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Diskussionsrunde Lebensmittelkette

LVM-Landwirtschaftstag: „Die Politik muss endlich den Rahmen schaffen!“

Auf dem LVM-Landwirtschaftstag diskutierten Vertreter der Lebensmittelkette, wie sich die einzelnen Partner in Zeiten des Wandels positionieren.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Wertschöpfungskette Lebensmittel ist gut aufgestellt, gut ausgebildet, innovativ und veränderungswillig. Was fehlt, sind die politischen Leitplanken, z.B. beim Baurecht für neue Tierwohlställe und Finanzierungskonzepte. So kann man die Diskussionsrunde zum Thema „Wandel braucht Verlässlichkeit: Wie positionieren sich die Partner in der Kette?“ beim LVM-Landwirtschaftstag (gesponsort von der LVM-Versicherung und der Agravis AG) in Münster zusammenfassen.

In der Runde stellten sich als Vertreter der Lebensmittel-Kette Dr. Dirk Köckler, Agravis Raiffeisen AG, WLV-Präsident und Schweinehalter Hubertus Beringmeier, Michael Schulze Kalthoff (Westfleisch), Dr. Leif Balz (Schwarz-Gruppe) und Dr. Mechtild Frentrup (DMK, Milchviehhalterin) den Fragen der beiden top agrar-Chefredakteure Matthias Schulze Steinmann und Guido Höner und aus dem Publikum.

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Appell an Politik, endlich Rahmen zu setzen

WLV Präsident Hubertus Beringmeier forderte denn auch direkt, dass die Politik endlich liefern müsse. Weitere zehn Jahre Eiertanz halte die Branche nicht aus. Die Lebensmittelkette von der Landwirtschaft bis zum Handel brauche dringend Verlässlichkeit, z.B. beim Umbau der Tierhaltung, der geplanten Tierhaltungskennzeichnung und der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung. Dass die Landwirte veränderungswillig seien, habe die Branche bewiesen. Wartelisten bei ITW seien ein Beispiel. Jetzt finde allerdings auf politischer Ebene das Schwarzer Peter Spiel statt.

Auch Dr. Leif Balz von der Schwarz-Gruppe (Lidl) forderte die Politik auf, Klarheit zu schaffen und für Verlässlichkeit zu sorgen. Sein Appell: Es braucht eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung und zwar sowohl bei Ware im Lebensmittelhandel als auch für die Gastronomie und Großküchen-Verpflegung. Seine klare Botschaft: „Im LEH ist die Herkunft klar auf den Produkten zu erkennen, in der Gastronomie und Großküche aber noch nicht, das ist eine Grauzone.“ Die Anstrengungen in der Lebensmittelkette lobte Balz: Die Branche habe bei Kennzeichnung und Haltung einen Konsens erzielt. Jetzt fehle aber ein Gesamtkonzept der Politik, das auch das Baurecht und die Finanzierung regele. Vor allem Letzteres sei derzeit nicht erkennbar.

Energiekosten massiv gestiegen

Dr. Mechtild Frentrup (DMK) verdeutlichte die aktuelle Lage sowohl der Milcherzeuger als auch der Molkereien: Die Milchbauern verdienten derzeit bei Milchpreisen um 60 Ct./l zwar Geld, was aber auch notwendig sei: Denn die anstehenden Veränderungen und Investitionen in mehr Tierwohl bräuchten Kapital. Die Landwirte hätten ebenso wie die Molkereien zudem mit enormen Kostensteigerungen zu kämpfen. Allein beim Deutschen Milchkontor (DMK) hätten sich die Energiekosten um mehrere Mio. € verteuert. Bei den Verarbeitern kämen zum Gasnotstand noch gestörte Lieferketten.

Michael Schulze Kalthoff vom Schlachtkonzern Westfleisch betonte, dass die Fleischbranche vor allem in der nordwestdeutschen Veredelungsregion hochprofessionell aufgestellt sei und die wachsenden Herausforderungen bislang meistere und z.B. gestiegene Kosten auch habe weiterreichen können. Auch Schulze Kalthoff appellierte an die Politik, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dass möglichst viele Landwirtsfamilien weitermachen können, müsse das wichtigste Ziel sein, forderte auch Dr. Dirk Köckler von der Agravis Raiffeisen AG. Handel und Landwirte hätte einige Krisen durchgemacht. Den jüngsten Strukturbruch in der Schweinehaltung halte er für irreparabel. Wenn jetzt Mischfutterkapazitäten zu groß würden, bedeute das auch Wohlfahrtsverluste im gesamten landwirtschaftlichen Sektor. Beim Blick in die Zukunft sehe er aber Deutschland aber als einen top Gunststandort, was die klimatischen Bedingungen und die Akteure betreffe, das stimme ihn optimistisch. Für die notwendigen Veränderungen in der Branche läge das Besteck auf dem Tisch, so Köckler.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Gas- und Düngerkrise warnte Köckler vor einem Versorgungsengpass beim Stickstoffdünger im kommenden Jahr. Noch habe man Lagerkapazitäten. Kritisch hinterfragte Köckler, dass man sich in Europa einen Produktionsstopp bei 2/3 der Düngerproduzenten leiste, und dafür teils umdeklarierten Dünger aus Drittländern importiere, der ursprünglich doch aus Russland stammte. Köckler warnte auch vor negativen Folgen für die Logistikbranche: Piesteritz produziere derzeit noch nicht wieder, sodass auch Ad Blue weiter knapp sei. Landwirten rät Köckler, Teilmengen zu kaufen, das Risiko zu streuen und Koppelgeschäfte mit dem Verkauf von Getreide zu verbinden.

