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topplus Interview mit AGES-Expertin Katharina Wechselberger

Wie bringt man den Drahtwurm unter Kontrolle?

Das Projekt „Drahtwurm Control“ erforscht verschiedene Maßnahmen gegen den Schädling im Erdäpfelanbau. Wir haben mit AGES-Expertin Katharina Wechselberger gesprochen, was davon wirklich hilft.

Lesezeit: 7 Minuten

Er zerstört Jahr um Jahr Hunderte Tonnen an Kartoffeln. Nun erforscht ein breit angelegtes Forschungsprojekt mögliche Maßnahmen gegen den Schädling. Wir haben mit AGES-Expertin Katharina Wechselberger, Abteilung für nachhaltigen Ackerbau,gesprochen, was davon wirklich hilft.

Frau Wechselberger, Sie beschäftigen sich seit über einem Jahrzehnt mit dem Drahtwurm. Warum ist es so schwer, Schäden vorherzusagen?

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Wechselberger: Die Arten, die im Acker- und Gemüsebau Schäden verursachen, sind Wiesenbewohner. Sie verpuppen sich nach drei bis fünf Jahren im Boden. Drahtwürmer der Gattung Argiotes gelten als wichtigste Schad­arten. Im Waldviertel verursachen aber Drahtwürmer der Gattungen Melanotus, Hemicrepidius oder Selatosomus die Hälfte aller Schäden. Jede Drahtwurmart hat andere Umweltansprüche und Verhaltensweisen. Dadurch sind Schäden schwer vorherzusagen. Das Schadpotenzial hängt außerdem nicht nur von der Anzahl der Drahtwürmer im Boden ab, sondern auch von ihrem Entwicklungsstadium. Drahtwürmer sind in den Flächen sehr ungleichmäßig verteilt. Auch der Anteil des Grünlandes in der Umgebung wirkt sich auch auf den Drahtwurmdruck aus. Dazu kommt: ist der Oberboden zu trocken, zu feucht oder zu heiß, weicht der Drahtwurm in die Tiefe aus. Das alles macht es Landwirten und Forschenden schwer.

Wie groß waren die Schäden im ­Kartoffelbau im vergangenen Jahr?

Wechselberger: Im Jahr 2022 gab es im Waldviertel etwas stärkere Schäden als im Jahr 2021. Im Weinviertel gab es nur punktuell Schäden, aber auch einzelne Flächen mit 100 % Ausfall. Insgesamt war es allerdings ein durchschnittliches Jahr mit 5 bis 10 % Ausfall bei Speise- und Speiseindustrie­kartoffeln. Das klingt wenig, doch ­damit könnte man 600.000 Österreicher ein Jahr lang versorgen. Wir beobachten, dass in konventionellem und ­biologischem Anbau das Problem annähernd gleich groß ist.

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Der Drahtwurm sorgt jährlich für Ernteausfälle von 5 bis 10 %. Damit könnte man 600.000 Österreicher ein ganzes Jahr mit Erdäpfeln versorgen.

Das Projekt „Drahtwurm Control“ prüft Maßnahmen auf unterschiedlichen Flächen in unterschiedlichen Regionen.

Eine intensive Bodenbearbeitung hat eine bessere Wirkung als eine reduzierte.

Regulierungsmaßnahmen müssen in der gesamten Fruchtfolge erfolgen, nicht nur in der betroffenen Kultur.

Spezielle Pilze sollen den Drahtwurm abtöten, sind aber noch nicht zugelassen.

Sie erforschen gerade im Projekt „Drahtwurm Control“, was gegen den Drahtwurm hilft. Wie läuft das ab?

Wechselberger: Wir testen alle verfügbaren Maßnahmen auf möglichst vielen Flächen, in verschiedenen Anbau­regionen. Die Maßnahmen sind Bodenbearbeitung, chemisch-synthetische Insektizide, insektenpathogene Pilze, Fruchtfolge und Bodenhilfsstoffe. Im Wein- und Waldviertel, im Marchfeld und in Oberösterreich führen wir zweijährige Praxisversuche durch. Dabei setzen wir im Jahr vor dem Anbau oder beim Legen der Kartoffeln jeweils Maßnahmen gegen den Drahtwurm. Im darauffolgenden Jahr sehen wir uns an, ob und wie sie wirkten. Bei allen Versuchen werten wir zudem aus, ob die Maßnahmen leistbar und in der täglichen Praxis einsetzbar sind. Nahe der landwirtschaftlichen Fachschule in Hollabrunn führen wir einen großen Parzellenversuch über einen Zeitraum von fünf Jahren in einer praxisüblichen Fruchtfolge durch. Solche Langzeitstudien sind sehr wichtig, weil man so auch die Faktoren Niederschlag und Witterung mit ansehen kann.

Können sich auch Landwirte mit ­ihrer Praxiserfahrung einbringen?

Wechselberger: Die Forschung war schon lange am Drahtwurm dran, jedoch nie in so enger Zusammenarbeit mit der Praxis. „Drahtwurm Control“, das vom Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft und den Ländern ­finanziert wird, ist in Österreich das erste Langzeit-Forschungsprojekt, das Maßnahmen gegen den Drahtwurm in praxisüblichen Fruchtfolgen untersucht. Landwirte bewerten zum Beispiel, wie praxistauglich Maßnahmen sind und schlagen selbst Maßnahmen vor, die wir prüfen sollten. Im Projekt arbeite ich intensiv mit Landwirten zusammen. Dabei merke ich, wie sehr sich viele bemühen, nachhaltig zu wirtschaften. Sie machen sich viele Gedanken, wollen die Biodiversität nicht zerstören. Sie haben sich auch in der Bevölkerung einen besseren Ruf verdient.

