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FDP will keine neuen Auflagen für Landwirte

Agrarsprecher Hocker kritisiert die Bundesregierung die die Grünen, man dürfe die Schraube nicht immer weiter andrehen. Die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft unterstützt die FDP, lehnt das Borchert-Konzept aber ab.

Lesezeit: 15 Minuten

Ein Auflagenmoratorium in der Landwirtschaft fordert der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Gero Hocker. „Wir dürfen die Schraube nicht immer weiter andrehen“, warnt Hocker im Interview mit AGRA-EUROPE.

Der Bundesregierung wirft der FDP-Politiker vor, ihre Politik habe zu zahlreichen zusätzlichen Belastungen für die Betriebe geführt. Als Beispiele nennt er „komplett unsachliche Regelungen“ wie das Insektenschutzpaket und die Novelle der Düngeverordnung.

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Hart geht Hocker mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ins Gericht. Die habe es „allen Recht machen wollen“ und damit niemanden zufrieden gestellt, „schon gar nicht viele Landwirte“. Die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) können dem Abgeordneten zufolge „ein solides Fundament einer zukunftsfähigen Landwirtschaft“ bilden. In wesentlichen Punkten seien die Vorschläge „das Gegenteil der jetzigen Agrarpolitik“.

Hocker bekräftigt die Ablehnung des Borchert-Konzepts und begründet das mit grundsätzlichen Zweifeln an der Umsetzbarkeit sowie der ungeklärten Finanzierung. Der FDP-Politiker erteilt zusätzlichen Steuern eine Absage und will stattdessen die Verbraucher stärker in die Pflicht nehmen: „Wer hohe und noch höhere Standards fordert, der kann nicht an der Ladentheke das billigste Stück Fleisch kaufen.“

Deutschland als Taktgeber in der EU

Trotz der Kritik an deren Agrarpolitik sieht Hocker mit CDU und CSU die größten Schnittmengen, um in einer Koalition für die Landwirtschaft etwas zu bewegen. Die Agrarpolitik der Grünen kritisiert der Niedersachse als „ideologiegetrieben und ziellos“. Gleichwohl schließt er eine Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl nicht aus. Wichtig dafür wäre für Hocker die Einsicht auf grüner Seite, „dass vieles von dem, was sie erreichen wollen, nur europäisch funktioniert.“

Als größter EU-Nettozahler könne man den Anspruch haben, „dass andere europäische Länder sich ein Stück weit an dem orientieren, was unseren eigenen Landwirten vorgeschrieben wird“.

Hocker verteidigt die Notwendigkeit, in der agrarpolitischen Auseinandersetzung zuzuspitzen. Man brauche bestimmte Botschaften, um durchzudringen. Es gehe darum, eine Stoßrichtung zu finden, „um aus allen Rohren schießen zu können“. Die FDP trete für unternehmerische Freiheit von Landwirten ein und lehne eine Politik ab, die auf Alimentierung setze. Verlässliche Rahmenbedingungen seien wichtiger als Subventionen.

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Hier das ganze Interview im Detail:

Man muss aus allen Rohren schießen können

Herr Dr. Hocker, die FDP hat in den letzten ein, zwei Jahren an Zuspruch bei Landwirten gewonnen. Woran liegt das?

Hocker: Wir haben vermitteln können, dass Agrarpolitik nicht darin bestehen kann, immer mehr Geld in den Sektor zu geben, Dürrehilfen hier, eine Bauernmilliarde da, dauerhafte EU-Zahlungen dort. Landwirte sind Unternehmer und wollen als solche wahrgenommen werden. Das bedeutet, für sie sind verlässliche Rahmenbedingungen wichtiger als Subventionen.

Reicht das als Markenkern einer liberalen Agrarpolitik?

Hocker: Entscheidend ist, dass Landwirte dem Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt ausgesetzt sind. Dieser Wettbewerb ist nur dann fair, wenn für alle Produzenten die gleichen Standards gelten. Das zu gewährleisten, ist die wesentliche Aufgabe von Politik. Das bedeutet zugleich, dass nationale Alleingänge und immer höhere Auflagen in Deutschland nicht akzeptabel sind.

Zeigt die Beschränkung auf Grundsätzliches den gesunkenen Stellenwert der Agrarpolitik für die FDP, zumal den Stimmen von Landwirten und Landwirtinnen bei Wahlen keine entscheidende Bedeutung mehr zukommt?

