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Bentkämper fordert Frauenquote für Gremien des Bauernverbandes

LandFrauen-Präsidentin Petra Bentkämper bekräftigt die Forderung nach einer Frauenquote in Bauernverbandsgremien. Der neue Unternehmerinnenausschuss müsse voll eingebunden werden.

Lesezeit: 17 Minuten

Keinen Anlass zur Euphorie sieht die Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv), Petra Bentkämper, bei der aus ihrer Sicht dringend notwendigen Einbindung von Frauen in die landwirtschaftliche Interessenvertretung. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, sagt Bentkämper im Interview mit AGRA-EUROPE. Sie warnt davor, „jetzt die Hände in den Schoß zu legen und zu meinen, der Bauernverband ist in puncto Frauenbeteiligung schon da, wo er sein sollte.“ Nach der Entscheidung, eine Vizepräsidentin im Deutschen Bauernverband (DBV) zu berufen, komme es nun darauf an, den neuen Unternehmerinnenausschuss einzubinden. Dessen Mitglieder seien hochqualifizierte Unternehmerinnen. Das bedeute, „dass die gesamte Bandbreite der agrarpolitischen Themen auf den Tisch des Unternehmerinnenausschusses gehört.“ Die dlv-Präsidentin hält an ihrer Forderung fest, in Bauernverbandsgremien 30 % mit Frauen zu besetzen. Gleichzeitig bekräftigt sie den Anspruch des LandFrauenverbandes, „weiter stimmgewaltig für die Belange der Landwirtinnen unter unseren Mitgliedern einzutreten.“ Bentkämper betont zugleich ihre Kooperationsbereitschaft: „Vielleicht ergeben sich in Zukunft Vernetzungsmöglichkeiten mit dem Unternehmerinnenausschuss des DBV.“

Unvermindert aktuell ist nach Auffassung von Bentkämper der Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Die dort beschriebenen Krisen hätten weiter Bestand, auch wenn mit dem Ukraine-Krieg inzwischen Fragen der Nahrungsmittelversorgung und Ernährungssicherung stärker in den Mittelpunkt rückten. Enttäuscht ist die LandFrauen-Präsidentin, dass sich der Bericht bislang nicht in konkreter Politik niederschlage: „Hier muss unbedingt mehr Dampf gegeben werden.“ Eine wichtige Aufgabe für Landfrauen in der gegenwärtigen Krise sieht Bentkämper darin, Verbraucher über die Bedeutung der heimischen Landwirtschaft aufzuklären: Sie müssten erkennen, „was für Konsequenzen es hat, wenn die Erzeugung hier den Bach runtergeht.“ Mehr denn je müsse eine möglichst hohe heimische Lebensmittelversorgung das Ziel sein. „Lebensmittel brauchen einen angemessenen Preis, wenn sie Standards erfüllen sollen, die alle zu Recht haben“, so die dlv-Präsidentin.

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Interview-Navigator:

Frau Bentkämper, „Das Wir im Blick” lautete das Motto des diesjährigen LandFrauentages. Muss man sich Sorgen machen um den Zusammenhalt im dlv?

Bentkämper: Für uns war klar, dass wir sowohl unsere Mitglieder als auch unsere Ehrenamtlichen nach Corona wieder aktivieren und motivieren wollen. Vom LandFrauentag sollte das Signal ausgehen, dass wir die Mitglieder sehen und hören und dass wir sie schätzen. Dazu passt auch die Auszeichnung der Landfrauen des Jahres. Ich denke, die Botschaft ist angekommen.

Also war der LandFrauentag in erster Linie nach innen, in die eigenen Reihen gerichtet?

Bentkämper: Ja, aber nicht nur. Angesprochen war auch unsere Gesellschaft, die wir in diesen Krisenzeiten besonders im Blick haben. Landfrauen sind engagiert, sei es die Flutkatastrophe im vergangenen Jahr oder gegenwärtig die Fürsorge für Geflüchtete aus der Ukraine. Im Blick haben wir auch unser Schwerpunktthema Demokratie stärken – Demokratie fördern. Ein Thema, das uns seit langem umtreibt, ist die Gleichstellung von Frauen, nicht zuletzt in der Landwirtschaft. Alle drei Unternehmerinnen des Jahres, die wir in Fulda ausgezeichnet haben, kommen aus der Landwirtschaft. Auch das ist eine Botschaft, die vom LandFrauentag ausgegangen ist. Die Zustimmung der 3000 Landfrauen in der Halle zeigt, dass wir richtig lagen.

