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topplus CO2-Reduktion verfehlt

Treibhausgasbilanz: Rückkehr der Kohle gefährdet Klimaziele

Der CO₂-Ausstoß stagniert im Jahr der fossilen Energiekrise – obwohl der Energieverbrauch deutlich sinkt und ein günstiges Wetterjahr den Anteil von Wind- und Solarstrom auf Rekordhöhe hebt.

Lesezeit: 6 Minuten

Im Jahr 2022 ist die zum Erreichen der deutschen Klimaziele erforderliche Reduktion der CO₂-Emissionen ausgeblieben: Deutschlands Treibhausgasausstoß stagnierte bei rund 761 Mio. t Tonnen CO₂. Das zeigen aktuelle Berechnungen von Agora Energiewende, die der Thinktank in seiner Auswertung des Energiejahres 2022 veröffentlicht hat.

Demnach lag die Emissionsminderung 2022 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 bei knapp 39 % und damit zum zweiten Mal hinter dem 2020 erreichten Klimaziel von 40 %. „Die CO₂-Emissionen stagnieren auf hohem Niveau, und das trotz eines deutlich niedrigeren Energieverbrauchs von Haushalten und Industrie. Das ist ein Alarmsignal im Hinblick auf die Klimaziele“, sagt Simon Müller, Direktor Deutschland bei Agora Energiewende.

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Energieverbrauch sinkt deutlich

Laut der Agora-Auswertung ist der Energieverbrauch in Deutschland um 4,7 % beziehungsweise 162 Terawattstunden gegenüber 2021 zurückgegangen, unter anderem infolge der massiven Preissteigerungen bei Erdgas und Strom sowie milder Witterung.

Der Verbrauch sank unter das Niveau im Corona-Jahr 2020 und damit auf den tiefsten Stand im wiedervereinigten Deutschland.

Der verstärkte Einsatz von Kohle und Öl machte die Emissionsminderungen durch Energieeinsparungen jedoch zunichte: Das Reduktionsziel für 2022 von 756 Mio. t CO₂, das sich aus der Summe der CO₂-Vorgaben für die Bereiche Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Land- und Abfallwirtschaft ergibt, wurde um 5 Mio. t knapp verfehlt. Und das, obwohl der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch witterungsbedingt einen neuen Höchstwert von 46,0 % erreichte.

„2023 muss die Regierung die Trendwende schaffen: raus aus den fossilen Energien und konsequent rein in die Erneuerbaren. Das hilft dem Klima, senkt die Preise und macht uns unabhängig von fossilen Energieimporten“, betont Müller.

Gebäude und Verkehr bleiben zurück

Die einzelnen Sektoren im Überblick:

  • Die CO₂-Emissionen aus der Energiewirtschaft stiegen laut Agora-Abschätzung 2022 erstmals wieder an und betrugen zum Jahresende 255 Mio. t CO₂ (plus 8 Mio. t im Vergleich zu 2021). Haupttreiber war die höhere Verstromung von Kohle aufgrund stark gestiegener Erdgaspreise. In Summe wurde damit das im Klimaschutzgesetz vorgeschriebene Reduktionsziel von 257 Mio. t CO₂ nur knapp eingehalten.
  • Der Verkehrs- und der Gebäudebereich verpassten hingegen erneut ihre Klimaziele: Der Gebäudebereich überzog mit 113 Mio. t CO₂ das Sektorziel um 5 Mio. t. Der Einsparerfolg von minus 16 % beim Erdgasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr führte zwar zu einem Emissionsrückgang von 7 Mio. t CO₂ gegenüber 2021, konnte aber die jahrelangen Versäumnisse bei der Wärmewende nicht ausgleichen.
  • Im Verkehr lag der CO₂-Ausstoß mit 150 Mio. t CO₂ deutlich über dem erlaubten Wert von 139 Mio. t CO₂. Gründe für die Zielverfehlung sind das nach dem Corona-Rückgang wieder angestiegene Verkehrsaufkommen und fehlende politische Maßnahmen zur Emissionsreduktion.
  • Die Industrie verzeichnete infolge von Spar- und Effizienzmaßnahmen sowie Produktionseinbußen mit 173 Mio. t CO₂ einen leichten Emissionsrückgang um 8 Mio. t. Trotz verstärktem Einsatz von Kohle und Öl als Ersatz für Erdgas hielt der Industriesektor damit das Klimaziel ein. Doch auch hier fehlen bislang die strukturellen Maßnahmen, um auf Kurs für das 2030-Klimaziel zu kommen.

Erneuerbaren-Energien-Anteil steigt auf Rekordhoch

Der Agora-Auswertung zufolge produzierten Erneuerbare Energien im Jahr 2022 mit 248 Terawattstunden so viel Strom wie nie zuvor – ein Plus von 22 Terawattstunden beziehungsweise 10 % gegenüber 2021. Dabei blieb die Windkraft mit 126 Terawattstunden größter Stromlieferant unter den Erneuerbaren.

Gleichzeitig stieg die Stromproduktion aus Solaranlagen mit 60 Terawattstunden um 23 % gegenüber 2021 – dank eines überdurchschnittlich guten Sonnenjahrs und eines Zubaus in Höhe von 7,2 Gigawatt. Insgesamt betrug die Erneuerbaren-Energien-Kapazität am Jahresende 148 Gigawatt und damit 9,6 Gigawatt mehr als 2021.