Hocker: Im Gegenteil: Wir arbeiten den Kern heraus, auf den es in der Agrarpolitik ankommen sollte. Das zeigt, wie ernst wir diesen Sektor nehmen. Ich gebe aber zu, wir als Freie Demokraten haben es etwas leichter als die Union, die als Volkspartei eine große Bandbreite von Themen bespielen muss. Deswegen muss sie viel mehr Kompromisse eingehen als wir. Für Frau Klöckner hat dies bedeutet, es allen recht machen zu wollen. Ein bisschen dem NABU, ein bisschen dem Bauernverband, ein bisschen LsV. Im Ergebnis stellt das niemanden zufrieden, viele Landwirte schon gar nicht. Für uns als kleine Partei in der Opposition ist es einfacher, sich zugespitzt zu äußern. Davon machen wir Gebrauch.

Die FDP hat zu Beginn der Legislaturperiode im Agrarbereich mit Abstand die meisten Anträge und Anfragen aller Oppositionsparteien eingebracht. Seither ist das deutlich zurückgegangen, gleichzeitig werden sie stärker wahrgenommen. Lohnt sich Detailarbeit in der Opposition nicht?

Hocker: Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns nach der Rückkehr in den Bundestag gefunden haben. Dazu gehört die Erkenntnis, dass es bestimmte Botschaften braucht, um durchzudringen. Es geht darum, eine eigene Stoßrichtung und einen Duktus zu finden, um aus allen Rohren schießen zu können. Das haben wir getan. Am wichtigsten ist unser Grundansatz, dass wir für die unternehmerische Freiheit von Landwirten eintreten und eine Politik ablehnen, die auf Alimentierung setzt. Dass wir damit nicht falsch liegen, zeigt der Widerhall, den wir in der Landwirtschaft finden.

Es entsteht der Eindruck, die FDP sucht sich einige öffentlichkeitswirksame Themen aus, scheut aber die Mühen, wenn’s agrarpolitisch kompliziert wird. Zu Recht?

Hocker: Das bewerte ich ganz anders. Themen, die öffentlich für Aufmerksamkeit sorgen und zugleich fachlich gerechtfertigt sind, schließen sich keineswegs aus. Denken Sie nur an unseren Antrag zur Gemeinnützigkeit von Nichtregierungsorganisationen. Die von uns angestoßene Diskussion, NGO unter bestimmten Voraussetzungen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, hat vor dem Hintergrund der Stalleinbrüche nicht nur in der Landwirtschaft großen Widerhall gefunden.

Daraus geworden ist allerdings nichts. Ist Opposition Mist, wie ein ehemaliger SPD-Vorsitzender einmal gesagt hat?

Hocker: Natürlich ist es besser, wenn man unmittelbar politisch gestalten kann. Deswegen würden wir uns freuen, wenn es ab September die Möglichkeit gibt, mitzuregieren.

In welcher Koalition auch immer?

Hocker: Das entscheidet der Wähler. Ich habe da meine Präferenzen. In einer schwarz-gelben Koalition könnte man meines Erachtens für die Landwirtschaft am meisten bewegen. Mit der Union gibt es trotz aller Differenzen die größten Überschneidungen in der Agrarpolitik.

Da verwundert ein wenig die Schärfe, mit der Sie die Agrarpolitik von Ministerin Klöckner und speziell die Ministerin wiederholt attackiert haben. Warum die Schärfe, angesichts der von Ihnen angeführten Präferenz?

Hocker: Das sind keine persönlichen Animositäten. Wenn man sich trifft, dann grüßt man sich und dann haben beide Seiten auch Respekt vor der Arbeit des anderen. Auch wenn ich die Inhalte nicht teile, die die Union in den letzten dreieinhalb Jahren umgesetzt hat.

Gilt die Aussage noch, es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren?

Hocker: Die Entscheidung von 2017 zum Abbruch der Jamaika-Verhandlungen, die Christian Lindner und das Verhandlungsteam da getroffen haben, war damals absolut richtig.

Ist eine Jamaika-Koalition nach den Erfahrungen von 2017 tot?

Hocker: Nein, auch wenn ich mir vielleicht andere Konstellationen wünschen würde. Wenn der Wähler entscheidet, dass die Grünen so stark sind, dass Schwarz-Gelb am Ende keine Mehrheit hat, müssen wir eben über andere Modelle nachdenken.

