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topplus Interview mit NRW Agrarministerin

Gorißen: „Ich möchte für unsere Bauern da sein“

NRW-Agrarministerin Silke Gorißen reklamiert für sich, die Stimme für die Landwirtschaft zu sein. Die Pläne des Bundes zur Tierhaltung, Düngung und zum Pflanzenschutz will sie korrigieren.

Lesezeit: 9 Minuten

Seit vier Monaten ist Silke Gorißen (CDU) Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in der schwarz-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen. Was treibt die ehemalige Landrätin an? Welche Akzente will sie in der Agrarpolitik im Land, in Berlin und Brüssel setzen? Mitte Oktober empfängt sie in Düsseldorf top agrar und das Wochenblatt zum Interview:

top agrar: Sie haben seit Beginn ihrer Amtszeit viel Zeit für persönliche Besuche auf Höfen eingeräumt. Welchen Eindruck haben Sie, wie geht es den Landwirtinnen und Landwirten in NRW?

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Gorißen: Ich bin den Landwirtinnen und Landwirten sehr dankbar dafür, dass sie mich mit so offenen Armen empfangen haben. Die Betriebe in Nordrhein-Westfalen sind sehr vielfältig. Alle sind wichtig: konventionell arbeitende Betriebe wie auch der ökologische Landbau. Ich möchte für unsere 33.000 Bäuerinnen und Bauern in Nordrhein-Westfalen da sein und wissen, wo bei ihnen der Schuh drückt.

Auf wieviel Ungeduld treffen Sie in der aktuellen Krisenzeit?

Gorißen: Wir erleben aktuell schwierige Zeiten. Die mit dem Ukraine-Krieg gestiegenen Energie-, Düngemittel und Futterpreise sind eine enorme Belastung, sowohl für die Landwirtschaft als auch für Verbraucher. Meine Rolle als Landesministerin sehe ich auch darin, mit klarer Stimme zu sagen, wo mit Blick auf Brüssel und Berlin gehandelt werden muss. Wir müssen den Betrieben eine echte Zukunftsperspektive geben, gerade jungen Leuten, die heute vor der Entscheidung stehen, den Hof der Eltern fortzuführen.

Was soll die neue Trennung von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium bewirken? Wie gut kommen Sie mit Umweltminister Oliver Krischer von den Grünen zurecht?

Gorißen: Gut. Das gilt sowohl für mich selbst als auch für die generelle Zusammenarbeit beider Häuser. Wir haben hier wie drüben jetzt Teams, die sich aus ihrer vorherigen Zusammenarbeit kennen. Den engen Austausch wollen wir erhalten. Wir haben viel vor als schwarz-grüne Regierung in den nächsten Jahren.

Die Land- und die Ernährungswirtschaft müssen auch von den Entlastungspaketen profitieren können.

Im Koalitionsvertrag haben Sie ein Sofortprogramm für bäuerliche Familienbetriebe versprochen. Was wollen Sie fördern? Können es die Betriebe, die jetzt unter hohen Energiekosten leiden, als Entlastung einplanen?

Gorißen: Es geht darum, ein bürokratiearmes Programm mit einem Schwerpunkt auf dem Tierwohl auf den Weg zu bringen. Das Programm soll sich an Junglandwirte und an bestehende Betriebe richten. Förderfähig werden zum Beispiel Anlagen zur Kühlung, offene Tränken in Schweineställen, weiche elastische Bodenbeläge in der Kälber- und Mastbullenhaltung und Kälberhütten in Milchviehbetrieben sein. Es existiert schon jetzt eine Förderrichtlinie für Investitionen zum Tierwohl. Diese Richtlinie wird über 2022 hinaus verlängert.

Der Bund kommt mit Maßnahmen gegen die Energiekrise langsam voran. Wie wollen Sie als Land die landwirtschaftlichen Betriebe unterstützen?

Gorißen: Wir werden uns mit starker Stimme beim Bund dafür einsetzen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft Teil der kritischen Infrastruktur sind. Beide müssen auch von den Entlastungspaketen profitieren können, denn sie leiden stark unter der gegenwärtigen Energiekrise. Viel wird davon abhängen, welche Mittel uns zur Verfügung stehen werden.

