Fehlt eine stabile Regierung, geht das Elend weiter: Die NGOs werden womöglich mit Unterstützung der Grünen die kritische Distanz vieler Bürger nutzen und lautstark mehr Umwelt- und Tierschutz von der Landwirtschaft einfordern. Lebensmittelverarbeiter und Handel könnten das Vakuum für eigene Weichenstellungen nutzen.
Vorwort der neuen top agrar 12/2017 von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals:
Nach mehr als vierwöchigem Ringen sind die Jamaika-Sondierungen gescheitert, weil die FDP kalte Füße bekommen hat. Nicht schade drum, denken viele Bauern. Die Mehrheit hat eine Jamaika-Koalition ohnehin mit sehr großer Skepsis gesehen. Das ist verständlich! Vor allem in NRW und Niedersachsen gibt es kaum gute Erfahrungen mit grünen Landwirtschaftsministern. Richtig ist aber auch: In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg war der Kurs deutlich pragmatischer.
Auch die schärfsten Kritiker von Jamaika müssen aber die Frage nach den Alternativen beantworten. Die SPD ist weiter noch gegen eine erneute Große Koalition. Eine Merkel-Minderheitsregierung mit der FDP oder den Grünen verspricht wenig Stabilität. Bleiben also nur Neuwahlen? Vielleicht ändern diese gar nichts am aktuellen Kräfteverhältnis. Nur die populistische AfD würde noch stärker. Was wäre dann gewonnen?
In den kommenden Jahren stehen wichtige Weichenstellungen an:
In Brüssel wird ab 2018 über den künftigen EU-Haushalt und die EU-Agrarpolitik nach 2020 verhandelt.
Die Tierhalter brauchen dringend einen klaren Kurs, sonst können sie nicht in neue Ställe investieren.
Beim Klimawandel und Artenschwund muss Deutschland seine Verpflichtungen erfüllen. Das läuft am besten gemeinsam mit der Landwirtschaft.
Fehlt eine stabile Regierung, geht das aktuelle Elend weiter: Die NGOs werden womöglich mit Unterstützung der Grünen die kritische Distanz vieler Bürger und Verbraucher nutzen und lautstark mehr Umwelt- und Tierschutz von der Landwirtschaft einfordern. Wenn die Politik nicht die Kraft hat, dafür tragfähige Lösungen zu finden, werden international tätige Lebensmittelverarbeiter und der Handel die Weichenstellungen vornehmen.
Die Liste der Eingriffe könnte lang werden. Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Co. werden die Landwirte nachdrücklich „bitten“, schnell auf Glyphosat, gentechnisch veränderte Futtermittel, Schwänzekupieren und Enthornen oder auf die Anbindehaltung bei Milchkühen zu verzichten. Jedes Unternehmen schafft dafür seine eigenen Regeln. Wer nicht spurt, bleibt auf seinen Produkten sitzen. Übergangsfristen und der Kostenausgleich fallen eher knapp aus. Das ist leider kein Horrorszenario. Verarbeiter und Handel schaffen längst Fakten. Wir brauchen deshalb dringend eine starke Bundesregierung, die einen langfristigen Plan hat,
wie die deutsche Landwirtschaft in Zukunft aussehen soll,
welche Instrumente für diese Weiterentwicklung wichtig sind und
wie viel Geld Politik und Gesellschaft eine solche Landwirtschaft wert ist.
Jamaika wäre eine Chance gewesen. Union und FDP hätten die wirtschaftliche Basis der Bauern im Blick gehabt und die Grünen die Umwelt- und Tierschutzverbände mitgenommen. Ziel muss es sein, für die Konflikte zwischen Bauern und den NGOs konstruktive Lösungen zu suchen. Wer übernimmt jetzt diese Aufgabe?
Hinweis: Der Kommentar stammt aus der Printausgabe 12/2017. Redaktionsschluss war der 20. November. Die aktuellen Diskussionen innerhalb der SPD sind daher noch nicht berücksichtigt.
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Vorwort der neuen top agrar 12/2017 von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals:
Nach mehr als vierwöchigem Ringen sind die Jamaika-Sondierungen gescheitert, weil die FDP kalte Füße bekommen hat. Nicht schade drum, denken viele Bauern. Die Mehrheit hat eine Jamaika-Koalition ohnehin mit sehr großer Skepsis gesehen. Das ist verständlich! Vor allem in NRW und Niedersachsen gibt es kaum gute Erfahrungen mit grünen Landwirtschaftsministern. Richtig ist aber auch: In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg war der Kurs deutlich pragmatischer.
Auch die schärfsten Kritiker von Jamaika müssen aber die Frage nach den Alternativen beantworten. Die SPD ist weiter noch gegen eine erneute Große Koalition. Eine Merkel-Minderheitsregierung mit der FDP oder den Grünen verspricht wenig Stabilität. Bleiben also nur Neuwahlen? Vielleicht ändern diese gar nichts am aktuellen Kräfteverhältnis. Nur die populistische AfD würde noch stärker. Was wäre dann gewonnen?
In den kommenden Jahren stehen wichtige Weichenstellungen an:
In Brüssel wird ab 2018 über den künftigen EU-Haushalt und die EU-Agrarpolitik nach 2020 verhandelt.
Die Tierhalter brauchen dringend einen klaren Kurs, sonst können sie nicht in neue Ställe investieren.
Beim Klimawandel und Artenschwund muss Deutschland seine Verpflichtungen erfüllen. Das läuft am besten gemeinsam mit der Landwirtschaft.
Fehlt eine stabile Regierung, geht das aktuelle Elend weiter: Die NGOs werden womöglich mit Unterstützung der Grünen die kritische Distanz vieler Bürger und Verbraucher nutzen und lautstark mehr Umwelt- und Tierschutz von der Landwirtschaft einfordern. Wenn die Politik nicht die Kraft hat, dafür tragfähige Lösungen zu finden, werden international tätige Lebensmittelverarbeiter und der Handel die Weichenstellungen vornehmen.
Die Liste der Eingriffe könnte lang werden. Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Co. werden die Landwirte nachdrücklich „bitten“, schnell auf Glyphosat, gentechnisch veränderte Futtermittel, Schwänzekupieren und Enthornen oder auf die Anbindehaltung bei Milchkühen zu verzichten. Jedes Unternehmen schafft dafür seine eigenen Regeln. Wer nicht spurt, bleibt auf seinen Produkten sitzen. Übergangsfristen und der Kostenausgleich fallen eher knapp aus. Das ist leider kein Horrorszenario. Verarbeiter und Handel schaffen längst Fakten. Wir brauchen deshalb dringend eine starke Bundesregierung, die einen langfristigen Plan hat,
wie die deutsche Landwirtschaft in Zukunft aussehen soll,
welche Instrumente für diese Weiterentwicklung wichtig sind und
wie viel Geld Politik und Gesellschaft eine solche Landwirtschaft wert ist.
Jamaika wäre eine Chance gewesen. Union und FDP hätten die wirtschaftliche Basis der Bauern im Blick gehabt und die Grünen die Umwelt- und Tierschutzverbände mitgenommen. Ziel muss es sein, für die Konflikte zwischen Bauern und den NGOs konstruktive Lösungen zu suchen. Wer übernimmt jetzt diese Aufgabe?
Hinweis: Der Kommentar stammt aus der Printausgabe 12/2017. Redaktionsschluss war der 20. November. Die aktuellen Diskussionen innerhalb der SPD sind daher noch nicht berücksichtigt.