Wasserkraftanlagen spielen durch ihre Eigenschaften wie Grundlastfähigkeit, Netzstabilisierung und regionale Energieerzeugung eine wichtige Rolle in der klimaschonenden regenerativen Energieversorgung. Digitalisierung und innovative Geschäftsmodelle wie die Kombination mit Ladesäulen für Elektromobilität sorgen zudem für neue Chancen. Das zeigte die Jahrestagung Wasserkraft Bayern 2023 und die Mitgliederversammlung der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V. (VWB).
Zweitwichtigste Stromquelle im Süden
In der Eröffnungsrede ging Dr. Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, auf die Bedeutung der Wasserkraft für eine zuverlässige und planbare Stromversorgung der Zukunft in Bayern ein. „Wasserkraft ist nach der Photovoltaik aktuell die wichtigste Quelle für grünen Strom in Bayern“, betonte Herrmann. Sie trage mit 14 % zur gesamten Stromerzeugung und zu fast 30 % zur Stromerzeugung aus den erneuerbaren Energien in Bayern bei.
„Es ist uns ein zentrales Anliegen, dass auch der Bund die Belange der Wasserkraft gleichwertig gegenüber den anderen Formen der erneuerbaren Energien anerkennt“, betonte der Staatsminister und fuhr fort: „Bayern hat sich bei der letzten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sehr erfolgreich für die Belange der Wasserkraft, gerade auch der kleinen Wasserkraft, eingesetzt. Gemeinsam mit der Vereinigung Wasserkraftwerke Bayern konnten wir eine geplante Diskriminierung der Wasserkraft durch die Bundesregierung verhindern. Bayern wird sich weiter konsequent für die Zukunftsperspektiven der Wasserkraft und auch die Pumpspeicherkraftwerke einsetzen. Modernisierungen und Leistungssteigerungen bieten erhebliche Potentiale, die wir im Freistaat gerne heben wollen.“
Keine Benachteiligung
Auf den wachsenden Stellenwert der Wasserkraft in der aktuellen energiepolitischen Lage in Deutschland ging Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, ein. Er betonte: „Wasserkraft ist für unsere Stromversorgung unverzichtbar: Sie ist sauber, grundlastfähig, leistungsstark und hat eine lange Nutzungsdauer. Als FDP ist es uns ein besonderes Anliegen, dass diese Form der Energieerzeugung in Deutschland eine Zukunft hat.“
Bei der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes habe seine Partei darauf gedrungen, dass die Wasserkraft genau wie andere Erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse steht und somit bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren priorisiert werden müsse. „Auch die finanzielle Förderung stellen wir weiterhin sicher, denn Wasserkraft darf gegenüber anderen Energieformen keine Nachteile haben.“
Der Bundestagsabgeordnete plädierte außerdem dafür, weitere Potenziale zur Nutzung der Wasserkraft zu erschließen und durch den Bau neuer Anlagen voranzubringen. „Es ist wichtig, dass wir künftig stärker diversifizieren und auf unterschiedliche Technologien setzen. Schließlich sind wir in den letzten Jahren zu oft aus Technologien aus- statt eingestiegen“, so Dürr.
Ergänzung zu volatilen Erzeugungsanlagen
Fritz Schweiger, Vorsitzender der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V., ging in seinem Vortrag auf die unverzichtbaren Leistungen der Wasserkraft für ein sicheres und stabiles Energiesystem ein. „Die Bundesregierung in Berlin hat sich mit dem Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt“, stellte er fest. Der Freistaat Bayern möchte dieses Vorhaben bereits bis 2040 realisieren.
In Berlin werde in diesem Zusammenhang in erster Linie vom Ausbau der Photovoltaik und Windenergie gesprochen. Bayern setze zudem auf die heimische, klima- und ressourcenschonende Wasserkraft. „Die Wasserkraft weist im Gegensatz zu den volatilen Energieträgern eine sichere und zuverlässige Energieerzeugung auf und bietet eine gute, weil systemstabilisierende Ergänzung zur Photovoltaik- und Windkrafttechnologie mit dem größeren Ausbaupotential.“ Um den hohen Anforderungen der Dekarbonisierung unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Systemstabilität, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energiewende gerecht zu werden, ist ein gesunder Mix zwischen allen erneuerbaren Energien erforderlich“, betonte Fritz Schweiger.
Technisches Neubaupotenzial in Bayern
In dem darauf folgenden Vortrag von Stefan Thums, Ministerialrat des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, drehte es sich um das Neubaupotenzial an bestehenden Querbauwerken in Bayern. Er führte aus: „Wasserkraftanlagen liegen gemäß § 2 EEG im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Um diesen Belangen des Gemeinwohls gerecht zu werden und die angestrebten Klimaziele zu erreichen, wird neben der Modernisierung und Nachrüstung bestehender Wasserkraftanlagen auch ein Zubau angestrebt.“
Ausgehend von einem theoretischen Potenzial wurde zunächst das technische Potenzial ermittelt. Im Anschluss wurden bayernweit alle Standorte betrachtet, die eine rechnerische mittlere Kraftwerksleistung von mindestens 50 kW erwarten lassen. Für jeden Standort ist für die Umsetzung einer Wasserkraftnutzung eine wasserrechtliche Genehmigung zu beantragen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erfolgt eine ergebnisoffene Einzelfallprüfung.
Dabei werden technische, gewässerökologische und naturschutzfachliche Belange geprüft und mit den energiewirtschaftlichen Aspekten und Belangen des Klimaschutzes abgewogen.
Kombination mit Ladesäulen
Dr. Ronald Steinhoff, Geschäftsführer der Steinhoff Energieanlagen GmbH, zeigte die guten Voraussetzungen für öffentliche Ladeinfrastruktur an Wasserkraftanlagen auf. „Viele Standorte befinden sich in Städten und Kommunen mit Parkmöglichkeiten in attraktiver Lage. Dort wird nicht nur dringend Strom in den Netzen gebraucht, sondern kann zukünftig auch der stetige und klimaneutrale Wasserkraftstrom direkt für den Verkehr genutzt werden“, führte er aus. Steinhoff nannte wichtige Kriterien für die richtige Dimensionierung von Ladeparks und schilderte an drei Beispielen die gute Vereinbarkeit mit der Wasserkraft in Zahlen und Fakten.
Digitalisierung als Chance
Alexander Bogensperger, Leiter für Digitale Innovation und Datenanalyse an der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) e. V., ging in seinem Vortrag auf die Digitalisierung als Chance für die Wasserkraft ein. „Die Digitalisierung ermöglicht viele neue Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft, die den Weiterbetrieb, insbesondere von Wasserkraftanlagen, wirtschaftlich attraktiver gestalten können“, sagte er. Für lokale Stromprodukte, Power-Purchase-Agreements (PPA) oder beispielsweise den Einsatz in lokalen Energiegemeinschaften sei insbesondere die Wasserkraft eine stete und verlässliche Alternative zu Wind und Photovoltaik.
Im Projekt InDEED entwickelte die FfE gemeinsam mit der Universität Bayreuth und der Stiftung Umweltenergiereicht und mit 12 Partnern aus der Energiewirtschaft – darunter das E-Werk Schweiger – eine Lösung, um die Stromherkunft transparent nachzuweisen und so die regionale Erzeugung hervorzuheben. Diese Lösung ermöglicht durch den Einsatz von Ende-zu-Ende Digitalisierung und modernen Technologien wie Blockchain zeitlich hochaufgelöste, transparente und manipulationssichere Herkunftsnachweise.