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Strompreisbremsengesetz: Verbände und Landespolitiker fordern Ausnahme von Bioenergie

Anlässlich einer Anhörung im Bundestag zur geplanten Abschöpfung von Strommarkterlösen drängt die Erneuerbaren-Branche auf eine Gesetzesänderung. Bayern startet sogar eine Bundesratsinitiative.

Lesezeit: 9 Minuten

Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestages hat sich am Dienstag (6.12.22) im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zum Strompreisbremsengesetz unter anderem mit der geplanten Abschöpfung von Strommarkterlösen von Erneuerbare-Energien-Anlagen befasst.

„Die beabsichtigte Abschöpfung von Strommarkterlösen darf nicht die Versorgungssicherheit im nun anstehenden Winter oder gar die Energiewende im Ganzen gefährden. Eine Abschöpfung der Erlöse aus der Stromproduktion der Bioenergie gefährdet jedoch beides, da mehrere Gigawatt Erzeugungsleistung aus Biogas und Holz direkt zur Disposition stehen“, betont die zur Anhörung geladene Expertin und Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie, Sandra Rostek.

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Dies liege vor allem an den stark gestiegenen Kosten zum Betrieb der Biomasseanlagen. Nicht erst seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine seien die Kosten für Wartung, Reparatur, Betriebsmittel sowie Brennstoffe und Substrate explodiert. Der vorliegende Gesetzentwurf versuche hier zwar mit einer unzureichenden Anhebung des Sicherheitspuffers eine Antwort auf die Kostensteigerungen bei Biogas zu geben, doch die massiven Kostensteigerungen bei allen weiteren Biomasseanlagen, die z.B. Alt- und Restholz oder Stroh einsetzen, würden weiter völlig ignoriert.

„Energiewirtschaftlich unsinnig“

Zum anderen ersetzen insbesondere flexible Bioenergieanlagen fossile Brennstoffe im Strom- und Wärmemarkt. Sie stehen folglich in direkter Konkurrenz zu Erdgas und Kohle, welche die Preistreiber in der aktuellen Energiekrise sind.

„Erlöse aus der flexiblen Stromproduktion nahezu vollständig abzuschöpfen, ist energiewirtschaftlich schlicht unsinnig. Hierdurch geht unweigerlich der Anreiz verloren, die Stromerzeugung auf die Zeiten mit den höchsten Börsenpreisen, also die Stunden mit dem höchsten Erdgasverbrauch zu verlagern und so den Strompreis über das Marktgeschehen zu senken“, erklärt sie.

Wie sie bei der Anhörung deutlich machte, sei die vorgeschlagene Bagatellgrenze für Erneuerbare-Energien-Anlagen von einem Megawatt zwar grundsätzlich zu begrüßen, diskriminiere aber insbesondere jene Biogasanlagen, die ihre Leistung zur flexiblen Stromproduktion erhöht und sich frühzeitig für eine teurere, aber netzdienlichere Stromproduktion entschieden hätten.

Auch sei zu befürchten, dass bei einer Abschöpfung von Anlagen über einem Megawatt wesentliche flexible Leistungen kurzfristig außer Betrieb genommen werden. „Folgerichtig ist nach wie vor die vollständige Ausnahme der Bioenergie aus dem Abschöpfungssystem notwendig. Andernfalls stehen sowohl die Versorgungssicherheit sowie langfristig die gesamte Energiewende in Gefahr“, sagt Rostek.

Die Stellungnahme des Hauptstadtbüro Bioenergie zum Kabinettsentwurf zum Strompreisbremsengesetz steht auf der Homepage zum Download.



Weitere Kritikpunkte von anderen Verbänden und Sachverständigen finden Sie hier.

Insolvenzwelle befürchtet

Als „komplett fehlgeleitet“ kritisiert der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) die aktuellen Pläne der Ampelregierung, dass auch flexible Biogasanlagen rückwirkend zum 1. Dezember von der sogenannten Stromerlösabschöpfung betroffen sein sollen.

„Das wäre nicht nur ein krasser Rückschritt für die Energiewende, viele der bundesweit 3.500 Flex-Anlagen müssten wahrscheinlich Insolvenz anmelden“, drängt Dr. Thomas Griese, stellvertretender Vorsitzender des LEE NRW, auf eine Korrektur des schon in erster Lesung vom Bundestag debattierten Gesetzentwurfes. „Denn die Flex-Anlagen sind zurzeit die technisch einzige mögliche Antwort mit erneuerbaren Energien bei einer Dunkelflaute Energieengpässe zu verhindern“, so Griese.

„Bevölkerung wird getäuscht“

Damit Biogaslagen bedarfsgerecht den erzeugten Ökostrom ins Netz einspeisen können, haben ihre Betreiber in der Vergangenheit sechs-, siebenstellige Summen in die Umrüstung ihrer Anlagen investiert und sind dabei auch den Vorgaben der Politik gefolgt.

