

Außerdem würden steigende Zinsen und Lieferengpässe die Situation noch insgesamt deutlich erschweren. „Dieser umfassende Markteingriff ist daher ein fatales Signal an die Branche und Investoren. Die Bundesregierung gefährdet dadurch die gerade jetzt dringend notwendigen Neuinvestitionen in die Sicherheit der deutschen Energieversorgung. Ohne den starken Ausbau der Erneuerbaren Energien wird es nicht gelingen, kommende Energiekrisen zu vermeiden.“

Höhere Erlöse decken Mehrkosten

Bereits jetzt werden auf Basis der erzielten Einnahmen den Ausbauzielen entsprechende Investitionen in neue Projekte getätigt oder die inflations- und krisenbedingt gestiegenen Kosten laufender Projekte gegenfinanziert. Eine umfassende Rückzahlung droht nun, diese Projekte aufs Spiel zu setzen.

"Wir betonen erneut den Willen der Erneuerbaren Energien, sich solidarisch zu zeigen und in der Energiekrise Verantwortung zu übernehmen. Über die Beschlüsse der EU-Energieminister hinausgehende Eingriffe lehnen wir ab. Der BEE hat bereits im September konstruktive Vorschläge für die Umsetzung der Beschlüsse aufgezeigt. Die nun von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen bauen de facto ein Sondersteuerrecht gegen die Erneuerbaren Energien auf, welches die Zukunftsbranchen der künftigen klimaneutralen Energiewirtschaft einseitig beschneidet. Das kann nicht das Ziel der Bundesregierung sein", sagt Peter.

Steinkohle ausgenommen, Bioenergie nicht

Nach den ersten Überlegungen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK), wie die EU-Verordnung zur Abschöpfung von Strommarkterlösung in Deutschland umgesetzt werden soll, sind unter anderem anlagenspezifische Kappungsgrenzen auf Basis der bisherigen EEG-Vergütungssätze sowie eine rückwirkende Abschöpfung der seit März erzielten Strommarkterlöse vorgesehen.

„Die Überlegungen des BMWK sind aus Sicht der Bioenergiebranche in keinster Weise nachvollziehbar und tragbar“, kritisiert auch Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie.

So sollen beispielsweise Steinkohlekraftwerke mit dem Argument gestiegener Kosten von der Abschöpfung ausgenommen werden – die Erlöse von Bioenergieanlagen hingegen nicht, obwohl sich diese in einer vergleichbaren Situation befinden: In den letzten Jahren sind die Kosten für technische Komponenten und Betriebsstoffe stark gestiegen und insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs kam es zu weiteren starken Preissteigerungen bei landwirtschaftlichen Rohstoffen und Holz.

Folgerichtige wäre deshalb ebenfalls eine Ausnahme von Bioenergieanlagen oder zumindest deutlich höheren Obergrenzen als die derzeitigen Mindestvergütungen, die ihnen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zusichert. Der vom BMWK vorgesehene „Sicherheitspuffer“ von 3 ct/kWh ist viel zu gering, um die aktuellen Kostensteigerungen auch nur annähernd abdecken zu können.

Stegemann: Bioenergie wird maximal zur Kasse gebeten

Auch der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, sieht die Überlegungen des Wirtschaftsressorts zur Abschöpfung von Strommarkterlösen im Biogas-Sektor extrem kritisch. "Klimaminister Habeck gewährt der Kohle einen Freifahrtschein und will stattdessen die Bioenergie bei der Abschöpfung von Strommarkterlösen maximal zur Kasse bitten. Das ist weder energie- noch klimapolitisch akzeptabel", stellte Stegemann klar.

Mit seinem Vorschlag gefährde Habeck in der größten Energiekrise der letzten Jahrzehnte die heimische Versorgungssicherheit. Statt kurzfristig alle verfügbaren Biogas-Kapazitäten zu heben, um einigermaßen sicher durch den Winter zu kommen, dürfte die geplante Erlösabschöpfung das Energieangebot eher senken, warnt der CDU-Politiker. Denn auch im Bereich der Bioenergie seien die Produktionskosten zuletzt gestiegen. Für viele Stromerzeuger dürfte der ,Sicherheitspuffer' von drei Cent je Kilowattstunde (kWh) daher nicht ausreichen, um wirtschaftlich Strom zu erzeugen.

Rückerstattung bedroht Existenz von Biogasbetrieben

Für volkswirtschaftlich kontraproduktiv hält Rostek auch den Ansatz des BMWK, 90 % aller Erlöse abzuschöpfen, die Anlagen durch eine flexible Fahrweise zusätzlich erzielen können. Ihr zufolge sind es gerade jene Preisanreize, die die Verlagerung von Strom- und Wärmeerzeugung auf Stunden anreizen, in denen sonst Erdgasturbinen betrieben werden müssen. Jede flexibel eingespeiste Kilowattstunde senke direkt den Bedarf an fossilen Alternativen und vor allem den Verbrauch von teurem Erdgas, verdeutlichte Rostek.

Sie warnt ferner vor einer rückwirkenden Abschöpfung von Erlösen ab März 2022: "Dies wäre nicht nur ein Vertrauensbruch erster Güte, sondern würde direkt den Anlagenbestand gefährden, da viele Anlagenbetreiber die Erlöse bereits reinvestiert und/oder zur Deckung gestiegener Betriebs- und Einsatzstoffkosten ausgegeben haben." Eine Rückerstattung könnte daher das Aus einer Vielzahl von Bioenergieanlagen bedeuten. „Wir hoffen nun auf einen konstruktiven Dialog, der sowohl die Energiekosten für die Verbraucher senkt, aber auch gleichzeitig die Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien nicht durch eklatante Fehlanreize gefährdet“, sagt Rostek.

Eingriff gefährdet auch künftige Investitionen

„Angesichts der Energiekrise wird das Abschöpfen von Zufallsgewinnen die Verbraucher entlasten. Die Eingriffe müssen aber eng befristet bleiben und verhältnismäßig sein. Der Strommarkt darf nicht dauerhaft eingegrenzt werden. Es ist daher richtig, dass die Merit Order unangetastet bleibt“, erklärt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne).

Die vorgeschlagene Einführung einer rückwirkenden Abschöpfung wäre ein klarer Bruch mit dem Prinzip der Investitions- und Planungssicherheit. Die Eingriffe dürfen dringend erforderliche Investitionen in Erneuerbare Energien nicht gefährden.

„Mehr denn je brauchen wir jetzt eine Investitionsoffensive in erneuerbare Energien; das heißt wir brauchen einen Abbau von Hemmnissen. Denn nur mehr Strom aus erneuerbaren Energien führt über den Merit-Order-Effekt zu niedrigeren Preisen am Strommarkt“, unterstreicht Busch.

Mehr zu dem Thema

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.