Was ist Ihre Kritik an der Agrarpolitik der Grünen?

Hocker: Sie ist ideologiegetrieben und ziellos. Die FDP will eine unternehmerische Landwirtschaft, die unabhängig ist von staatlicher Alimentierung. Die Grünen können Ihnen hingegen nicht sagen, wo die Landwirtschaft in 10 oder 20 Jahren stehen und wie sie aussehen soll. Zwar wird gesagt, wir wollen bäuerlich und kleinteilig. Gleichzeitig sind die Grünen jedoch für immer höhere Auflagen und drängen damit vor allem die kleinen und mittleren Betriebe aus der Produktion.

Die FDP arbeitet in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz mit den Grünen zusammen. So groß kann der Graben also nicht sein.

Hocker: In so einer Konstellation muss jeder Zugeständnisse machen. Wichtig wäre zum Beispiel die Einsicht auf grüner Seite, dass vieles von dem, was sie erreichen wollen, nur europäisch funktioniert. Als größter Nettozahler innerhalb Europas können wir sehr wohl den Anspruch haben, dass andere europäische Länder sich ein stückweit an dem orientieren, was unseren eigenen Landwirten vorgeschrieben wird.

Ganz so einfach funktioniert es in Brüssel offenbar nicht…

Hocker: Vielleicht hätte man es mal ernsthaft probieren sollen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 hätte die Gelegenheit dazu geboten, über eine einheitliche europäische Tierschutzpolitik zu sprechen. Den Wunsch nach mehr Tierwohl gibt es ja nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten. Wenn wir aber einseitig in Deutschland die Standards immer höher setzen, erreichen wir nur, dass die Produktion abwandert und die hiesige Landwirtschaft die Zeche zahlt, ohne dass dem Tierschutz damit gedient wäre.

Um genau das zu verhindern, hat die Borchert-Kommission ihre Empfehlungen erarbeitet. Die FDP lehnt das Konzept ab. Bleibt es dabei?

Hocker: Absolut.

Warum?

Hocker: Weder die Finanzierung ist geklärt noch die Frage, ob die Vorschläge europarechtlich überhaupt zulässig sind.

Letzteres bestätigt die Machbarkeitsstudie hochrangiger Juristen. Für die Finanzierung liegen konkrete Optionen auf dem Tisch. Über die muss aber politisch entschieden werden. Dennoch lehnen Sie die Vorschläge pauschal ab?

Hocker: Ja. Ich bin nicht schlauer als die Juristen, habe aber dennoch große Zweifel. Die beziehen sich zum einen auf die Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Produkten auf dem deutschen Markt, zum anderen auf die Finanzierbarkeit. Schließlich kann niemand garantieren, dass die in Aussicht gestellte finanzielle Unterstützung tatsächlich über 20 Jahre läuft. Ich kenne kein Beispiel, bei dem das schon mal funktioniert hat.

Die Kommission schlägt Verträge vor, die ein Landwirt mit dem Staat schließt und in denen geregelt wird, welche Tierwohlmaßnahmen ergriffen werden müssen und wie die dabei anfallenden zusätzlichen Kosten über staatliche Tierwohlprämien dem Landwirt kompensiert werden.

Hocker: Sie glauben doch selbst nicht, dass der Staat einen Vertrag mit dem individuellen Landwirt schließt, die Politik anschließend die Hände in den Schoß legt und andere Mehrheiten das nicht wieder aufmachen.

Verträge sind einzuhalten. Das bezweifeln Sie?

Hocker: Über einen Zeitraum von 20 oder 25 Jahren, ja. Nennen Sie mir ein Beispiel, wo das schon mal funktioniert hätte.

Die FDP geht mit der Aussage in den Wahlkampf „Keine Steuererhöhungen“. Bedeutet das, Sie stimmen einem steuerfinanzierten Umbau der Tierhaltung von vornherein nicht zu? Unter keiner Bedingung?

Hocker: Wir haben unsere Vorbehalte gegen die Borchert- Vorschläge. Und ich halte es für das absolut falsche Signal, Unternehmen und Verbraucher in und während der Corona-Krise mit zusätzlichen Steuern zu belasten. Die Menschen brauchen Mittel, um investieren und konsumieren zu können, deswegen sind höhere Steuern, ob direkte oder indirekte, in der gegenwärtigen Phase das komplett falsche Signal.