3000 Teilnehmerinnen am Landfrauentag, und die Bundesfrauenministerin schickt eine Videobotschaft. Waren Sie enttäuscht?

Bentkämper: Nein. Frau Paus hatte zugesagt, konnte aber wegen einer Sitzung ihrer Fraktion nicht kommen. Eine Liveschaltung ließ sich zeitlich nicht machen. Schade. Aber ihre Aussagen per Video waren sehr wertschätzend. Das haben wir gern gehört.

Wer Forderungen durchsetzen will, braucht politische Mehrheiten. Wie steht es um das Engagement von Frauen auf dem Land, speziell in der Kommunalpolitik?

Bentkämper: Leider haben wir an der Stelle immer noch viel zu wenige Frauen. Mit unserem neuen Projekt „Aktionsprogramm Kommune – mehr Frauen in die Politik“ werden wir in zehn ausgewählten Regionen Frauen gezielt dabei unterstützen, sich kommunalpolitisch einzubringen und Anliegen von Frauen offensiv zu vertreten. Es geht auch darum zu erkennen, dass Frauen besonders Frauen unterstützen müssen, wenn sie gemeinsam etwas erreichen wollen. Daran gilt es noch zu arbeiten.

Diskutieren Sie darüber, bei Kommunalwahlen mit Frauenlisten anzutreten?

Bentkämper: Auch das ist ein Punkt, mit dem wir uns ernsthaft befassen.

Von der kommunalen zur Bundesebene: Wird der Deutsche LandFrauenverband als politischer Faktor in Berlin wahrgenommen?

Bentkämper: Ja, und das sage ich mit einem gewissen Stolz.

Woran machen Sie das fest?

Bentkämper: Das reicht von der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), an der wir beteiligt waren, über die Bundesstiftung für Engagement und Ehrenamt, bei der wir einen Sitz im Stiftungsrat haben, bis zum Beirat der Bundesstiftung für Gleichstellung, in dem der dlv gesetzt ist. Erst in der vorletzten Woche habe ich meine Berufung in den Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung des Bundeslandwirtschaftsministeriums erhalten.

Ich werte die Wiedereinsetzung des Sachverständigenrats als Zeichen, dass auch der neuen Bundesregierung der Stellenwert der ländlichen Räume bewusst ist." – Bentkämper

Die ländliche Entwicklung ist traditionell ein Schwerpunktthema des LandFrauenverbandes. Finden Sie das Thema in der neuen Bundesregierung angemessen berücksichtigt?

Bentkämper: Ich werte die Wiedereinsetzung des Sachverständigenrats als Zeichen, dass auch der neuen Bundesregierung der Stellenwert der ländlichen Räume bewusst ist. Ich erwarte aber, dass man sehr genau hinschaut und nicht pauschalisiert, wie es Politik gern tut. Wer immer von abgehängten Regionen spricht, wird der Realität ebenso wenig gerecht wie jemand, der sagt, es ist alles in Ordnung.

Wer ist für Sie innerhalb der Bundesregierung der Ansprechpartner in der ländlichen Entwicklung?

Bentkämper: In der Hauptsache das Bundeslandwirtschaftsministerium. Wir reden aber auch mit dem Gesundheitsministerium, wenn es um die Gesundheitsvorsorge im ländlichen Raum geht, oder mit dem Wirtschaftsministerium in Fragen, die die Energiepolitik betreffen. Unser Ende letzten Jahres abgeschlossenes Projekt „LandFrauenGuides – Verbraucherinfos auf‘s Land gebracht“ wurde gefördert vom früheren Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz.

Wünschen Sie sich ein Ministerium für den ländlichen Raum?

Bentkämper: Das würde manches erleichtern, ist aber offensichtlich nicht hinzubekommen. Sonst hätten wir es ja schon längst.

Für das Bundeslandwirtschaftsministerium stehen Themen wie der Umbau der Tierhaltung oder der Ausbau des Ökolandbaus im Vordergrund. Kommt die ländliche Entwicklung zu kurz?

