Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Landwirtschaft im Dialog

„Der Fokus auf nationale Lieferketten hat Vorteile“​

Die Vertragslandwirtschaft ermöglicht langfristige Verträge, faire Preise und partnerschaftliche Kooperationen, sagt Rewe-Group Vorstand Hans-Jürgen Moog. Er sitzt mit auf unserem LiD-Podium.​

Lesezeit: 8 Minuten

Im vergangenen Jahr ist durch die Ereignisse in der Ukraine plötzlich die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln zum Thema Nummer 1 geworden. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass zumindest bei uns die leergefegten Regale und Hamsterkäufe die Ausnahme waren. Und trotzdem sind wir gut beraten, unsere Lieferketten auch künftig abzusichern.

Wie das gelingen kann und wie Landwirtschaft und Handel dazu zusammenrücken müssen, diskutieren wir mit Expertinnen und Experten aus der Branche in einer neuen Ausgabe unserer Reihe "Landwirtschaft im Dialog" (LiD) am 18. Januar ab 19 Uhr in der Hessischen Landesvertretung in Berlin. Wir übertragen die Veranstaltung live und kostenlos auf unserem top agrar-YouTube-Kanal.

Wir haben bereits im Voraus mit Rewe-Group Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Moog gesprochen. Er ist Teil unserer Podiumsdiskussion zum Thema "Die Welt im Dauerkrisenmodus: Wie wichtig sind anpassungsfähige Lieferketten" beim morgigen Landwirtschaft im Dialog.

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

top agrar:Wie beurteilen Sie aktuell die Situation bei der Lebensmittelversorgung in Deutschland. Sind wir für die Zukunft gut aufgestellt?

Moog: Die Lebensmittelversorgung in Deutschland ist stabil – das liegt nicht zuletzt am unermüdlichen Engagement einer Vielzahl von Akteuren. Wir haben in den laufenden Krisen alle miteinander bewiesen, dass die Kette funktioniert. Wir haben es zudem geschafft, ein hohes Maß an Sicherheit und Qualität aufrecht zu erhalten, obwohl uns eindringlich vor Augen geführt wurde wo unsere Stolpersteine und Abhängigkeiten liegen.

Ob Pandemie oder Inflation, keiner kann die Themen alleine lösen. Weder können wir im Handel die Inflation ungeschehen machen, noch können wir oder die Produzenten die Mehrkosten alleine stemmen. Es ist auch nicht möglich, die gesamte Last an den Konsumenten weiterzureichen.

Alles in allem ist also zu sagen: Die Lebensmittelversorgung in Deutschland war stabil, ist stabil und bleibt stabil. Aber: Wir müssen die Erkenntnisse aus diesen Krisen dazu nutzen, alte Muster konsequent zu hinterfragen, vieles neu zu denken, uns aus alten Abhängigkeiten lösen und neue Wege der Zusammenarbeit suchen. Zu einem gewissen Grad müssen wir uns selbst neu erfinden.

Wir müssen alte Muster konsequent hinterfragen." - Hans-Jürgen Moog

Die Corona-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine sorgten für Lücken in den Regalen. War das kein Grund zur Sorge?

Moog: Wir arbeiten weiter konstant daran, Lieferketten stabil und eine hohe Warenverfügbarkeit aufrecht zu erhalten. In beiden Fällen war es die ungewöhnlich hohe Nachfrage, die aus der Verunsicherung der Bevölkerung entstanden ist, die zu Problemen geführt hat. Toilettenpapier wurde in der Pandemie „gehamstert“, Grundnahrungsmittel wie Sonnenblumenöl dann beim Ausbruch des Ukraine Kriegs. Wenn alle in gewohntem Maß einkaufen, besteht kein Grund zur Sorge.

Wo sehen Sie angesichts immer neuer globaler Krisen die zentralen Herausforderungen bei der Sicherung der Warenverfügbarkeit?