„Holen Sie die Verbraucher auf die Höfe!“

Der Lebensmittelhandel gilt oft als Meister der Vermarktung und des Marketings. top agrar-Chefredakteur Guido Höner wollte von Lidl-Vertreter Balz wissen, was die anderen Glieder der Lebensmittelkette vom LEH lernen könnten. Eine zielgruppengerechte Ansprache sei das Wichtigste, so Balz in seiner Antwort. Aber auch Angebote für alle unterschiedliche Kunden und gute Geschichten, erzählt von Influencern seien erfolgversprechend. In der aktuellen Lage spüre aber auch der LEH, dass die Kunden verstärkt auf günstigere Eigenmarken und Aktionsprodukte zurückgreifen.

Auch Dr. Frentrup (DMK) wünscht sich zwar nicht eine CMA zurück, forderte in der Diskussion aber ebenfalls, bessere Geschichten für die Kunden zu erzählen und in den direkten Dialog mit den Verbrauchern zu gehen. Aktionen, wie „Mag doch jeder“ seien der Richtige Weg. „Holen Sie die Leute zu sich auf die Höfe und zeigen Sie, was Sie dort tun, was Sie auszeichnet“, forderte Frentrup darüberhinaus.

Als Verarbeiter betonte Schulze Kalthoff (Westfleisch) dagegen, dass die gesamte Kette ohne Schlacht bzw. Verarbeitung nicht funktioniere. Man sehe sich zwar nicht in einer Sandwich-Position. Er betonte aber die wichtige Funktion bei der Vermarktung, z.B. des so genannten 5. Viertels vom Schwein, das vor allem Richtung Asien exportiert werde. Der derzeit fehlende Marktzugang dorthin sorge für eine große Lücke bei den Einnahmen. Dr. Balz pflichtete Schulze Kalthoff bei: „Die Schlachter müssen Gute Erlöse in allen Absatzkanälen erzielen können, auch über den Export.“

„Aus Warten muss Machen werden!“

Auf die Frage nach konkreten Beispielen und Herausforderungen für den Wandel betonte Agravis-Chef Köckler: „Das Warten muss ins Machen überführt werden.“ So könnten Landwirte über die Fütterung den Methanausstoß ihrer Kühe verringern, im Ackerbau gebe es Produkte, die den Humusaufbau förderten und beim Precision Farming ginge noch viel mehr. Allerdings müssten die Landwirte die neuen Produkte auch einsetzen.

Konkrete Innovationsfelder im Milchviehbereich sieht Dr. Frentrup vor allem in der Digitalisierung und im Datenmanagement. „Oft genug haben wir noch Insellösungen, und wenn, läuft der Datenaustausch nur in eine Richtung: Vom Landwirt zur Molkerei und zum LEH. Was wir brauchen und nutzen müssen, ist ein Austausch in der gesamten Kette in alle Richtungen. Und das mit deutlich mehr Tempo als heute!“

ASP-Krise nicht optimal gelöst

In der Diskussion um die Zusammenarbeit in der Lebensmittelkette kam das Podium auch auf den Umgang mit dem ASP-Fall in der Grafschaft Bentheim. WLV-Präsident Beringmeier bezeichnete die 90 Tage lange Sperre für eine ganze Region als „grausam“ und die Folgen für die betroffenen Schweinehalter als massiv: 17.000 Schweine seien ohne jegliche Bezahlung von den Höfen abgeflossen. Der Schaden liege bei rund 20 Mio. €. Beringmeier forderte die Sperrfristen deutlich zu verkürzen, wenn es sich um isolierte Infektionen handele. Auch müsse das Fleisch der gesunden Tiere vermarktet werden können. Eine Erhitzung auf 80 Grad töte den Erreger zuverlässig ab.

Dem stimmte Westfleisch-Chef Schulze Kalthoff zwar zu: Die Sperre sei für alle eine riesige Belastung gewesen. Er betonte aber auch, dass die Tiere rechtlich nicht verzehrstauglich gewesen seien. Geschmacklich würden Verbraucher hocherhitzte Fleischwaren herausschmecken und ablehnen. Und nicht zuletzt sah Schulze Kalthoff auch bestehende Exportzulassungen in Gefahr.

Letztlich waren sich die Branchenvertreter einig, dass sich eine solche Krise mit einem solchen Krisenmanagement nicht wiederholen dürfe. Auch hier appellierten sie vor dem Hintergrund des Themas der Diskussionsrunde an die Politik, vor auf EU-Ebene, die Rahmenbedingungen entsprechend zu verbessern.

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