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Prof. Rainer Kühl

Green Deal kostet jeden Betrieb 40 €/ha

Laut dem Agrarökonomen Prof. Rainer Kühl kostet der Green Deal im konventionellen Ackerbau etwa 40 € pro Hektar vom Deckungsbeitrag. Die konventionelle Pflanzenproduktion dürfte um 10 % sinken .

Lesezeit: 5 Minuten

Die Umsetzung des von der Europäischen Union geplanten Green Deal wird weder einfach noch preiswert und braucht neue Instrumente, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu erhalten. Das ist beim diesjährigen Online-Symposium der Edmund-Rehwinkel-Stiftung der Landwirtschaftlichen Rentenbank deutlich geworden, die top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann moderierte.

Laut einer Studie von Wissenschaftlern um Prof. Rainer Kühl von der Universität Gießen ist davon auszugehen, dass die vollständige Umsetzung der zum Green Deal gehörenden Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie zu einer Einschränkung der konventionellen pflanzlichen Agrarproduktion um etwa 10 % führen würde.

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Der Grund für den Produktionseinbruch seien die vorgesehene Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen auf einen Anteil von 25 % und die geplante Reduzierung des Dünger- und Pflanzenschutzeinsatzes, erläuterte Kühl bei der Vorstellung der Studie.

Der Deckungsbeitrag im konventionellen Ackerbau werde unter dieser Voraussetzung bei konstanten Preisen über alle Kulturen hinweg voraussichtlich um rund 40 €/ha sinken. Zudem rechnen die Gießener Agrarökonomen mit einem zusätzlichen Investitionsbedarf von 3,1 Mrd. €, der zur Effizienzsteigerung im Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz fällig würde.

Lastenverteilung nötig

Kühl gibt darüber hinaus zu bedenken, dass mit dem Rückgang der konventionellen Produktion ein steigender Importbedarf verbunden sein könnte. Dies berge die Gefahr direkter und indirekter Landnutzungsänderungen und damit den möglichen „Export von Umweltproblemen“. Auch seien am Markt für Bioprodukte Auswirkungen durch das steigende Angebot zu erwarten, erklärte der Gießener Wissenschaftler. Diese könnten von wirtschaftlich erfreulichen Skaleneffekten in der Wertschöpfungskette bis hin zu einem Preisdruck durch Überangebote reichen.

Nach Einschätzung von Kühl stellt sich deshalb die Frage, wie die zu erwartenden Lasten des Green Deal am Agrarmarkt beziehungsweise in der Warenkette verteilt werden können. Denkbar seien entweder Importbarrieren zum Schutz des EU-Marktes vor Waren mit niedrigeren Umweltstandards oder eine finanzielle Kompensation der Landwirte für ihre höheren Kosten.

Während Einfuhrzölle oder andere Handelsbarrieren erfahrungsgemäß über höhere Nahrungsmittelpreise die Verbraucher belasteten, müsse die finanzielle Entschädigung der höheren Produktionskosten über einen entsprechend angepassten Agrarhaushalt und damit letztlich über Steuern erfolgen, so der Agrarökonom.

Psychologische Folgen bedenken

Der Wirtschaftspsychologe Carl Vierboom wies aus wirtschaftspsychologischer Sicht darauf hin, dass beim tiefgreifenden Umbau der Landwirtschaft und ihrer Wertschöpfungsketten deren psychologische Folgen für den Berufsstand nicht außer Acht gelassen werden dürften.

Er stellt fest, dass bisher unklar sei, wer eigentlich der Adressat der von der EU angepeilten Green Deal-Maßnahmen sei. Nachdrücklich empfiehlt er, die Diversität der Landwirtschaftsbetriebe zu berücksichtigen, die nach seiner Expertise ganz unterschiedlich auf die neuen Anforderungen reagierten. Während beispielsweise Familienbetriebe Nachhaltigkeit und damit durchaus auch die Green Deal-Umsetzung in der Regel als Teil ihrer ohnehin nachhaltigen Unternehmensphilosophie betrachten dürften, würden Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Großbetrieben eher als „Eintrittsgeld“ für die Lizenz zum Produzieren angesehen.

Vor diesem Hintergrund plädiert Vierboom dafür, die Branchenverbände und -organisationen stärker als Vermittler der vielfältigen landwirtschaftlichen Akteure zu positionieren und bei den anstehenden Veränderungen die Innovationskraft und Potentiale der Agrarwirtschaft zu betonen. Sinnvoll wäre aus Sicht des Wirtschaftspsychologen auch, den Umweltschutz und die Klimaneutralität nicht als Notwendigkeiten, sondern vielmehr als „positive Utopie“ zu beschreiben. Dafür könne sinnbildlich der Arbeitsbegriff „Bio-Tech“ stehen, der für Neues und nicht für Verbote stehe.

Hohe Bereitschaft für Eco-Schemes

Bei der Umsetzung des Green Deal setzt das derzeit dafür vorgesehene Budget enge Grenzen für die Honorierung von Eco-Schemes. Laut der Studie eines Forscherteams um Prof. Uwe Latacz-Lohmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist es grundsätzlich möglich, die Green Deal-Ziele über freiwillige Maßnahmen, verbunden mit Kompensationszahlungen anzusteuern.

In einer Umfrage für seine Untersuchung zeigte sich nach Angaben von Latacz-Lohmann eine hohe Bereitschaft der Landwirte zur Einführung von Eco-Schemes wie Grünbrachen, vielfältige Ackerkulturen, Altgrasstreifen oder die Verringerung des Mineraldüngereinsatzes. Dabei sei etwa jeder zweite Teilnehmer damit einverstanden gewesen, dass 20 % bis 30 % der Ersten-Säule-Gelder für diesen Zweck bereitgestellt würden.

Für das Eco-Scheme „Grünbrache“ errechneten die Forscher aus den Angaben der an der Umfrage beteiligten Landwirte beispielsweise eine mittlere notwendige Kompensationszahlung für 7 % der deutschen Ackerfläche von 733 €/ha. Für die Senkung des Düngereinsatzes um ein Fünftel auf 60 % aller Flächen wäre eine Kompensation von 315 €/ha erforderlich. Je nach regionaler Flächenverfügbarkeit gingen die vorausgesetzten Förderhöhen aber deutlich auseinander.

Wie Latacz-Lohmann darüber hinaus feststellte, wären bei einer vollständigen Umsetzung des Green Deal-Ziels für einen Bracheanteil von bundesweit 10 % insgesamt rund 820 Mio. €, für die Reduzierung des Düngereinsatzes auf 60 % der Fläche etwa 3,2 Mrd. € und für breitere Fruchtfolgen auf der Hälfte der deutschen Ackerfläche immerhin 1,0 Mrd. € an staatlichen Beihilfen erforderlich.

Verfügbar zur Finanzierung der Eco-Schemes seien absehbar aber nur etwa 1,1 Mrd. € pro Jahr, gab der Kieler Agrarökonom zu bedenken. Deshalb seien mit dem derzeitigen Agrarhaushalt nicht mehrere Ziele des Green Deal finanzierbar. Für deren Erreichung hält Latacz-Lohmann daher flankierende Maßnahmen wie die Agrarumweltprogramme im Rahmen der Zweiten Säule für erforderlich, schließt aber auch ordnungsrechtliche Vorgaben nicht aus.

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