Moog: Unser Anspruch als Lebensmittelhändler ist, unseren Kunden und Kundinnen alles was sie brauchen jederzeit verlässlich und leistbar zur Verfügung zu stellen. Durch die Häufung der Krisen der letzten Jahre haben wir jedoch die Grenzen des Systems zu spüren bekommen.

Wir setzen deshalb jetzt noch stärker auf unabhängige Lieferketten, auf mehr Lieferanten, denken alte Wege neu. Der vermehrte Fokus auf kurze, nationale Lieferketten kann hier wertvolle Vorteile bieten, die es gilt, verstärkt zu nutzen.

Dafür brauchen wir aber auch entsprechende Rahmenbedingungen. Die Politik war in Krisenzeiten sehr rasch bei uns, um Lösungen von uns geliefert zu bekommen. Und wir haben geliefert. Im Gegenzug wünschen wir uns nun mehr Verständnis für unser Geschäft, seine Spielregeln und seine Herausforderungen und mehr politische Wertschätzung für unsere Rolle als systemrelevanter Nahversorger. Denn teilweise machen es politische Rahmenbedingungen schwer, gerade jetzt diesen zentralen Herausforderungen wirksam zu begegnen. Viele der Regularien, mit denen wir es mittlerweile zu tun haben, erhöhen nur die Kosten und Bürokratie, ohne einen Mehrwert zu leisten.

Volle Regale sind dem Handel heilig: Mit welchen Strategien und Maßnahmen sichern Sie als Handelskonzern ihre Lieferketten?

Moog: Es gab und gibt immer wieder Engpässe, aber insgesamt hat der Lebensmittelhandel im Zusammenspiel mit der Wertschöpfungskette eine enorme Resilienz gezeigt. Die Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges haben aber auch deutlich gemacht, dass die internationalen und globalen Lieferketten angreifbar sind. Wir können uns nicht vollständig auf sie verlassen.

Das spricht für unsere Maxime der Vielfalt und Breite. Unsere Strategie, nicht nur mit einigen wenigen großen Konzernen zusammenzuarbeiten, sondern auch mit mehreren tausend klein- und mittelständischen Unternehmen, hat unseren Spielraum in der Krise massiv vergrößert.

Der Konflikt darf nicht immer auf dem Rücken der Bauern ausgetragen werden!​" - Hans-Jürgen Moog

Wir haben in Deutschland nicht nur einen schlagkräftigen Lebensmitteleinzelhandel. Auch die deutsche Landwirtschaft ist in der Lage, sehr gute Lebensmittel zu liefern. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen LEH und Landwirtschaft verbessert werden und welche Vorteile hätte das für die Sicherung der Lieferketten gerade in Krisenzeiten?

Moog: Die Rewe Group legt schon durch ihre genossenschaftliche und regionale Organisationsstruktur einen klaren Fokus auf lokale und regionale Beziehungen. So lautet zum Beispiel unsere Einkaufsstrategie bei Obst und Gemüse seit Jahren „lokal vor regional vor national vor international“.

Nationale und kurze Lieferketten sind in Krisenzeiten von Vorteil, entsprechen aber auch den Wünschen der Konsumenten. Dort wo es möglich ist setzen wir auf heimische Ware. Bei unseren Eigenmarken-Äpfeln zum Beispiel zu mehr als 90 %. Die Produkte müssen aber natürlich in ausreichender Qualität und Menge zur Verfügung stehen, damit wir die Nachfrage bedienen können. Wir kaufen nur dann europäisch oder international zu, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt – zum Beispiel zum Start der Erdbeer- oder Spargelsaison.

Wir glauben an eine starke deutsche Landwirtschaft. Dort wo wir in direkter Beziehung zu unseren Erzeuger:innen stehen, finden wir immer partnerschaftliche Lösungen auf Augenhöhe. Schwieriger ist es dann, wenn – wie meistens der Fall – mehrere Stufen der Wertschöpfungskette involviert sind. Das ist auch klar: Jeder Teil der Wertschöpfungskette will mitverdienen. Das ist auch das gute Recht eines jeden Akteurs.