Bentkämper: Da kann noch eine Schippe drauf, keine Frage. Unter Bezug auf die 2019 von der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ erarbeiteten Vorschläge beschloss das Bundeskabinett zwölf prioritäre Maßnahmen; hier haben wir als dlv schon zu einigen Punkten Forderungen entwickelt, weitere stehen auf unserer Agenda.

Der Haushaltsentwurf 2023 sieht erhebliche Mittelkürzungen in der Gemeinschaftsaufgabe vor, beim Sonderrahmenplan Ländliche Entwicklung um 30 Mio. Euro. Wie finden Sie das?

Bentkämper: Das Signal ist zunächst einmal bedenklich. Wir müssen uns aber anschauen, ob und gegebenenfalls welche Programme betroffen sind. Ich warne davor zu glauben, ländliche Entwicklung geht nur mit viel Geld. Beispielsweise haben wir in einem Projekt mit dem Titel „Selbst ist die Frau“ untersucht, welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, dass Frauen in ländlichen Gebieten ein Unternehmen gründen. Da gibt es viele kleine Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, ohne dass dies viel Geld kostet. Bei anderen Themen wie der Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum oder der Breitbandversorgung sind wiederum Fortschritte ohne finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand nicht zu erreichen.

Die Themen der Zukunftskommission haben weiter Bestand

Sie waren Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft, die vor nunmehr gut einem Jahr ihren 170-seitigen Abschlussbericht vorgelegt hat. Es gibt Forderungen, dass die Kommission weiterarbeiten soll. Wären Sie dabei?

Bentkämper: Ich bin skeptisch. Wir haben zehn Monate hart gearbeitet und uns zusammengerauft. Der Bericht ist das Ergebnis. Inzwischen ist die Hälfte der Mitglieder in anderen Funktionen. Einfach weitermachen ginge also gar nicht. Es können doch nicht fortwährend Kommissionen ins Leben gerufen werden, ob es die Borchert-Kommission ist oder die Zukunftskommission Landwirtschaft, und dann liegen die Papiere in der Schublade. Es wird Zeit, dass an deren Umsetzung gearbeitet wird.

Die Berichte haben bislang nicht die politische Wirkung entfaltet, die sich viele erhofft hatten. Passen sie noch in die Zeit?

Bentkämper: Ja! Die Krisen, die im Abschlussbericht der Zukunftskommission beschrieben werden, haben weiter Bestand. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine rücken allerdings die Themen Nahrungsmittelversorgung und Ernährungssicherung stärker in den Mittelpunkt. Es ist jetzt allerhöchste Zeit, dass die Bundesregierung ans Arbeiten kommt.

Minister Özdemir hat wiederholt betont, dass der Bericht der Zukunftskommission Richtschnur für seine Politik ist. Was folgt daraus?

Bentkämper: Bisher sehr wenig. Ich habe die Aussagen des Ministers gleich zu Beginn seiner Amtszeit sehr gelobt. Er hätte ja auch sagen können, das kommt von der Vorgängerregierung und interessiert ihn deshalb nicht. Er war gerade mal zehn Tage im Amt, als er sich mit den ZKL-Mitgliedern ausgetauscht hat. Seither ist es allerdings ruhig geworden. Hier muss unbedingt mehr Dampf gegeben werden.

Mehr Dampf würde bedeuten, es müsste Geld in die Hand genommen werden, um Maßnahmen anzugehen, etwa den Umbau der Tierhaltung. Ganz schwierig in diesen Zeiten…

Bentkämper: Die Zeiten sind ohne Frage äußerst schwierig. Allerdings geht es um die Zukunft unserer heimischen Landwirtschaft, die Existenz unserer Betriebe; wenn wir das erhalten wollen, wird es ohne finanzielle Mittel nicht funktionieren. Dass Verbraucher inzwischen auch gezwungen sind, bei Lebensmitteln zu sparen, kann ich nachvollziehen. Leider werden damit viele zukunftsträchtige Ansätze unterlaufen.

In diesen Zeiten muss eine möglichst hohe einheimische Lebensmittelversorgung mehr denn je unser Ziel sein." – Bentkämper

Was wollen Sie dagegen tun?