Im kommenden Jahr müssen die Landwirte erstmals einen Förderantrag nach der neuen Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) stellen. Erwarten Sie angesichts der Marktlage mit hohen Erzeugerpreisen für Getreide und Ölfrüchte noch eine rege Teilnahme an Agrarumweltmaßnahmen und Öko-Regelungen?

Gorißen: In diesem Sommer war die Teilnahme an den Agrarumweltmaßnahmen stark überzeichnet. Das verdeutlicht, wie groß die Bereitschaft der Landwirtinnen und Landwirte ist, einen Beitrag zum Schutz von Umwelt und Natur zu leisten, wenn es hierfür einen finanziellen Ausgleich gibt. Die Anträge zu den bundesweiten Öko-Regelungen werden dagegen erst 2023 von den Landwirtinnen und Landwirten gestellt. Wir erwarten zahlreiche Anträge zu der Öko-Regelung für vielfältige Kulturen im Ackerbau.

Wir erwarten zahlreiche Anträge zu der Öko-Regelung für vielfältige Kulturen im Ackerbau.

Reicht Ihnen die jetzt noch erfolgte Anhebung der Prämie für die vielfältige Fruchtfolge auf 45 € pro ha aus? Oder legen Sie als Land nochmal etwas drauf?

Gorißen: Wir haben schon früh darauf hingewiesen, dass die ursprünglich vorgesehenen 30 Euro je Hektar für die Förderung dieser Öko-Regelung nicht ausreichen. Die Anhebung auf 45 Euro je Hektar begrüßen wir daher. Ergänzend zur Bundes-Förderung bieten wir landesseitig eine zusätzliche Förderung für den Anbau vielfältiger Kulturen mit großkörnigen Leguminosen aus der zweiten GAP-Säule an. Die dafür vorgesehene Prämie beträgt 55 Euro je Hektar, im Falle einer gleichzeitigen Förderung für den Öko-Landbau sind es 25 Euro je Hektar.

In Niedersachsen hat die vergangene Regierung mit Landwirtschaft und Umweltverbänden den Niedersächsischen Weg geschaffen, der aufzeigt, wie Umwelt- und Naturschutzleistungen honoriert werden können. Planen Sie analog einen Nordrhein-Westfälischen Weg?

Gorißen: Ich begrüße, was in Niedersachsen entstanden ist. Auch in Nordrhein-Westfalen setzen wir auf den kooperativen Ansatz und bringen die einzelnen Akteure zusammen. Gerade bei den Themen Pflanzenschutz und Düngung gibt es noch einiges an Arbeit. Das müssen wir gemeinsam angehen.

Die Pläne zur Tierhaltungskennzeichnung sind so nicht zustimmungsfähig.

Die Ampelkoalition im Bund hat sich auf einen Gesetzentwurf für eine Tierhaltungskennzeichnung geeinigt. Werden Sie dem im Bundesrat zustimmen, wenn es so kommt?

Gorißen: Der aktuelle Gesetzentwurf greift zu kurz. Aus unserer Sicht sind die Pläne so nicht zustimmungsfähig. Ich fordere eine Ausweitung der Kennzeichnung auf verarbeitete Fleischwaren sowie auf Rindfleisch und Geflügel. Auch die gesamte Kette in der Lebensmittelproduktion muss beachtet werden. Gerade aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist das wichtig. Die Landwirte brauchen zudem mehr Planungssicherheit. Sie müssen wissen, welche Investitionen sich noch lohnen. Wenn Ferkelzüchter oder Mäster ins Tierwohl investieren möchten, stoßen sie bei der Stallerweiterung an baurechtliche Hürden, die die Bundesregierung zügig aus dem Weg räumen muss.

Auch das Land NRW hat sich für Erleichterungen im Baurecht und ein Sofortprogramm für Außenklimaställe ausgesprochen. Wie weit ist das Vorhaben?

Gorißen: Wenn die Bundesregierung die baurechtlichen Hürden zum Beispiel zur Stallerweiterung aus dem Weg räumt, kommen wir auf Landesebene sicherlich schnell weiter. Alarmierendes Zeichen ist für mich, dass die Borchert-Kommission, die ein hervorragendes Handlungskonzept vorgelegt hat, das jetzt umgesetzt werden müsste, auf Grund des ‚Kurswechsels‘ im Bund derzeit ihre Arbeit ruhen lässt. Wir fordern, dass die Ergebnisse der Borchert-Kommission umgesetzt werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren.

