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Geflügel- und Eierproduktion

Ohne Kükentöten: Was macht das Zweinutzungshuhn in der Panzerhalle?

Zweinutzungshühner fristen als Alternative bei der Eierproduktion ohne Kükentöten ein Nischen-Dasein. Doch die erst 2015 neu aufgebaute Zucht könnte schon jetzt viel mehr liefern.

Lesezeit: 6 Minuten

Lang ziehen sich Wiesen und Felder, bis im niederrheinischen Goch-Hommersum direkt an der niederländischen Grenze das Gelände der Ökologischen Tierzucht (ÖTZ) auftaucht. Hier findet die weltweit einzigartige Zucht von ökologischen Zweinutzungshühnern statt.

Die Küken, Hennen und Hähne leben in Goch auf einem ehemaligen Militärgelände, das einmal ein Bundeswehr Stützpunkt war. Früher hätten Panzer in den Hallen gestanden, jetzt seien es Zweinutzungshühner, sagt ÖTZ-Geschäftsführerin Inga Günther. Die ÖTZ-Betreiber haben die Hallen mit gelben Streifen an den Wänden versehen. Das wirke sich auch positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter in den sonst eher kargen Hallen aus. Im Zuchtstall mit den Fallnestern verschönern bunte Hühnerpiktogramme die sonst eher eintönig aneinander gereihten Nestklappen.

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Bunte Herde gekreuzt aus legebetonten und Fleischrasssen

Das Zweinutzungshuhn ist die Alternative zur unrentablen Bruderhahnaufzucht. Die Ökoverbände Bioland und Demeter haben im Jahr 2015 die Ökologische Tierzucht (ÖTZ) gegründet, um eine leistungsfähige Zucht von Zweinutzungshühnern aufzubauen, bei denen Eier- und Fleischnutzung möglich und ausgewogen sind. Die ersten Tiere stammten aus einer Zucht aus Halle, die noch auf die DDR-Zeit zurück ging, erzählt Günther.

Die ÖTZ arbeitet insbesondere mit drei Rassen. So wird die legebetonte Rasse New Hampshire mit der fleischbetonten Rasse Bresse Gauloise gekreuzt. Heraus kommen die sogenannten „Coffee“ Zweinutzungshühner, die eine bunte Herde mit braunen, weißen und teilweise schwarz-gemusterten Tieren hervorbringt. Für eine weitere Zweinutzungsrasse „Cream“ kreuzen die Züchter im ÖTZ die legebetonte Rasse White Rock mit der fleischbetonten Rasse Bresse Gauloise. Diese Zweinutzungstiere haben eher weißes Gefieder und bunte Füße, die zwischen cremefarben, beige und blaugrau variieren.

„Die Hühner führen bei uns in der Zucht ein normales Hühnerleben“, sagt Günther. Die Befruchtung laufe über den Natursprung der Hähne, damit falle die in der Zucht sonst gebräuchliche Käfighaltung für die künstliche Besamung weg. Das sei auch in der Biohaltung außergewöhnlich, zumal alle Hühner im ökologischen Landbau sonst auch aus konventioneller Zucht stammten, die im Ausland unter Nutzung von Käfighaltung stattfinden würde. „Der Natursprung ist unsere Innovation“ so Günther.

Weniger Eier, mehr Fleisch und ein längeres Leben

Von den Leistungen garantiert die ÖTZ bei den Zweinutzungshühnern eine Legeleistung von rund 230 bis 240 Eiern/Jahr. Das sind im Vergleich zu Hochleistungstieren aus konventioneller Zucht rund 100 Eier weniger pro Jahr.

Beim Fleisch kalkulieren die Züchter mit Werten von 2,7 kg Lebendgewicht nach 17 Wochen. In der konventionellen Mast von Hochleistungstieren ist eine solche Fleischleistung bereits nach 7 Wochen erreichbar. „Wir wollen aber Tiere züchten, die mit regionalen Produkten zurechtkommen“, sagt Günther.

Landwirt Bodden vertraut trotz Biokrise auf das Zweinutzungshuhn

Verpächter des Betriebsgeländes und gleichzeitig Abnehmer von Jungtieren der Zweinutzungshühner der ÖTZ ist der Bioland Geflügelhof Bodden. Landwirt Jens Bodden zieht mit seinem Team pro Jahr 160.000 Junghennen auf, ein Viertel davon sind Zweinutzungshühner der ÖTZ. Außerdem halten die Boddens 3.500 Legehennen, davon sind rund 2.500 Zweinutzungshühner.

