Die Suche nach einem tragfähigen Kompromiss für die EU-Agrarreform von 2023 bis 2027 gestaltet sich schwieriger als die Trilog-Teilnehmer in Brüssel erwartet hatten. Am Dienstag starteten die Verhandler der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) optimistisch in den hochkarätig besetzten „Jumbo-Trilog“. Dieser sollte die finalen GAP-Verhandlungen einläuten und heute zu einem Ergebnis kommen.
Einigung frühestens Freitag
Nun rechnen Brüsseler Kreise frühestens Freitag mit einem Ergebnis. Offenbar fällt es der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft, die in den GAP-Verhandlungen die Mitgliedstaaten vertritt, schwer auf die Verhandlungspositionen des Europaparlamentes zuzugehen.
Klöckner rechnet mit harten Verhandlungen
Seit gestern sind die Agrarminister der 27 EU-Mitgliedstaaten ebenfalls in Brüssel um im Agrarministerrat über mögliche GAP-Kompromisse zu beraten. Bundesagrarministerin Julia Klöckner machte auf Twitter klar, dass sie mit langen Verhandlungen rechne. Nach einer kurzen Sitzung am Donnerstagmorgen, hält die Vorsitzende des Agrarministerrates, Maria do Céu Antunes, bilaterale Treffen mit den Delegationen der Mitgliedstaaten ab. Die portugiesische Agrarministerin möchte so mögliche Kompromisslinien ausloten.
#Trilog #Agrarrat Wir wollen diese Woche das Reformpaket schnüren für die neue Agrarpolitik, es ist noch ein Weg ... wir tagen #Brüssel seit heute Früh, es wird spät. Kompromisse sind hier nicht einfach, die Lage in den EU-Mitgliedstaaten ist mitunter extrem unterschiedlich pic.twitter.com/vf2XzqpJ2o
— Julia Klöckner (@JuliaKloeckner) May 26, 2021
Agrarkommissar: Brauchen mehr Zeit
Höheren Zeitbedarf kündigte Mittwochnachmittag auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski auf Twitter an. Die Verhandlungen seien „anstrengend aber sehr konstruktiv“ gewesen. Trotzdem brauche man mehr Zeit als geplant.
It's been already a long, exhausting but very constructive trilogue negotiations. In order to reach a political agreement and be proud of what we aim to achieve, we might want an extra time tomorrow.
— Janusz Wojciechowski (@jwojc) May 26, 2021
More clarity later this evening.#finalCAPdown #CAPreform #FutureofCAP pic.twitter.com/a1m07CBzeU
Häusling: Klöckner bremst
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, macht vor allem die Mitgliedstaaten und auch Ministerin Klöckner für die langsamen Fortschritte im Trilog verantwortlich.
Heute 3. TAG Verhandlungen zur #GAP . Schafft es die portugiesische Ratspräsidentin die Blockade im Rat aufzulösen?
— Martin Häusling (@MartinHaeusling) May 27, 2021
Für das Parlament sind noch mehr Zugeständnisse nicht vertretbar
Verwunderlich das Frau Klöckner hier in Brüssel einen Kompromiss ablehnt dem sie in D zustimmt
Kompromissvorschläge machen die Runde
Immer wieder dringen Kompromissvorschläge der Trilog-Parteien nach außen. Agrarökonom Sebastian Lakner fasst einen Vorschlag der EU-Kommission auf Twitter zusammen. Unter anderem schlägt die EU-Kommission zwei Modelle für die Umsetzung der Eco-Schemes (Öko-Regelungen) vor. Mitgliedstaaten sollen wählen können, ob sie ab 2023 volle 25 % der Gelder der 1. Säule für Öko-Regelungen verwenden. Alterntiv könnten sie 2023 mit 22 % starten und den Wert bis 2027 auf 30 % erhöhen.
I tried to summarise the 7-point proposal of @EC to find a final CAP-compromise for the critical points. Presented by @jwojc this morning. To all CAP-nerds: Is that correct? Maybe this is the solution we will be discussing tomorrow?https://t.co/csXVVJW98c pic.twitter.com/CujRkLDpu2
— Sebastian Lakner (@SebastianLakner) May 26, 2021
Der grüne Europaabgeordnete, Thomas Waitz, lässt kurz darauf Änderungswünsche der Mitgliedstaaten rundgehen. Die Kompromissvorschläge der EU-Kommission zu den Eco-Schemes lehen diese ab. Sie wollen unter anderem die Flexibilität, ungenutzte Gelder (z.B. der Eco-Schemes) in die Direktzahlungen übertragen zu können.
#GAPReform #Leak aus Trilog: Der Rat schlägt vor, dass Fördergelder, die für die grüne Architektur bestimmt waren auch in andere Budgettöpfe aka Agrarindustrie transferiert werden können. Nicht mehr viel übrig vom #GreenDeal & Ökoreform @ElliKoestinger? #CAPReform #WithdrawTheCAP pic.twitter.com/OjXSFWl5cD
— Thomas Waitz (@thomaswaitz) May 26, 2021
Knackpunkte unverändert
Im GAP-Trilog steht weiterhin die Grüne Architektur im Fokus des Streits zwischen Parlament und Mitgliedstaaten. Die größten Knackpunkte sind:
- Umverteilung zu Gunsten der 1. Hektare: Das Parlament fordert mindestens 12% Umverteilung. Die Präsidentschaft schlägt 7,5% als Kompromiss vor.
- Eco-Schemes: Das Parlament will die Öko-Regelungen ab 2023 ambitioniert und verpflichtend in der GAP verankern. Es fordert 30 % der Mittel aus der 1. Säule ab 2023. Die EU-Mitgliedstaaten schlagen nun 25% mit zweijähriger Lernphase als Kompromiss vor.
- Sowohl der Rat als auch das Parlament beklagen, dass die EU-Kommission eine Anreizkomponente für die Eco-Schems bislang ausschließt. Die Kommission hält eine solche Regel für nicht WTO-konform.
- Stillegung: Bei den "nichtproduktiven Flächen" fordern die Mitgliedstaaten maximal 3 % der Ackerfläche zu berücksichtigen. Das Europaparlament will 5%. Als mögliche Kompromisse liegen derzeit 4% Stillegung oder 3% Stillegung plus 2% Zwischenfrüchte auf dem Tisch.
- Aktiver Landwirt: Für das Parlament sind nur „aktive Landwirte“ förderfähig. Über die konkrete Definition sind sich Rat und Parlament noch uneins.
- Soziale Dimension: Soll die GAP-Förderung von der Einhaltung von Arbeitnehmerrechten abhängen? Landwirte könnten dann mit einem Abzug bei den Direktzahlungen bestraft werden, die Saisonarbeiter schwarz einstellen oder ihnen Mindestlöhne verwehren.
- Materieller und finanzieller Umfang der gekoppelten Zahlungen
- Interventionsinstrumente bei schweren Marktkrisen (z.B. auf dem Milchmarkt): Das Parlament fordert hier mehr Möglichkeiten für die EU-Kommission. Die Mitgliedstaaten lehnen das bislang ab.