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Veitshöchheimer Hanfmix: Wilde Blühpflanzen für Bienen, Boden und Biogas

Wildpflanzen bereichern Boden-, Arten- und Klimaschutz. Wegen des geringen Gasertrags brauchen Anbauer einen finanziellen Ausgleich. Vier Bundesländer zahlen inzwischen interessante Förderungen.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Landkreis Rhön-Grabfeld im nördlichen Bayern ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „blühende Region“. Hier bauen 50 Landwirte auf insgesamt 120 ha die Wildpflanzenmischung „Veitshöchheimer Hanfmix“ an. Der geerntete Aufwuchs wird auf fünf Biogasanlagen verteilt.

„2017 haben wir mit 23 ha begonnen, jetzt streben wir die 200 ha an“, sagt Mathias Klöffel, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes und einer der Geschäftsführer der Agrokraft, einer Tochter von Bauernverband und Maschinenring Rhön-Grabfeld.

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Aus welchen Arten der Veitshöchheimer Hanfmix besteht

Der Hanfmix ist eine Mischung aus 30 Wildpflanzenarten:

  • Im ersten Standjahr dominieren schnell- und hochwüchsige „Ammenpflanzen“ wie der namensgebende Hanf, aber auch Sonnenblumen oder das blütenreiche Schmuckkörbchen. „Diese Pflanzen dienen dazu, Masse zu liefern und Beikräuter zu unterdrücken, aber auch genug Licht durchzulassen für die Stauden, die in den Folgejahren aufwachsen“, sagt Dr. Elena Krimmer, die die Mischung zusammen mit Kornelia Marzini und anderen Kollegen von der LWG in Veitshöchheim bei Würzburg entwickelt hat. Ihr Ziel dabei: Artenvielfalt und hohen Biomasseertrag kombinieren. Der Aufwuchs wird im ersten Jahr im September geerntet.
  • Im zweiten Standjahr kommen viele Arten wie der Hanf aus dem ersten Jahr nicht wieder. Dafür blühen Füllpflanzen wie die Große Klette, die Edeldistel oder die Färberkamille. Die Ernte erfolgt jetzt – wie in den Folgejahren – ab Mitte Juli.
  • Ab dem dritten Jahr zeigt sich die endgültige Pflanzenzusammensetzung, die dann zwei Jahre oder länger besteht. Hier dominiert der Rainfarn, das bei Hummeln sehr beliebte Herzgespann oder die Stockrose.

Wann der Veitshöchheimer Hanfmix geerntet wird

Beim Erntetermin Ende Juli blühen viele Pflanzen in der Mischung noch. Das führt immer wieder zu Diskussionen – gerade bei Naturschützern. Aber der Termin hat sich aus drei Gründen als wichtig erwiesen:

  1. Die Ernte erfolgt bei einem Trockensubstanzgehalt (TS-Gehalt) von etwa 30 %. Zu diesem Schnittzeitpunkt ist die Biomasse noch nicht stark verholzt. Das bedeutet eine höhere Gasausbeute in der Biogasanlage.
  2. Nach der Ernte wächst der Bestand noch einmal auf, es kommt zu einer Nachblüte bis in den Herbst hinein (siehe Übersicht 1). „Ohne die Ernte im Juli hätten wir ab Mitte August einen braunen Bestand ohne Blütenangebot“, erklärt Krimmer. Denn wenn die Pflanzen einmal Samen ausgebildet haben, blühen sie in dem Jahr nicht mehr. Der zweite Aufwuchs wird allerdings mangels Masse und zur Deckung von Wildtieren im Winter nicht mehr geerntet.
  3. Und ein früherer Termin ist ungünstig, weil es dann Konflikte mit der Brut- und Setzzeit der Wildtiere gibt.

