Noch knapp sechs Wochen sind es bis zum Ende der Spargelsaison. Trotz bester Spargel-Qualitäten und guter Ernte ist die Spargelsaison bisher jedoch nicht zufriedenstellend, berichtet das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände. Auch die Erdbeersaison habe trotz guter Qualitäten einen schweren Start. Denn wie beim Spargel behielt der Handel Importe von Spargel und Erdbeeren bis Mitte Mai bei, was den Preis für heimische Ware stark gedrückt habe. Zudem hätten teilweise überzogene Preise des Handels für regionalen Spargel und regionale Erdbeeren, zu einer geringeren Kaufbereitschaft beim Kunden geführt.
Regionalität von Lebensmittel steht hinten an
„Wir sind ernüchtert und enttäuscht. Mit Corona, dem Krieg in der Ukraine und der Klimakrise dachten wir, es sollte nun jedem klar geworden sein, wie wichtig die Produktion von Lebensmitteln im eigenen Land ist. Weit gefehlt, der Handel hält bis mitten in die Saison hinein neben dem heimischen Spargel Importware zu Spottpreisen in seinen Regalen. Kaum besser ergeht es den Erdbeeren“, erklärt Simon Schumacher, Vorstand im Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V.
Man importiert Bio-Ware aus weiter Entfernung und lässt den heimischen Anbau gegen die Wand fahren.“
Der Handel importiere Bio-Ware aus weiter Entfernung und lässt den heimischen Anbau gegen die Wand fahren, wohlwissend, dass dies die Existenz der Landwirte gefährdet, und Regionalität und Saisonalität eine Menge CO2 einsparen und das Klima schonen.
Hoher Mindestlohn als Wettbewerbsnachteil
In anderen Ländern sind die Löhne niedriger: Importspargel und Importerdbeeren könnte in Deutschland deswegen günstiger als deutscher Spargel angeboten werden. In Italien gibt es keinen Mindestlohn. In Spanien liege der Mindestlohn bei 6,06 € pro Stunde, in Griechenland bei 3,83 € pro Stunde und in Ungarn bei 3,21. Mit aktuell 9,82 € pro Stunde liege Deutschland hier schon mehr als das 1,5- bis 2,5-Fache höher.
Die aktuelle Situation gebe den Spargel- und Erdbeerproduzenten schon einen bitteren Vorschmack auf das, was sie 2023 mit 12 € Mindeststundenlohn erwartet. „Die Anbauer bezahlen gerne 12 € Stundenlohn, aber dieser setzt faire Preise voraus. Aktuell zeigt sich deutlich, dass die heimische Produktion nicht entsprechend geschätzt und entlohnt wird. Wenn sich die Preise nicht entsprechend des Mindestlohns anpassen, wird das die Existenz vieler Betriebe kosten“, betont Fred Eickhorst, Vorstand im Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V.
Wenn sich die Preise nicht entsprechend des Mindestlohns anpassen, wird das die Existenz vieler Betriebe kosten“ - Eickhorst
Laut der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI), ist das Preisniveau vom Spargel nach Ostern auf allen Handelsebenen zurückgenommen worden. Während die Mengen für das Ostergeschäft nur knapp ausreichend waren, hat sich nach Ostern schnell ein Überangebot aufgebaut. Die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels zeige sich in dieser Saisonphase deutlicher, und die Preise gerieten unter Druck, so der Verband. Laut AMI waren 2021 April und Mai die Monate mit den stärksten Importen von Spargel, vor allem Grünspargel. 2022 liefen in der Kalenderwoche 19 (Mitte Mai) immer noch Angebote im Lebendmitteleinzelhandel für Importspargel. 10 von insgesamt 60 Werbeanstößen entfielen auf Importe, das meiste davon war grüner Spargel.
Inflation bremst Verbraucher beim Einkauf
Zudem waren – bedingt durch die Inflation und die Unsicherheit angesichts der Weltlage – Liebhaber von Spargel und Erdbeeren aus der Region in dieser Saison bisher
zurückhaltender als erwartet. Weswegen die Nachfrage nach Spargel nur zu und an den Ostertagen sehr zufriedenstellend und am Muttertag gut war. Die Nachfrage nach regionalen Erdbeeren war verhalten und nimmt nun erst mit den warmen Tagen zu.
Umfrage: Direktvermarktung gewinnt – Handel verliert
Eine Umfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenanbauer e. V., die vom 10. bis 16. Mai 2022 stattfand und an der 274 Betriebe teilnahmen, zeigt folgendes Bild vom Spargelmarkt: Im Handel geben die Hälfte der Befragten an, dass die Absatzsituation schlecht bis sehr schlecht im Vergleich zu einem durchschnittlichen Jahr läuft. Weniger als jeder fünfte Befragte (17 %) bewertet den Verkauf noch als mittelmäßig, nur 8 % als gut bis sehr gut. Die Gastronomie läuft gut bis sehr gut bei 42 %, bei 35 % mittelmäßig, bei rund 12 % schlecht bis sehr schlecht.
Die Direktvermarktung wird zu knapp einem Viertel der Befragten als gut bis sehr gut bewertet und mehr als die Hälfte der Befragten geben an, dass der Verkauf mittelmäßig verläuft. Das letzte Viertel bewertet den Verkauf über die Direktvermarkter als schlecht bis sehr schlecht.
Was den Erdbeermarkt betrifft, so bewerten 42 % der Anbauer den Absatz in der Direktvermarktung als gut bis sehr gut und rund 46 % als mittelmäßig und knapp 10 % als schlecht bis sehr schlecht. Beim Handel ist die Lage nach den Befragten viel schlechter: nur 10 % bewerten den Absatz als gut bis sehr gut, 29 % als mittelmäßig und 30 % als schlecht bis sehr schlecht. Den Absatz über die Gastronomie bewerten knapp 12 % der Erdbeerproduzenten als gut bis sehr gut.
In der Direktvermarktung konnten Erdbeeranbauer zu 36 % die anvisierten Preise erreichen, 43 % konnten sie teilweise durchsetzen. Beim Handel konnten nur 4 % ganz und 15 % teilweise die Erdbeerpreise durchsetzen.