Bentkämper: Ich wünsche mir einen stärkeren Schulterschluss von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Landwirtinnen und Landwirten. Wir müssen aufklären, was es für die hiesigen Erzeuger bedeutet, wenn ihre Produkte in den Regalen liegen bleiben, weil man zu billigeren Angeboten greift, die andernorts unter wesentlich schlechteren Bedingungen hergestellt wurden. Die Textilindustrie ist abgewandert, andere Branchen ebenfalls. Wir müssen alle zusammen dafür kämpfen, dass wir in Deutschland unsere Landwirtschaft behalten, die die hohen Qualitätsansprüche erfüllt, die unsere Verbraucherinnen und Verbraucher haben. Sie müssen erkennen, was es für Konsequenzen hat, wenn die Erzeugung hier den Bach runtergeht. Darin sehe ich eine Aufgabe, der sich die Landfrauen in nächster Zukunft verstärkt widmen werden.

Viele Haushalte müssen sich angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten nach der Decke strecken, auch ohne dass der Anstieg der Energiepreise schon voll durchschlägt. Reicht es, gut zureden?

Bentkämper: Es geht nicht um gut zureden. Es geht darum, den Menschen klar zu machen, welchen Wert eine heimische Erzeugung hat und dass es sich für alle auszahlt, wenn wir sie im Land halten. In diesen Zeiten muss eine möglichst hohe einheimische Lebensmittelversorgung mehr denn je unser Ziel sein. Lebensmittel brauchen einen angemessenen Preis, wenn sie die Standards erfüllen sollen, die alle zu Recht erwarten. Das bedeutet auch, dass wir sorgsamer mit Lebensmitteln umgehen. Auch hier gilt, weniger ist manchmal mehr.

Weniger ist mehr – Sie haben das mit Blick auf den Fleischkonsum gefordert und damit in den eigenen Reihen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Waren Sie überrascht?

Bentkämper: Schon. Immerhin gab es nach der Veröffentlichung vereinzelte Rufe nach meiner Absetzung.

War die Empfehlung falsch, unter Gesundheits- und Umweltgesichtspunkten weniger Fleisch zu essen?

Bentkämper: Nein. Wir haben das aufgegriffen, was auch die Zukunftskommission empfiehlt und von der Wissenschaft zweifelsfrei gedeckt ist. Wir haben uns als dlv damit aus dem Fenster gelehnt. Diesen Mut würde ich mir im Übrigen auch von anderen wünschen, wenn es darum geht, Erkenntnisse der Zukunftskommission in die Breite zu tragen und das als richtig Erkannte umzusetzen.

Wir brauchen bundesweite Vergaberichtlinien, damit auch mehr saisonale, mehr regionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung Einzug halten. Das ist ein großer Hebel, mit dem wir unsere Betriebe unterstützen können." – Bentkämper

Offensichtlich ist das bei den Mitgliedern nicht angekommen…

Bentkämper: Das würde ich so nicht sagen. Diejenigen, die dem Papier zustimmten – und das war sicherlich die Mehrheit – waren nur nicht so laut. Was wir gelernt haben war aber, dass dieses brisante Thema vermittelt werden muss und begleitende Erläuterungen braucht. Da ist eben nicht Fleischverzicht gefordert, sondern beispielsweise eine stärkere Fokussierung auf das Thema Gemeinschaftsverpflegung. Wir brauchen bundesweite Vergaberichtlinien, damit auch mehr saisonale, mehr regionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung Einzug halten. Das ist ein großer Hebel, mit dem wir unsere Betriebe unterstützen können. Dabei sind selbstverständlich die Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unter Gesundheitsaspekten mit einzubeziehen. Bei der Diskussion um einen moderaten Fleischkonsum brauchen wir einen kritischen Blick auf Fleischersatzprodukte. Auch das stand im Positionspapier, wurde aber gar nicht zur Kenntnis genommen. Wir haben es im Nachhinein geschafft, die Wogen zu glätten, weil wir unser Anliegen in Gesprächen, Briefen oder auch einem Podcast erläutert haben. Die Diskussion, die wir angestoßen haben, war aber richtig und wichtig.