Die Borchert-Kommission und die Zukunftskommission Landwirtschaft sind Ansätze, die Beteiligten aus unterschiedlichen Lagern an einen Tisch zu holen und gemeinsam langfristig tragfähige Lösungen für die Land- und Ernährungswirtschaft zu erarbeiten. Beide Kommissionen waren erfolgreich, ohne dass dies schon etwas zur Umsetzung aussagt. Was halten Sie von diesen neuen Wegen, die da beschritten wurden?

Hocker: Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Allerdings sollte gewährleistet sein, dass die Politik die Ergebnisse abwartet und nicht gleichzeitig Fakten schafft, wie es die Koalition mit der Verabschiedung des Insektenschutzpakets getan hat. Wozu dann diese Zukunftskommission? Das erweckt für mich den Anschein, als wolle man ein wenig beruhigen und Zeit gewinnen. Wir reden miteinander, aber wir handeln genauso wie vorher. Schließlich muss die Wissenschaftlichkeit gewährleistet sein.

Sechs der 30 ZKL-Mitglieder kamen aus der Wissenschaft. Reicht das an Wissenschaftlichkeit?

Hocker: Es reicht nicht, der Wissenschaft einen Platz in einem Gremium zu geben und dann ist gut. Stattdessen muss sie bei jeder einzelnen Entscheidung berücksichtigt werden. Die Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahre war zu oft geprägt von Faktenfreiheit und hatte keine wissenschaftlichen Grundlagen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Politik zu oft auf NGO hört, deren Geschäftsmodell die Skandalisierung ist, weil sie auf diese Weise etwa Spenden einsammeln. Das führt zu einem klaren Wettbewerbsnachteil heimischer Landwirte.

Was ist für Sie die Kernbotschaft des von der Zukunftskommission Landwirtschaft vorgelegten Abschlussberichts?

Hocker: Die Empfehlungen der Kommission aus Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden sowie der Wissenschaft können ein solides Fundament einer zukunftsfähigen Landwirtschaft sein. Dass die Zukunftskommission im Grunde genommen in wesentlichen Punkten das Gegenteil der jetzigen Agrarpolitik empfiehlt, stellt der Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis aus.

Was muss die nächste Bundesregierung im Hinblick auf die Zukunftskommission tun, um die von Ihnen geforderte politische Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen?

Hocker: Statt der im Laufe dieser Legislaturperiode geschaffenen Fakten mit zahlreichen Belastungen für die Landwirte in Deutschland hätte die Bundesregierung solch einen Dialogprozess viel eher ins Leben rufen sollen. So wären komplett unsachliche Regelungen wie das Insektenschutzpaket oder die Düngeverordnung niemals auf den Weg gebracht worden, die sich nur schwer korrigieren lassen. Statt etwa Landwirtschaft und Umweltschutz als Gegner hinzustellen, müssen gemeinsame Ziele identifiziert sowie effizient und ergebnisorientiert erreicht werden, das Gegenteil der jetzigen Politik.

Die FDP spricht sich seit längerem für ein Auslaufen der flächengebundenen Direktzahlungen aus. Fühlen Sie sich durch die Empfehlung der Zukunftskommission bestätigt, die Direktzahlungen spätestens bis Ende der übernächsten Förderperiode vollständig umzubauen und die Mittel ausschließlich zur Honorierung von ökologischen Leistungen einzusetzen?

Hocker: Zunächst müssen Standards bei Tierhaltung, Pflanzenschutz und Düngung in der EU vereinheitlicht werden. Unter dieser Voraussetzung kann die deutsche Landwirtschaft, die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit im EU-Binnenmarkt dann nicht mehr eingeschränkt ist, auf die GAP-Zahlungen verzichten. Bedingung ist, dass die Landwirte gleichzeitig vollständig von der damit verbundenen Bürokratie befreit werden. Die Mittel müssen dann insbesondere verwendet werden, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unternehmen zu fördern.

Sollte der Unternehmerlandwirt der Zukunft neben der Produktion von Nahrungsmitteln in der Erbringung von gesellschaftlich gewünschten Leistungen seinen Markt finden, wie die Zukunftskommission vorschlägt?