Wie der Veitshöchheimer Präriemix die Trachtlücke ausgleichen soll

Der Hanfmix hat sich inzwischen etabliert und wird von vielen Landwirten auf mehreren hundert Hektar in Deutschland angebaut. Jetzt arbeiten die Wissenschaftler an dem „Veitshöchheimer Präriemix“, der aus nordamerikanischen Präriestauden besteht. Dazu gehört auch die Durchwachsene Silphie. „Wir wollen aber nicht wie beim Silphieanbau eine Monokultur, sondern artenreiche, mehrjährige Bestände, die ebenfalls zur Biogasproduktion genutzt werden können“, erklärt Krimmer.

Auch bei diesem Mix übernehmen ab dem dritten Jahr etwa 19 ausdauernde Staudenarten den Bestand, die allerdings später blühen als der Hanfmix. Der Blühbeginn ist etwa zu der Zeit, wenn der Hanfmix geerntet wird, also Ende Juli. Der Präriemix wird im September zusammen mit Mais geerntet und einsiliert.

Anders, als Skeptiker erwartet hatten, sind auch die amerikanischen Pflanzen bei heimischen Insektenarten beliebt. Zudem haben Wissenschaftler in den Beständen bis zu 37 Vogelarten gezählt, darunter viele Rote-Listen-Arten. „Damit haben wir für Bienen und andere Insekten ein durchgehendes Blütenangebot. Daher wäre unsere Idee, dass Hanf- und Präriemix mosaikartig in der Landschaft verteilt angebaut werden“, sagt Krimmer.

Noch ist die Entwicklung nicht abgeschlossen, aber die Wissenschaftler sind optimistisch, dass der Mix bald auf den Markt kommt.

Welche Vorteile die Veitshöchheimer Mischungen bringen

Die beiden Blühmischungen bringen laut Krimmer eine Reihe von Vorteilen, wie Untersuchungen zeigen:

  • Sie bieten Nahrung und Deckung für viele Wildtierarten, von Insekten über Vögel bis hin zu Niederwild. Über 124 Wildbienenarten sowie über 40 Vogelarten haben die Biologen auf den Flächen gezählt.
  • Im Jahr sind nur zwei Arbeitsgänge nötig: Düngung im Frühjahr und die Ernte. Die Bodenruhe sorgt dafür, dass sich auch seltene Arten wie das Rebhuhn oder der Feldhamster ansiedeln.
  • Über mehrere Jahre sind keine Pflanzenschutzmittel nötig. „Nur beim Präriemix könnte es in einigen Regionen nötig sein, ein Gräserherbizid einzusetzen“, sagt Krimmer.
  • Die Pflanzen wurzeln tief. Damit erreichen sie tiefere Wasserschichten und sind trockenheitsresistenter sind als so manche Nutzpflanze. Außerdem senken sie Nitratwerte im Boden und tragen zum Grundwasserschutz bei.

Im Landkreis Rhön-Grabfeld hat sich nach fünf Jahren Erfahrung die Dauerkultur aus ackerbaulicher Sicht als positiv erwiesen. „Wir sind eine der trockensten Regionen in ganz Bayern und haben mit extremer Vorsommertrockenheit zu kämpfen“, sagt Klöffel. Mehrjährige Pflanzen bieten daher den Vorteil, dass die Landwirte nicht jedes Jahr um den Feldaufgang bangen müssen. Allerdings kann es bei der Aussaat des Hanfmixes zu Problemen kommen, wenn die Feuchtigkeit ausbleibt.

Welche Erträge der Veitshöchheimer Hanfmix im Vergleich zu Mais liefert

Die Ernte erfolgt mit Feldhäckslern mit Maisvorsatz. „Die Schnitthöhe ist mit 25 cm höher als beim Mais, weil wir die Deckung im Winter erhalten wollen“, sagt Klöffel. Die Häcksler fahren nicht schneller als 5 km/h, um Insekten auf den Blüten die Möglichkeit zu geben, wegzufliegen.