Schweinehalter werden das nach wie vor anders sehen…

Bentkämper: Das mag sein. Der Vorwurf lautete, wie können wir nur empfehlen, den Fleischkonsum zu reduzieren, wo es den Landwirten gerade so schlecht geht. Aber sollten wir denn sagen, dass es unseren Schweinebauern so schlecht geht und wir jetzt unterstützend alle mehr Fleisch essen sollten, damit sich das ändert? Das kann doch nicht der Weg sein, den Betrieben zu helfen. Diese dürfen vor gesellschaftlichen Trends nicht die Augen verschließen. Die Nutztierhaltung wird sich verändern müssen, das ist auch den meisten Landwirtinnen und Landwirten bewusst. Es ist jetzt ein schnelles politisches Handeln notwendig, um die aktuellen Strukturbrüche aufzuhalten. Der dlv fordert außerdem niederschwellige Beratungsangebote, um die betroffenen Betriebe, die umstellen oder aussteigen müssen, zu unterstützen, damit die Substanz der Höfe erhalten bleibt.

Zeigt dieses Beispiel, dass der in der Zukunftskommission erreichte breite Konsens zwischen Agrar- und Umweltseite auf wackligen Füßen steht und im Grunde nicht an der Basis angekommen ist?

Bentkämper: Alle Mitglieder der Zukunftskommission sind Botschafterinnen und Botschafter. Es war und ist unsere Aufgabe, die Ergebnisse in den eigenen Reihen, im eigenen Verband zu erläutern. Ich denke, das haben alle so gehalten, die Vertretungen von Agrarverbänden ebenso wie die der Umweltverbände. Wie gut das gelungen ist, lässt sich schwer sagen.

Bröckelt der Konsens?

Bentkämper: Ich hoffe nicht. Es besteht immer eine Gefahr, dass man sich in Einzelfragen streitet, denken Sie an die Diskussion um eine Nutzung der Vorrangflächen. Das darf aber nicht dazu führen, dass dabei die Allianzen zu Bruch gehen, die wir mit der gemeinsamen Arbeit in der ZKL geschmiedet haben. Das sehe im Moment nicht. Der Austausch wird auf verschiedenen Ebenen fortgeführt, auch wenn es im Detail unterschiedliche Auffassungen gibt.

In der Interessenvertretung nicht auf Frauen verzichten

Sie fordern seit langem, der Bauernverband müsse sich stärker für Frauen öffnen. Für das Motto „jünger und weiblicher“ könnten Sie Urheberrechte geltend machen, Der Bauerntag hat inzwischen den Weg frei gemacht für eine DBV-Vizepräsidentin. Wähnen Sie sich mit ihr am Ziel?

Bentkämper: Sie haben Recht, das Thema treibt mich um, seitdem ich das Präsidentinnenamt übernommen habe. Ich kann versichern, das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben.

Reicht Ihnen die beschlossene Satzungsänderung nicht?

Bentkämper: Es ist ein erster guter Schritt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es war für den Bauernverband sicher nicht einfach, einen Weg zu finden, eine Frau in die Präsidiumsarbeit einzubinden. Aber jetzt stellen sich weitere Fragen.

Welche?

Bentkämper: Zum Beispiel, ob der neue Unternehmerinnenausschuss hinreichend in die Arbeit des Deutschen Bauernverbandes eingebunden wird. Auf keinen Fall darf dieser Ausschuss nur auf frauenspezifische Themen reduziert werden. Die Mitglieder sind hochqualifizierte Unternehmerinnen. Das bedeutet, dass die gesamte Bandbreite der agrarpolitischen Themen auf den Tisch des Unternehmerinnenausschusses gehört. Die Frauenperspektive sollte natürlich mit einfließen. Ich warne davor, jetzt die Hände in den Schoß zu legen und zu meinen, der Bauernverband ist in puncto Frauenbeteiligung schon da, wo er sein sollte. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Demzufolge hat sich Ihre Forderung nach einer 30-Prozent-Quote in Bauernverbandsgremien damit nicht erledigt?

Bentkämper: Nein. Da lasse ich nicht locker. Gleichstellung kann nur dann vorangetrieben werden, wenn Frauen überall in Entscheidungen paritätisch einbezogen werden und das kann ein gesonderter Ausschuss für Frauen allein gar nicht leisten. Agrarverbände, -organisationen und -institutionen in Österreich haben sich 2017 in einer Charta darauf verständigt, das 30-Prozent-Ziel zu verfolgen. Das könnte ich mir auch für Deutschland vorstellen. Dann geht es auch voran.