Dennoch warnt Agora-Experte Müller: „Das Rekordjahr für die Erneuerbaren Energien ist wetterbedingt und damit kein struktureller Beitrag zum Klimaschutz.“ Deutschland steuere auf eine massive Lücke beim Erneuerbaren-Ausbau zu.

„Insbesondere die Ausbau-Krise bei der Windenergie dauert an“, betont Müller. Hier kamen 2022 nur rund 2 Gigawatt hinzu. Insgesamt waren 2022 neun von zehn Ausschreibungen für Erneuerbare Energien unterzeichnet. „Die Regierung muss jetzt entschieden und schnell nachbessern, denn wir brauchen ab 2023 eine Verdreifachung beim Zubau, um das 2030-Erneuerbaren-Ziel zu erreichen“, sagt Müller.

In den kommenden acht Jahren muss hierfür der Zubau bei Solar auf 19 Gigawatt jährlich, bei Windkraft an Land auf 7 Gigawatt und bei Windkraft auf See auf knapp 3 Gigawatt im Jahresschnitt ansteigen.

Kohleverstromung legt deutlich zu

Die Kohle-Rückkehr war zum einen durch den hohen Erdgaspreis bedingt, der die Kohleverstromung fast über das ganze Jahr hinweg günstiger machte als den Einsatz von Gaskraftwerken. Zum anderen waren 2022 als Reaktion auf Gas-Versorgungsengpässe Kohlekraftwerke zurück ans Netz geholt worden, sodass Ende 2022 2 Gigawatt mehr Kohlekapazitäten im Markt waren als Ende 2021.

„Die Rückkehr der Kohle steht im klaren Widerspruch zu den Klimazielen“, sagt Simon Müller. „Wir brauchen mehr Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau, um Emissionen zu senken und wir müssen den Kohleausstieg 2030 absichern.“ Dies sei auch zentral, um die absehbar höhere Stromnachfrage durch mehr Elektroautos, Wärmepumpen und strombasierte Industrieprozesse klimafreundlich zu decken.

Erdgas-, Kohle- und Erdölpreise stiegen an den Großhandelsmärkten in Deutschland und Europa im Jahr 2022 auf Rekordhöhen: Gegenüber dem Jahresmittelwert 2021 stiegen die Preise 2022 an den Energiebörsen im Durchschnitt um 167 % für Erdgas, um 157 % für Steinkohle und um 54 % für Mineralöl. Die Preisausschläge drückten den Strom- und Erdgasverbrauch ab März und dann gegen Jahresende nochmal deutlich, als die hohen Strompreise für Haushalte in den Abschlagszahlungen sichtbar wurden.

Klimasofortmaßnahmen 2023 nötig

2023 bleiben die Energiepreise voraussichtlich auf hohem Niveau, erwartet Müller: „Gerade der schnelle Ausbau von Solarenergie kann jedoch die Preise zügig dämpfen.“ Neben dem Erneuerbaren-Turbo sei eine Elektrifizierungsoffensive durch Wärmepumpen in Haushalten und Industrie zentral. „Die Regierung muss jetzt schnell das Potenzial der Erneuerbaren Energien, von Effizienz und Elektrifizierung für die Krisenbewältigung aktivieren, so dass wir bis Ende 2023 unabhängiger von fossilen Energien und von deren volatilen Preisen sind.“

Die Studie „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2022“ fasst die wesentlichen Entwicklungen zur Energiewende und Klimazielen zusammen. Die 108-seitige Publikation enthält zahlreiche Abbildungen und Graphiken und steht zum kostenlosen Download unter www.agora-energiewende.de bereit.

Habeck: „Zahlen zeigen erste Tendenz“

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck bewertet die vorläufigen Treibhausgasberechnungen von Agora Energiewende so: „Erst einmal sind alle Zahlen mit Vorsicht zu genießen, die offizielle Treibhausgasbilanz legt das Umweltbundesamt Mitte März vor. Dennoch zeigt ein genauerer Blick auf die Agora-Zahlen eine erste Tendenz und den notwendigen Handlungsbedarf.“

Trotz der Energiekrise durch Putins Angriffskrieg und der deshalb nötigen zusätzlichen Kohleverstromung seien die Gesamtemissionen 2022 gegenüber 2021 leicht gesunken. Der Grund dafür seien deutliche Energieeinsparungen und der hohe Anteil der erneuerbaren Energie am gesamtdeutschen Energiemix. 
„Wir haben mit der umfassendsten EEG-Novelle 2022 und mit Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungen auf EU- und Bundesebene die nötigen Weichen gestellt“, sagt Habeck.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ziehe nach Jahren der Stagnation endlich wieder an: Sehr deutlich bei der Solar-, und Schritt für Schritt auch bei der Windkraft. Die Maßnahmen zur Beschleunigung würden 2023 wirksam werden.

„Außerdem stimmen wir in der Regierung gerade ein Energieeffizienz-Gesetz ab. Die Zahlen zeigen, wie wichtig der Einsatz für Energieeinsparungen ist.“

Sorgenkind sei der Verkehrsbereich, in dem die CO₂-Emissionen erneut gestiegen sind. Alle bisher vorgesehen Maßnahmen reichten nicht, um hier die große CO₂-Lücke zu schließen. Und anders als beim Gebäudebereich sei es bisher nicht gelungen, eine Perspektive zu entwickeln, die das ändert. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf.

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