Hocker: Nein. Aus zwei Gründen: Erstens, nicht erst Corona hat gezeigt, wie niedrig der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln in Deutschland ist. Wir werden immer abhängiger von Importen aus dem Ausland. Damit geht einher, dass Produkte, die auf den hiesigen Markt gelangen, oft zu niedrigeren Standards erzeugt wurden. Sei es, weil Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die in Deutschland schon lange nicht mehr genehmigt werden, sei es, dass Tiere wesentlich schlechter gehalten werden als bei uns. Deswegen glaube ich, dass man wirklich nur dann etwas bewegen kann für Ökologie und Tierwohl, wenn man die deutsche Landwirtschaft stärkt. Die Standards sind bei uns höher als in den allermeisten anderen Ländern auf diesem Globus.

Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund dieser langfristigen Perspektive die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und deren Umsetzung in Deutschland?

Hocker: Ich sehe insbesondere die steigende Umschichtung der Ersten in die Zweite Säule kritisch. Das erweckt den Eindruck, als wolle man den Landwirt mit aller Macht dazu bringen, zum Landschaftspfleger zu mutieren. Das ist nicht meine Vorstellung von Landwirt und vor allem nicht die Vorstellung von den allermeisten Landwirten.

Blühstreifen sind keine Option?

Hocker: Gucken Sie mal draußen, wie viele Blühstreifen angelegt wurden, ohne dass der Staat irgendwie angereizt hat. Blühstreifen ist doch auch nichts anderes als Flächen aus der Produktion zu nehmen, die wir auch brauchen und verwenden sollten, um nachhaltig Landwirtschaft zu betreiben. Deswegen lehne ich das grundsätzlich ab. Der einzelne Landwirt muss künftig mehr arbeiten, mehr Auflagen erfüllen, um das gleiche Einkommen zu erzielen. Das ist völlig aus der Zeit gefallen.

Was wären für die FDP zentrale Punkte im Agrarbereich, sollten Sie nach der Bundestagswahl in Koalitionsverhandlungen treten?

Hocker: Wir brauchen ein Auflagenmoratorium für Landwirte, damit sie planen können und wir nicht immer weiter die Schraube anziehen. Wir brauchen eine Initiative, dass man sich auch im Ausland an unsere Standards angleichen muss, auch wenn es vielleicht nicht opportun ist und vielleicht nicht gern gehört wird. Das dritte ist, der Verbraucher muss auch mal in die Pflicht genommen werden. Das sage ich bewusst wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Wer hohe und noch höhere Standards fordert, was ja angeblich 90 % der Verbraucher tun, der kann nicht an der Ladentheke das billigste Stück Fleisch kaufen.

Die von Ihnen angemahnten Wissenschaftler kommen zur der Auffassung, dass der gewünschte Umbau der Tierhaltung nicht über den Markt allein zu finanzieren ist. Liegen die daneben?

Hocker: Zum einen sehe ich eine große Aufgabe darin, die Verbraucher aufzuklären und ihnen die Zusammenhänge zwischen Einkaufsverhalten und Produktion zu erklären. Zum anderen kann der Umbau dann eben nur in dem Maße erfolgen, wie der Markt das zulässt.

Wollen die Liberalen die Verbraucher erziehen?

Hocker: Es geht nicht um erziehen. Es geht darum, Verbraucher in die Pflicht zu nehmen. Wir brauchen klare und ehrliche Kennzeichnung und volle Markttransparenz. Unter dieser Voraussetzung werden sehr viel mehr Verbraucher bereit sein, für heimische Lebensmittel mehr Geld zu bezahlen.

Sollte es weiterhin ein eigenständiges Bundeslandwirtschaftsministerium geben?

Hocker: Ich glaube, das ist dringend erforderlich. Die Herausforderung in der Landwirtschaft ist in den nächsten Jahren so groß, dass sich der Sektor in einem eigenständigen Ressort wiederfinden muss.

Würde die FDP zugreifen, sollte sich die Möglichkeit eröffnen, dieses Ministerium zu besetzen?

Hocker: Ich wäre dafür. Zum Schaden der Landwirtschaft wäre es jedenfalls nicht.

Auch wenn Sie kein Minister werden sollten, bleiben Sie in der Agrarpolitik?

Hocker: Das ist mein erklärtes Ziel, sollte ich wieder in den Bundestag gewählt werden.

Vielen Dank für das Gespräch. AgE

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