Wie sich die Ernteerträge in den Jahren 2017 bis 2021 entwickelt haben, zeigt die nachfolgende Übersicht: Während Mais fast 14 t Trockenmasse je Hektar liefert, kommen Wildpflanzen mit knapp 6 t TM/ha ab dem zweiten Jahr auf weniger als die Hälfte. „Zudem liegt der Methanertrag je kg 30 bis 40 % unter dem von Mais. Pro Hektar kommen wir auf einen Methanertrag, der nur 35 % dessen von Mais erreicht“, fasst Klöffel zusammen.

Die Pflanzen lassen sich gut ernten, einsilieren und vergären. Nach fünf Jahren dünnen die ersten Bestände aus und fangen an, zu vergrasen. Dann werden sie umgebrochen und die Fläche im Rahmen der betriebsüblichen Fruchtfolge genutzt.

Warum der Anbau des Veitshöchheimer Hanfmixes gefördert werden muss

Die Agrokraft hat die Wirtschaftlichkeit von Wildpflanzen und Energiemais verglichen. Bei Maishektarerträgen von 40 t Frischmasse (FM) und 35 €/t FM Verkaufspreis ergeben sich Einnahmen von 1.535 €/ha. Dem gegenüber stehen variable Kosten von 1.157 €/ha, sodass ein Überschuss von 378 €/ha bleibt.

Wildpflanzen dagegen bringen weniger Ertrag und Erlöse, sodass hier Einnahmen von 436 €/ha und ein Defizit von 131 €/ha entstehen. „Im Vergleich zu Mais haben wir ein Defizit von über 500 €/ha. Ohne Förderung geht es also nicht“, sagt Klöffel.

„Wildpflanzen müssen gesellschaftlich honoriert werden“, fordert auch Markus Bäuml, Ansprechpartner für alternative Energiepflanzen und Biodiversität beim Fachverband Biogas. Hier stehe nicht der Biogasertrag im Fokus, sondern der Artenschutz. Daher ist eine Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht sinnvoll, sondern muss von anderer Stelle erfolgen. Im Landkreis Rhön-Grabfeld hatte der Bund Naturschutz anfangs eine Förderung je ha gezahlt.

Ab 2023 wird die freiwillige Anlage von Blühflächen und -streifen in der 1. Säule der GAP als Ökoregelungen angeboten. Zudem gibt es länderspezifische Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der 2. Säule:

  • Bayern: 450 €/ha (KULAP: Ernte nicht vor dem 15. Juli, standortangepasstes Saatgut)
  • Baden-Württemberg: 500 €/ha (Extensive Biomassepflanzen, Programm FAKT II E14, Ernte ab 15. Juli)

„Die Förderung deckt in den meisten Fällen nicht alle Kosten. Daher ist es unbedingt notwendig, dass der Aufwuchs geerntet und zu Biogas verarbeitet wird“, sagt Bäuml.

Wildblumen als wichtige Ergänzung für die Biogas-Fruchtfolge

„Für uns haben sich die Wildblumen als sinnvolle Kompromisslösung zwischen Biogasertrag und Artenschutz erwiesen“, resümiert Agrokraft-Geschäftsführer Klöffel. Sie seien kein Ersatz für Mais, der als Massenträger weiterhin nötig sei. Außerdem wäre der Flächenbedarf zu hoch, wenn man die Energieversorgung allein über Blühpflanzen decken wollte. „Aber Wildpflanzen sind eine wichtige Ergänzung.“

Er hält diese Lösung auch für wesentlich effizienter als die Flächenstilllegung. „Jede Brache bleibt weit hinter den Wildpflanzen zurück: Stilllegungsflächen haben weniger Blütenangebote, weniger ökologischen Nutzen und zudem keinen Biogasertrag, sind also sowohl für den Arten- als auch für den Klimaschutz eine Nullnummer“, findet er deutliche Worte.

Künftig wäre auch vorstellbar, dass die Wildpflanzenflächen zum Ausgleich z.B. von Solarparks angerechnet werden. Klöffel: „Die Flächen bieten viel mehr als nur Ökopunkte oder einen Ausgleich. Das Argument diskutieren wir derzeit bei den Behörden.“

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