Auf Grund der gestiegenen Lebensmittelpreise bleibt Tierwohlfleisch nun häufig im Regal liegen. Halten Sie den Umbau der Tierhaltung noch für umsetzbar?

Gorißen:Viele Verbraucher müssen aktuell sparen und schauen noch genauer ins Portmonee, welche Lebensmittel sie sich leisten können. Das spürt natürlich die Landwirtschaft. Es gibt einzelne Betriebe, die schon aufgegeben haben. Das liegt sicher auch an der Steigerung der Futtermittelpreise. Was wir jetzt brauchen, ist eine robuste Nahrungsmittelversorgung, die auch im Sinne des Verbrauchers ist. Sicher gehört dazu, das Tierwohl niemals aus dem Blick zu verlieren. Der Umbau der Tierhaltung ist notwendig. Dazu müssen aber auch die ökonomischen und baurechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Auch der Ökolandbau hat aktuell zu kämpfen. Sind Ihre Ziele für den Ausbau noch zu erreichen?

Gorißen: Wir haben erste, gute Erfahrungen mit unseren fünf Ökomodellregionen in Nordrhein-Westfalen gemacht – da bringen wir Akteure zusammen, schulen Landwirte bei der regionalen Vermarktung und wir fördern natürlich auch den Umstieg finanziell. So wollen wir das Interesse stärken, auf ‚Bio‘ umzusteigen. So kommen wir dem Ziel der 20 Prozent bis 2030 näher. Elementar wichtig sind die Förderprämien für die Umstellung auf den Öko-Landbau. Diese werden ab 2023 erhöht.

Wir werden bis Anfang November über die Neuausweisung der Roten Gebiete informieren.

Bis zum 30. November müssen die Länder die neuen roten Gebiete mit strengen Düngeregeln veröffentlichen. Wo liegen die neuen roten Gebiete in NRW und wann erfahren die Landwirte davon?

Gorißen: Wir werden bis Anfang November die entsprechenden Informationen bekommen und dann über die Neuausweisung informieren. Es wird eine massive Ausweitung der ‚Roten Gebiete‘ mit zu hoher Nitratbelastung und damit der dort höheren Anforderungen an die Düngung geben. Das ärgert viele Landwirte, die schon jetzt sehr gut die Regeln einhalten. Die Düngepraxis wird sich ändern, wir dürfen aber hier nicht so pauschal vorgehen.

Sie setzen sich mit einer Gruppe von Bundesländern für Ausnahmen für Betriebe mit niedrigen Stickstoffüberschüssen ein. Der Bund und die EU sind aber skeptisch. Gibt es dafür überhaupt eine realistische Chance?

Gorißen: Viele Betriebe sind schon sehr weit. Sie düngen satellitengesteuert und punktgenau die exakt nötige Menge. Wir möchten in Nordrhein-Westfalen das Netz der Nitrat-Messstellen weiter ausbauen, um die tatsächlichen Verursacher besser erkennen zu können. Bei nachgewiesen umweltverträglicher Düngung dürfen nicht die gleichen Anforderungen gelten wie bei Betrieben mit hohem Handlungsbedarf.

Die EU-Kommission plant ein Anwendungsverbot für Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten. Je nach Lesart könnten 90 % der Landwirtschaftsfläche in NRW vom Totalverbot betroffen sein. Der Bund hat angedeutet, dass Landschaftsschutzgebiete eventuell davon ausgenommen werden. Reicht Ihnen das?

Gorißen: Dieses Thema müssen wir auf europäischer Ebene lösen. Deshalb habe ich mich vor wenigen Tagen in Brüssel mit Entscheidern und Stakeholdern über eine nachhaltige Landwirtschaft und den sinnvollen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in aktuellen Zeiten ausgetauscht. Die von der Kommission vorgeschlagenen Verbote der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln hätten dramatische Auswirkungen. Hiervon wäre nicht nur das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde betroffen, sondern auch noch viel größere Flächen, die zum Beispiel als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen sind.

Weitere Fragen und Antworten zur Afrikanischen Schweinepest (ASP), zur Geflügelgrippe, zum Umgang mit dem Wolf und dem Umbau des Waldes gibt es auf Wochenblatt.com.

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