Der Erfolgsfaktor Frau in den landwirtschaftlichen Betrieben, von dem die Leiterin des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft, Prof. Hiltrud Nieberg, spricht, worin besteht der aus Ihrer Sicht?

Bentkämper: Man kann das auf drei Begriffe bringen: Vielfalt, Visionen und Veränderung. Das ist genau das, was Frauen ausmacht. Die Ansätze, um Betriebe weiterzuentwickeln, kommen seit langem vielfach von Frauen, beispielsweise im Bereich der Diversifizierung. Frauen sind nun einmal innovativ, schöpfen Möglichkeiten aus, die ein Hof ihnen bietet. Die Grundlage dafür bietet häufig die Verbindung zwischen Erzeugerinnen und Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dafür haben Frauen ein gutes Händchen und bauen darauf Geschäftsmodelle auf.

Ist das auch der Erfolgsfaktor Frau im Bauernverband, den Sie sich wünschen?

Bentkämper: Das ist ein wichtiger Teil, ich sehe aber auch die jungen Frauen, die heute Höfe übernehmen. Sie sind hervorragend ausgebildet und haben die Herausforderungen im Blick, vor denen die Betriebe stehen und an denen sie sich ausrichten müssen. Das reicht vom Klimawandel, der ein anderes Wirtschaften erfordert, bis zum breiten Wunsch, Tiere artgerecht zu halten. Deshalb ist es wichtig, dass diese Frauen auch in der Interessenvertretung ganz vorn mitspielen, wir dürfen nicht auf sie verzichten!

Wenn immer mehr Frauen den Weg in den Bauernverband finden sollten und dort die Agrarpolitik mitbestimmen, hat der LandFrauenverband künftig ein Feld weniger zu bestellen. Warum Doppelarbeit, wenn es einfacher geht?

Bentkämper: Der dlv ist ein gänzlich unabhängiger Verband, der seine eigenen Positionen erarbeitet und vertritt. Deshalb ist es wichtig, dass wir weiter stimmgewaltig für die Belange der Landwirtinnen unter unseren Mitgliedern eintreten. Vielleicht ergeben sich ja in Zukunft Vernetzungsmöglichkeiten mit dem Unternehmerinnenausschuss des DBV.

Wie groß ist hierzulande der Schritt von einer Vizepräsidentin des Bauernverbandes zur Präsidentin, wie es sie in anderen Ländern wie etwa Frankreich, schon gibt?

Bentkämper: In Deutschland gibt es an manchen Stellen noch starke traditionelle Rollenbilder. Da muss man einen langen Atem haben. Aber klar ist, die Gesellschaft verändert sich und auch unsere landwirtschaftlichen Unternehmen verändern sich, etwa im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Schwerpunkt Frauenförderung

Sie sind seit drei Jahren LandFrauen-Präsidentin. Was hat Sie in diesen drei Jahren am meisten überrascht?

Bentkämper: Dass ich von morgens bis abends gar nichts anderes mehr tun kann, als mich mit LandFrauen-Themen zu beschäftigen. Das hat auch etwas mit der Pandemie zu tun, wenn an manchen Tagen vier bis fünf Videokonferenzen anstehen. Überrascht bin ich aber auch immer wieder von den Themen und Vernetzungsmöglichkeiten, die an uns herangetragen werden.

Was hat Sie am meisten gefordert?

Bentkämper: Die Arbeit in der Zukunftskommission Landwirtschaft.

In welchem Bereich haben Sie bisher am meisten erreicht?

Bentkämper: Eindeutig in der Frauenförderung. Ich bin froh, dass wir da im Verband mehr Schwerpunkte setzen.

Was haben Sie sich vor allem vorgenommen?

Bentkämper: Eines meiner Herzensanliegen ist, die Verbindung vom Mitglied zum Bundesverband zu stärken. Es muss uns noch besser gelingen, unseren Mitgliedern zu zeigen, in welch großer Bandbreite wir engagiert sind, damit sie sich stärker mit unseren Zielen identifizieren können und bestenfalls auch Freude daran entwickeln in ehrenamtlichen Funktionen aktiv zu werden. Dafür werde ich mich noch mehr einsetzen, als ich es bislang schon getan habe.

Vielen Dank für das Gespräch!

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