Nach den jüngsten Preisabschlüssen zwischen Molkereien und dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mit historischen Niedrigpreisen droht den heimischen Milchbauern ein Debakel. Während sich die Verbraucher über weiter sinkende Preise für Milch und Milchprodukte freuen können, werden viele Bauern die Milchkuhhaltung aufgeben müssen.
Für den Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) hat sich der Anspruch des heimischen LEH, Vorkämpfer in Sachen Nachhaltigkeit zu sein, damit endgültig als unglaubwürdiges Marketing entlarvt. „Nahezu wöchentlich lesen wir in unseren Medien, wie sich REWE, EDEKA, ALDI, LIDL und Co. – oft gemeinsam mit Umweltverbänden – Preise für vermeintlich besonders nachhaltiges Verhalten verleihen", sagte WLV-Präsident Johannes Röring in Münster.
Angesichts des rücksichtslosen Preisdrucks, der jetzt wieder offenbar geworden ist, ist dies laut dem Bauernvertreter wenig mehr als Heuchelei. Die Entscheider im deutschen LEH sollten sich daran erinnern, dass Nachhaltigkeit neben der ökonomischen und ökologischen auch eine soziale Säule hat, so sein Rat. "Der schlichte Hinweis darauf, dass Angebot und Nachfrage eben den Preis bestimmen, zeigt überdeutlich, dass das Thema gesellschaftliche Verantwortung für den Lebensmitteleinzelhandel nur in Sonntagsreden eine spürbare Rolle spielt“, sagte Röring.
Nach aktuellen Meldungen der Lebensmittelzeitung hat der Lebensmitteleinzelhandel gegenüber den Molkereien bei den derzeit laufenden Kontraktverhandlungen für die sogenannte „Weiße Linie“ Preisabschläge von rund 10 Cent pro Liter durchgesetzt. Trinkmilch, Quark und Frischkäse werden daher in den kommenden Wochen voraussichtlich noch einmal deutlich billiger werden. Die Preise für Butter und Käse waren bereits in den vergangenen Wochen mehrfach gesenkt worden. Nach Ansicht des WLV sind in allen diesen Preisverhandlungen auch die Molkereien ihrer Verantwortung nicht ausreichend nachgekommen.
Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband weist darauf hin, dass die heimischen Milchbauern bereits seit dem Herbst 2014 mit sehr niedrigen Milchpreisen kämpfen. Für ein Kilogramm Milch erhalten sie in Westfalen-Lippe derzeit nur noch einen Grundpreis zwischen 23 und 26 Cent. Schon damit können viele Betriebe ihre Kosten nicht mehr decken. Die nun beschlossene weitere Preissenkung wird absehbar viele Betriebe zur Aufgabe der Milchviehhaltung zwingen.
„Was die Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandel vollends unerträglich macht, ist die Tatsache, dass dieselben Konzerne, die sich gegenüber den Verbrauchern gerne als soziale Wohltäter präsentieren, gleichzeitig nicht die geringsten Hemmungen verspüren, den Bauern immer neue Auflagen abzuverlangen – natürlich ohne Kostenerstattung“, so WLV-Präsident Röring.
„Umso deprimierender ist die jüngste Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, der EDEKA-Gruppe nun auch noch die Übernahme von Kaiser`s Tengelmann zu erlauben. Damit wird der ohnehin hochkonzentrierte deutsche Lebensmittelhandel geradezu ermuntert, seine exzessive Billigpreisstrategien zu Lasten der Bauern fortzusetzen.“
Hintergründe:
Milch-Debakel: Zuviel heiße Luft (24.4.2016)
„Preisdumping bei Trinkmilch offenbart Verantwortungslosigkeit“ (23.3.2016)