Das heißt in der Folge, dass unser Einfluss bis zu unserem Verhandlungspartner und Gegenüber reicht, wir aber keinen Einfluss darauf haben, was die Verarbeitungsstufe von unserem Geld an ihre Lieferanten weitergibt.

Wir sagen auch ganz klar: Es kann nicht sein, dass die Konflikte auf dem Rücken der Landwirt:innen ausgetragen werden. Daher wollen wir auch unseren Betrag leisten, die Situation zu verbessern- dort wo es uns auch möglich ist, einen Beitrag zu leisten.

Ich bin überzeugt, dass wir in vielen Bereichen systematische Änderungen brauchen, vieles neu denken müssen, ohne Tabus. Das gilt für Lieferketten ebenso wie für die Landwirtschaft.

Was erwarten Sie von der deutschen Landwirtschaft?

Moog: Lassen Sie es mich als Appell formulieren: Gehen wir doch gemeinsam neue Wege, geben wir alte Vorurteile auf, es darf in einer zukunftsfähigen Zusammenarbeit keine Denkverbote geben! Wir haben tolle Produzent:innen in Deutschland und sollten diese Stärke besser nutzen.

Leider haben uns jahrelange Diskussionen gezeigt, dass die herkömmlichen Positionen oft festgefahren sind. Grenzen setzen uns auch das Kartellrecht und der Preisdruck. Wir begrüßen partnerschaftliche Lösungen mit der Landwirtschaft sehr. Branchenlösungen jedoch sind schwierig. Diese müssten rechtlich – vor allem kartellrechtlich – möglich sein. Und daran scheitern die meisten Lösungsvorschläge. Dennoch werden sie laufend wiederholt. So kommen wir nicht weiter.

Das Modell der Vertragslandwirtschaft bietet viele Vorteile​." - Hans-Jürgen Moog

Aus unserer Sicht sind bilaterale Lösungen ein guter Ansatz, wie wir sie zum Beispiel im Rahmen unserer Regionalfleischprogramme umsetzen. Dieses Modell der Vertragslandwirtschaft bietet zahlreiche Vorteile, denn es ermöglicht langfristige Vertragsbindungen, faire Preise und partnerschaftliche Kooperationen.

Gerade hier haben wir eine besondere Stärke: Als genossenschaftliches Unternehmen sind wir in ganz Deutschland fest verankert. Unsere Kaufleute engagieren sich vor Ort, unterstützen lokale Projekte und suchen ganz gezielt den Kontakt zur Landwirtschaft. Jeder Landwirt kann uns beliefern.

Wir sind zudem extrem breit aufgestellt. Neben der persönlichen Ebene gibt es natürlich auch ab einer gewissen Umsatzgröße Verhandlungen mit Erzeugergemeinschaften. Oder landwirtschaftliche Erzeuger sind so groß, dass sie Rewe-Lager direkt beliefern, aus denen dann wiederum an die hundert Märkte versorgen. Darüber hinaus gibt es den Zentraleinkauf in Köln und Brüssel. Hier verhandeln wir mit den multinationalen Konzernen der Lebensmittelindustrie.

Insgesamt ist mir wichtig zu betonen, dass wir aufgrund unserer regionalen Struktur für jeden Landwirt und jede Landwirtin, die direkt mit uns zusammenarbeiten, individuelle Lösungen finden können. Gleichzeitig wollen wir als Partner mit fachlicher Expertise ernst genommen werden.

Wenn wir abseits etablierter Strukturen gemeinsam mit der Landwirtschaft Lösungen finden, kann Vertrauen zueinander geschaffen werden. Dies ist aus meiner Sicht die wichtigste Grundlage für den nachhaltigen Erfolg beider Seiten.

Mehr zu dem Thema

top + Schnupperabo: 3 Monate für 9,90 € testen

Alle wichtigen Infos zur Maissaussaat 2024 | Tagesaktuelle Nachrichten, Preis- & Marktdaten

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.