Nach Monaten in der Abwärtsspirale bei den Getreidepreisen, die durch weltweit hohe Ernten und Vorräte immer neues Futter bekam, scheint nun der Boden gefunden zu sein. Das war auch die Stimmung, die man auf der Hamburger Getreidebörse am Dienstag dieser Woche ablesen konnte. Die rund 600 Teilnehmer aus dem nationalen und internationalen Getreide- und Ölsaatenhandel diskutierten dort die aktuelle Lage.
Der Termin hätte kaum besser liegen können, weil sich seit einigen Tagen an den internationalen Börsen eine kleine Trendwende abzeichnet. Die meisten Teilnehmer waren sich einig, dass es sich nicht nur um eine Korrektur auf dem weiteren Abstieg handelt, sondern dass die Preise ihren Tiefpunkt bereits hinter sich haben.
Unsicherheit bleibt groß
Doch greifbar war auch weiterhin die Unsicherheit, die alle Händler umtreibt. Die Krise im Nahen Osten, der Krieg in der Ukraine und die schwierigen Witterungsverhältnisse vor allem auf der Nordhalbkugel machen Prognosen extrem unsicher. Demnach ist es in einigen Regionen Europas viel zu nass, was die Aussaat stark beeinträchtigt. Gleichzeitig ist es in Russland zu trocken, und Ernteschätzungen werden bereits gesenkt. Die Wettermärkte beginnen und dürften in den kommenden Wochen die Preise weiterhin erheblich schwanken lassen, so der Tenor.
Frost trifft Raps
Das gilt nicht zuletzt auch für den Raps, der nach den frostigen Tagen in dieser Woche vor allem in Osteuropa wohl Erntepotenzial verloren hat. Ein Problem, das viele Teilnehmer sahen, ist die frühe Blüte in diesem Jahr. Temperaturen von bis zu minus 8 Grad in Osteuropa, aber auch in Ostdeutschland dürften ihre Folgen haben.
Auch wenn es aktuell danach nicht aussieht, könnte Getreide durch Hitze und Trockenheit noch Probleme bekommen. Die Pflanzen haben im Herbst und Frühjahr viel Regen abbekommen und wurzeln nur flach. Bei hohen Temperaturen können sie deshalb nicht so gut auf Reserven im Boden zurückgreifen. Also könnte auch in Deutschland Trockenheit noch ein Thema werden.
Vorräte hoch
Was das alles für die Preise bedeutet, wurde natürlich auch diskutiert. Viele Händler glauben, dass noch einiges an Getreide auf den Höfen liegt. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich und vor allem für osteuropäische Staaten. Viele Marktbeobachter sehen daher das Preispotenzial nach oben begrenzt. Aktuell sei die Verkaufsbereitschaft in der Landwirtschaft zudem sehr begrenzt. Als Käufer treten derzeit vor allem die Kraftfutterwerke beim Futterweizen in Erscheinung. Aber auch sie berichten von einer geringen Verkaufsbereitschaft.
Marktteilnehmer fahren auf Sicht
Die volatilen Preise und die unsichere politische Lage auf der Welt führen dazu, dass kaum ein Marktpartner wagt, sich mit Geschäften langfristig festzulegen. Die meisten fahren weiterhin auf Sicht, heißt es. Die neue Ernte wird bisher nur selten besprochen. Häufig versuchen Verarbeiter, die noch günstigeren Kurse der alten Ernte für Käufe zu nutzen.
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