„Wir wollten wieder mit mehr Freude in den Hühnerstall gehen“, sagt Jens Bodden zu seinem Antrieb vor rund 10 Jahren die Zucht von Zweinutzungshühnern mit voranzutreiben. Die von den Bioverbänden mit dem Verbot des Kükentöten aufgesetzte Pflicht zur Aufzucht von Bruderhähnen ist für die Boddens nur zweite Wahl. Schließlich müsse dort immer die Henne mit dem Ei mehr Geld einbringen, um den Bruderhahn quer zu finanzieren. „Langfristig wollen wir ganz auf Zweinutzungshühner gehen“, sagt Bodden.

"50 Cent sollte der Landwirt für sein Ei bekommen können, wenn er Zweinutzungsrassen einsetzt."

50 Cent sollte der Landwirt für sein Ei bekommen können, wenn er Zweinutzungsrassen einsetzt, sagt die Züchterin Günther. Landwirt Bodden ruft 53 Cent/ Ei im 6er Pack auf. Doch das ist seitdem vergangenes Jahr die Absatzkrise im Ökolandbau begann, schwierig geworden.

Bodden veranlasst das jedoch nicht zum Umdenken. „Ich weiß doch, dass mein Bio-Kunde 100 % Bio kaufen will“, sagt er. Beim Zweinutzungshuhn sei das von der Züchtung bis zum Futter gegeben. Gerade in der Krise lohne es sich für ihn auf die Zweinutzungshühner zu setzen, findet Bodden. Dann könne er mit den Hähnen wenigstens auch etwas verdienen. Zudem habe bei den Zweinutzungsrassen auch die Henne deutlich mehr Fleisch.

ÖTZ könnte doppelt so viele Bruteier und Hennen verkaufen

Zufrieden mit dem Absatz an Bruteiern und Jungtieren ist die ÖTZ allerdings noch nicht. „Wir könnten doppelt so viele Bruteier und Hennen verkaufen“, sagt Günther. Aktuell gingen die nicht als Bruteier verwendeten Eier als Schaleneier in den Markt. Insgesamt hat die ÖTZ laut Günther eine Kapazität von 270.000 Küken und vermarktet aktuell nur 110.000. Davon sind 55.000 weiblich und 55.000 männlich.

Bei der Finanzierung sieht sich das die ÖTZ gut aufgestellt. Allerdings wird nur ein Viertel der Kosten aus dem Verkauf der Eier und Jungtiere gedeckt. Die Hälfte kommt aus Drittmitteln von privaten Stiftungen wie der Software AG-Stiftung, der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, der Mahle-Stiftung sowie aus Förderprogrammen des Bundes. Ein weiteres Viertel an der Finanzierung trägt die Biobranche selbst mit einer 1-Cent-Partnerschaft. So geht für jedes im Naturkosthandel verkaufte Ei 1 Cent an die ÖTZ. Damit habe man seit 2017 ganze 1,6 Mio. € einnehmen können, erläutert Günther.

BMEL-Staatssekretärin Nick verspricht weitere Unterstützung

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Ophelia Nick, sicherte der ÖTZ bei einem Besuch in dieser Woche weitere Unterstützung seitens des BMEL zu. „Für mich ist die Zweinutzung ein Zukunftsmodell: Fleisch und Ei werden zusammengedacht, so gibt es keine überflüssigen Tiere. Außerdem sind die Hühner perfekt an die Ansprüche des Ökologischen Landbaus angepasst und sie kommen mit regionaler und ressourcenschonender Fütterung gut zurecht“, sagt sie.

ÖTZ-Geschäftsführerin Günther wünscht sich mehr Verbraucher Information, damit die Leistungen der Zweinutzungshühner sichtbar werden. Hier sieht sie auch das fördernde Bundeslandwirtschaftsministerium in der Pflicht. „Für eine wirkungsvolle Weiterentwicklung der Züchtung aber vor allem auch der Vermarktung von Zweinutzungshuhn-Produkten brauchen wir mehr informierte Verbraucher“, sagt Günther.

Seit in Deutschland das Kükentöten ab dem 1. Januar 2022 verboten ist, hat sich insbesondere die Geschlechtsbestimmung im Ei etabliert. Dabei arbeiten die marktreifen Verfahren in einem Zeitraum vom 9. bis 14. Bebrütungstag, bis das Geschlecht zu erkennen ist und die Eier mit männlichen Küken aussortiert werden. Erst kürzlich hatte der Bundestag die eigentlich ab 2024 geltende Frist bis zum 7. Tag wieder auf den 12. Tag nach hinten verschoben. Voraus gegangen waren neue wissenschaftliche Kenntnisse, wonach ein schmerzfreier Abbruch der Bebrütung von männlichen Embryonen bis zum 13. Bruttag möglich ist. Die Bioverbände lehnen die Geschlechtsbestimmung im Ei ab und praktizieren alternativ die Bruderhahnaufzucht. Einen Schritt weiter geht die Züchtung und Nutzung von Zweinutzungshühnern.

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