Anne* und Martin* gehören zusammen. Doch der Hof und die fünf Kinder, die beide mit in die Beziehung bringen, verlangen ihnen mehr ab, als sie anfangs erwartet haben.
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Meine, deine, unsere Kinder: In Patchworkfamilien geht es vermeintlich laut und fröhlich zu. Doch es gibt mehr Konfliktpotenzial, als es auf den ersten Blick scheint. Hier geht es zu unserem Einführungsbeitrag.
Haus und Hof sind weihnachtlich geschmückt, das große Bauernhaus ist urgemütlich eingerichtet und strahlt Wärme aus. Anne, 50 Jahre, hat schon die Tiere versorgt, bevor wir uns treffen. Ihr Ehemann, Martin, ein freundlicher, großer Mann, setzt sich dazu, obwohl er Bedenken hat.
Anne und Martin kennen sich seit der Schulzeit und begegneten sich vor zwölf Jahren wieder, beide lebten in schwierigen Ehen, beide waren bereits mehrfache Eltern. Anne hat zwei Töchter und einen Sohn, Martin zwei Söhne. „Es hat sofort gefunkt zwischen uns“, erinnert sich Anne. Während der Übergangsphase gab es Treffen auf halber Strecke, Spaziergänge in der Feldmark, viele Telefonate und Nachrichten. Anne und ihr heutiger Ex-Mann waren damals schon getrennt, lebten aber noch in der gleichen Wohnung.
Ganz oder gar nicht
Anne war ziemlich schnell klar: Sollte aus der Verliebtheit zwischen Martin und ihr etwas Dauerhaftes werden, dann musste sie ihr altes Leben hinter sich lassen und auf den Hof ziehen. „Einen Bauern verpflanzt man nicht, und Martin schon gar nicht“, sagt sie und blickt ihn liebevoll an. Ihre kleineren Töchter, damals vier und sechs Jahre, nahm sie mit ins Abenteuer Bauernhof, ließ Wohnort, Stadt und Job hinter sich. „Ich habe mein Leben einmal auf links gedreht, ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse“, erinnert sich Anne. Wie aufwühlend und unsicher diese Zeit war, spürt man im Gespräch noch zwölf Jahre später. Durch Martins gutmütige, lässige Art und die Faszination, die das Bauernhofleben auf die kleinen Mädchen ausübte, war das Eis zwischen ihnen schnell gebrochen. „In den ersten Jahren hat die Jüngste oft „Papa“ statt „Martin“ gesagt“, erzählt Anne.
Ihn beim Vater zu lassen, was das Schwerste."
Anne, 50 Jahre
Anders der 13-jährige Sohn. Er wollte vom Bauernhof nichts wissen, seine Freunde nicht zurücklassen. Anne überließ ihm die Entscheidung, wo er wohnen möchte. Er blieb beim Vater. „Ihn zurückzulassen, war das Schwerste, was ich als Mutter tun musste. Aber ich wollte ihn nicht entmündigen“, erklärt sie. Nach und nach lernte der Jugendliche den Bauernhof kennen. Er entdeckte das Reiten für sich und entschied sich nach eineinhalb Jahren, auch dorthin zu ziehen.
Ankommen mit Hindernissen
Heute haben sich die Wogen weitgehend geglättet. Vor allem ihre Hochzeit vor sechs Jahren gibt Anne das Gefühl, auf dem Hof angekommen zu sein. Als mütterliche Freundin hat sie die Zuneigung von Martins Ältestem gewonnen. Die Kinder, die zum Teil schon ausgezogen sind, sehen die anderen wie Geschwister an. Auch Martins Eltern erkannten früh, dass ihr Sohn sein Glück gefunden hat und nahmen Anne herzlich in die Familie auf.
Doch schwierig blieb das Verhältnis zu Martins jüngstem Sohn. „Oft zerbreche ich mir den Kopf, was ich noch tun kann, um ihn von mir zu überzeugen “, sagt sie und wirkt bedrückt.
Diese bunte Familie ist Geschenk und Herausforderung zugleich."
Anne, 50 Jahre
Dabei hat Anne, die selbst einen pädagogischen Hintergrund hat, objektiv gesehen ziemlich viel richtig gemacht. Viele Bücher gelesen, die Einrichtung nur behutsam verändert, nie den Anspruch erhoben, eine zweite Mutter zu sein, nur eine gute Freundin, die sich kümmert. Dennoch konnte sie zu diesem Kind nie durchdringen. „Er hängt sehr an seiner Mutter. Auch das Alter bei der Trennung war ungünstig“, startet sie einen Erklärungsversuch. Tatsache ist, dass sie seine Ablehung auch mit Martins Ex-Frau in Zusammenhang bringt, die den Sohn stark beeinflusst.
„In Momenten, wo wir alle zusammen sind, da bin ich unheimlich dankbar für diese lebendige Familie und denke: Was für ein Geschenk“, sagt Anne. „Mindestens ebenso groß ist die Herausforderung, die sie mit sich bringt“, fügt sie hinzu.