Zu diesen Biogasbauern zählt auch Reiner von Meer aus Euskirchen. Seit 2004 betreibt der Rheinländer auf seinem Hof eine Biogasanlage, deren Bau Anfang der 2000er Jahre mit staatlichen Fördergeldern unterstützt worden ist. „Bleibt es so bei diesem Gesetzentwurf, muss ich Insolvenz anmelden“, verweist von Meer auf die Konsequenzen und gleichzeitig auf die in den vergangenen Monaten drastisch gestiegenen Rohstoffkosten: „Während der Rohstoff Wind und Sonne kostenlos ist, sind auch wir Biogasbauern von der Teuerungswelle erfasst.“

Nicht nur die drohende Erlösabschöpfung ist für Reiner von Meer ein Ärgernis: „Wenn das Bundeswirtschaftsministerium zuletzt behauptet hat, dass 95 % aller Biogasanlagen überhaupt nicht von der Neuregelung betroffen sind, wird die Öffentlichkeit bewusst getäuscht.“

Arbeitsplätze in Gefahr

Auch für Hendrik Becker ist der vorliegende Gesetzentwurf „absolut nicht durchdacht und kontraproduktiv.“ Becker ist Gründer und Gesellschafter der PlanET Biogastechnik GmbH mit Sitz im münsterländischen Gescher, einem der mit rund 300 Mitarbeitern hierzulande führenden Hersteller von Biogasanlagen:

„In den zurückliegenden Jahren war der Markt für neue Biogasanlagen in Deutschland bereits sehr eng. Angesichts des fehlenden Zubaus wurde es immer schwieriger, Entwicklungen und Prototypen wie beispielsweise für noch effizientere Flex-Anlagen hier vor Ort zu testen. Zum Teil mussten wir für die Erprobung bereits nach Frankreich und Nordamerika ausweichen. Dies führt dazu, dass auch die deutschen Arbeitsplätze und der hiesige Standort immer mehr unter Druck geraten, mehr und mehr Stellen ins Ausland zu verlagern.“

Förderungen des Branche

Von den Bundesabgeordneten aus NRW fordert der LEE NRW, sich bei der noch vor Weihnachten anstehenden Abstimmung für folgende Änderungen beim Gesetzentwurf stark zu machen:

  • Alle flexiblen Bioenergieanlagen müssen von der Erlösabschöpfung ausgenommen werden.

  • Es darf keine Abschöpfung von fiktiven Erlösen geben. Denn die Abschöpfung oberhalb der Stromerlösobergrenze schöpft nicht tatsächlich erzielte Mehreinnahmen ab, sondern nur fiktive Erlöse. Diese fiktiven Erlöse werden allein auf Basis der Börsenpreise sowie von in der Vergangenheit abgeschlossenen Direktvermarktungsverträgen mit schlechteren Konditionen berechnet, die faktisch gar nicht erzielt worden sind.

  • Soweit überhaupt eine Erlösabschöpfung in Betracht kommt, muss die Berechnung auf einer anderen Grundlage erfolgen: Entscheidend dafür sollte nicht die maximale installierte Leistung der Anlage sein, sondern die jährliche maximale Durchschnittsleistung (im EEG als Höchstbemessungsleistung bezeichnet). Hier liegt die Besonderheit gegenüber der Wind- und Solarenergie: Gerade flexible Biogasanlagen nutzen ihre maximale Leistung kaum aus - diese Anlagen werden nur während weniger Stunden im Jahr, in denen Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen, mit maximaler Leistung gefahren.

LEE NRW-Vorstand Thomas Griese: „Der Bundestag muss den Gesetzentwurf ändern, damit die flexible Biogaserzeugung nicht unter die Räder kommt, sondern weiter für die Versorgungssicherheit genutzt und ausgebaut werden kann.“

Weitere Argumente

Auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) und der Bundesverband Erneuerbare Energien fordern Änderungen:

    • Robert Busch (Geschäftsführer bne): „Die Preisbremsen für Strom und Gas setzen den Wettbewerb aus, denn ein einheitlicher Höchstpreis gibt den Verbrauchern keine Anreize für einen Lieferantenwechsel. Dadurch kann der Markt nicht mehr seine Aufgabe als Preiskorrektiv übernehmen.



    • Das im Entwurf verankerte Verbot missbräuchlicher Preisgestaltung ist notwendig und nachvollziehbar, um missbräuchliche Preisgestaltungen auf Staatskosten zu verhindern. Dennoch – Tariferhöhungen der Versorger sind wegen der höheren Beschaffungskosten, gestiegener Netzentgelte und auch der enormen administrativen Mehraufwände unvermeidbar. Die Lieferanten dürfen die Kosten, die ihnen durch die Abwicklung der Preisbremse entstehen, laut Gesetzentwurf derzeit nicht in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen.



    • Ein pauschaler Abzocke-Verdacht ist völlig unangebracht. Ganz im Gegenteil: Die Energieversorger stehen zu ihrer Aufgabe in der Energiekrise und übernehmen neben ihrem eigentlichen Geschäft gezwungenermaßen auch noch sozialstaatliche Verwaltungsaufgaben, für die sie gar nicht zuständig sind.“
    • Dr. Simone Peter (Präsidentin des BEE): „Die erneuerbaren Energien sind die Zukunft unseres Energiesystems. In dieser kritischen Phase der Energiewende, mit unterzeichneten Ausschreibungen, zurückgehenden Genehmigungen, einer unzureichenden Flächenkulisse und enormen Kostensteigerungen sind Investitionsspielräume zu erweitern. Mit dem StromPBG wird das Gegenteil getan.“



  • Die Erneuerbaren würden durch die geplante Erlösabschöpfung sogar stärker zur Kasse gebeten als fossile Energieträger. „Die Ampelkoalition hat im letzten Jahr viele Fesseln gelöst, ist aber jetzt im Begriff neue anzulegen – das passt nicht zusammen“, so Peter. Die Branche habe Verständnis für den dringenden Entlastungsbedarf in der fossilen Preiskrise und stehe zu ihrer Verantwortung. Der geplante Abschöpfungsmechanismus habe jedoch zu großer Unsicherheit in der Branche geführt, Investitionen gestoppt und drohe einen schnelleren Ausbau zu verhindern“, so Peter.

Forderungen des BEE

Der BEE hat seine Forderungen an den Bundestag in einer Stellungnahme dargestellt:

  • Planungssicherheit schaffen: Klare zeitliche Befristung der Strompreisbremse bis Juni 2023 ohne Verlängerungs-Automatismus.
  • Investitionsspielräume sichern: Einheitliche Erlösobergrenze von 180 €/MWh oder zumindest Erhöhung des Sicherheitszuschlags und Investitionskomponente vorsehen.
  • Langfristverträge weiter ermöglichen: Statt Erneuerbare von den Langfristmärkten zu verdrängen und Geschäftsmodelle wie PPA-Verträge, Industriestrom, Bürger*innen-Strom zu verhindern, zusätzliche Sicherheitspuffer für Erneuerbare auf dem Terminmarkt vorsehen, um höhere Risiken abzufedern.
  • Bioenergie ganz aus der Erlösabschöpfung ausnehmen oder zumindest die Erlöse aus flexibler Produktion bzw. Bagatellgrenze auf Höchstbemessungsleistung umstellen.
  • Förderrahmen an die neue Marktrealität anpassen: Gebotshöchstwerte im EEG anpassen und Anzulegende Werte anheben; Verschärfung der ohnehin marktbelastenden Regelungen in § 51 EEG zurücknehmen; Zahlung vermiedener Netzentgelte wieder aufnehmen.
  • „Es geht jetzt darum, ein Investitionsklima für Zukunftstechnologien zu schaffen, Versorgung und Bezahlbarkeit zu sichern und den Industrie- und Mittelstandsstandort zukunftsfähig aufzustellen. Eine steuerliche Lösung wie für Mineralölkonzerne wäre eine einfachere, bessere und rechtssicherere Lösung. Der Bundestag sollte den Entwurf grundlegend korrigieren und für Vertrauen der Branche in den Standort sorgen“, so Peter abschließend.

Bundesratsinitiative von Bayern

Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger hat eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die Betreibern von Bioenergie-Anlagen trotz Strompreisbremse höhere Erlösobergrenzen sichern soll. Aiwanger: „Die Gewinnabschöpfung gefährdet wichtige erneuerbaren Energien. Die Erlösobergrenzen im Rahmen der Strompreisbremse des Bundes müssen deutlich erhöht werden. Auch Investitionen in Windkraft und Photovoltaik liegen derzeit wegen der fatalen Positionierung aus Berlin auf Eis. Es ist grotesk, dass gerade jetzt die erneuerbaren Energien ausgebremst anstatt befördert werden. Das muss dringend geändert werden.“

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Staatsregierung auf Initiative Aiwangers dafür ein, bestehende Spielräume für Anpassungen der Erlösabschöpfung zugunsten der heimischen Anlagenbetreiber so weit wie möglich auszuschöpfen. Wichtigster Punkt ist dabei die Höhe der Erlösobergrenze. Der Bund geht hier weit über die EU-Vorgaben hinaus.

Konkret sollen nach den Plänen der Bundesregierung für die Höhe der Erlösobergrenze die Vergütungssätze nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – inklusive eines Sicherheitszuschlages – maßgeblich sein. Gerade aber bei der Bioenergie ist die EEG-Vergütung nach dem EEG deutlich zu niedrig angesetzt, um die in jüngster Zeit erheblich gestiegenen Investitions- und Betriebskosten abzudecken.

Aiwanger: „Wir fordern, dass der geplante Sicherheitszuschlag noch einmal deutlich auf 10 Cent pro Kilowattstunde erhöht wird. Auch sollen sämtliche Biomasseanlagen vom Sicherheitszuschlag profitieren können. Zudem wollen wir, dass sich die Grenze von einem Megawatt, ab der Biomasseanlagen von der Erlösabschöpfung betroffen sind, nicht auf die installierte Leistung, sondern wie bei den Erlösen von Biomasseanlagen sonst auch auf die übliche Höchstbemessungsleistung bezieht.“

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