Österreich hat sich als Folge der ­Klimakrise seit Anfang des 19. Jahrhunderts um fast 2° C erhitzt. Wie wirkt sich das auf den Drahtwurm aus?

Wechselberger: Je wärmer es ist, desto größer sind die Schäden bei Kartoffeln. Auch längere Trockenperioden kann man damit in Verbindung bringen. Aber, je wärmer es ist, desto schneller entwickelt sich auch der Drahtwurm. Es gibt eine Hypothese, dass Insekten mehr fressen, wenn sie Durst haben. Denn sie decken ihren Flüssigkeits­bedarf bei der Nahrungsaufnahme. Diese Hypothese stimmt zum gewissen Grad. Ich habe beobachtet, dass Drahtwürmer lieber an Wurzeln als an Knollen fressen. Ist es trocken, sterben die Wurzeln vor der Ernte schneller ab und die Larven gehen an die Knollen. Man vermutet, dass gezieltes Bewässern den Schaden etwas mindern kann. Aber das Wasser ist knapp und nicht überall ist Bewässerung möglich. ­Damit allein wird man Schäden nicht vorbeugen können.

„Die Drahtwurm-Problematik
ist kompliziert. Es gibt keine
Wundermittel! Man muss
verschiedene Maßnahmen
miteinander kombinieren.“

Das Forschungsprojekt „Drahtwurm Control“ startete im Jahr 2020. Was wissen Sie schon?

Wechselberger: Intensive Bodenbearbeitung hat eine bessere Wirksamkeit als reduzierte Bodenbearbeitung. Es ist aber genug, den Boden oberflächlich zu bearbeiten. Man muss nicht ackern, muss nicht wenden. Es reicht, wenn man grubbert und striegelt. Winterbegrünung und im Speziellen die Luzerne hat einen schlechten Ruf in Bezug auf den Drahtwurm. Erste Ergebnisse zeigen aber, dass Winterbegrünung den Befall nicht unbedingt fördert. Es hängt davon ab, wann sie angebaut wird. Je später im Jahr man das tut, desto geringer scheint der Einfluss auf die Drahtwurm-Population. Das erklärt sich aus der Biologie. Die Schnellkäfer legen ihre Eier gerne in Böden ab, die von Pflanzen bewachsen sind, denn die Larven brauchen etwas zu fressen. Die Käfer fliegen allerdings nur bis in den Spätsommer. Baut man die Begrünung danach, etwa im Herbst, an, dann legen sie dort die Eier nicht mehr ab.

Sie testen auch insektenpathogene Pilze gegen den Drahtwurm. Wie funktioniert diese Maßnahme?

Wechselberger: Wir testen Pilze, die aktuell noch nicht gegen den Drahtwurm zugelassen sind. Diese lässt man unter sterilen Bedingungen auf abgekochter Gerste wachsen. Wenn sich die Pilze etabliert haben, bringt man die Gerste mit dem Granulatstreuer aus und arbeitet sie leicht in den Boden ein. Oder man bringt sie vor dem Legen unter die Kartoffel ein. Uns ­interessiert, ob die Pilze auch wirken, wenn es sehr trocken ist. Wir testen auch, ob ein Hydrogel ihnen hilft, bei Trockenheit im Boden länger zu überleben. Was wir auch schon wissen: Bringt man die Pilze im Frühjahr gemeinsam mit der Kultur aus, ist es oft schon zu trocken. Die Pilze sterben ab, der Drahtwurm wandert in tiefere Bodenschichten und überlebt. Wir sind jetzt dazu übergegangen, die insektenpathogenen Pilze im Vorjahr mit der Winterbegrünung ausbringen. So ­überleben sie leichter und da sich die Drahtwürmer in der Wurzelregion der Begrünung aufhalten, kommen diese eher mit dem Pilz in Kontakt. Das kann die Wirksamkeit enorm verbessern. Auch Maßnahmen, die den ­Humusaufbau fördern, fördern insektenpathogene Pilze. Wir werden noch austesten, mit Pilzen behandelte Gerste auf Querdämme zu setzen, die als ­Erosionsschutz dienen. Dazu wird die Pilzgerste mit nicht abgekochter Gerste auf den Querdämmen angebaut. Die Wurzeln stabilisieren den Damm und locken gleichzeitig den Drahtwurm an, die Pilze töten ihn ab.

Was können Sie Landwirten raten?

Wechselberger: Da die Drahtwurm-Problematik so vielschichtig und kompliziert ist, nutzen das viele, um Landwirten „Wundermittel“ wie Düngemittel oder Bodenhilfsstoffe zu verkaufen. Das sehe ich kritisch. Es gibt keine ­einfache Lösung. Man sollte verschiedene Maßnahmen miteinander kombinieren. Das ist eine angepasste Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und je nach Verfügbarkeit und Möglichkeit bo­denwirksame Insektizide. Auch kon­ven­tionell wirtschaftende Landwirte ­müssen das tun. Denn die zugelassenen chemisch-synthetischen Insektizide ­töten nicht alle Drahtwürmer ab.

Wie geht es nun weiter mit dem ­Forschungsprojekt?

Wechselberger: Wir erwarten im Herbst dieses Jahres weitere spannende Ergebnisse. Im Jahr 2025 werden wir einen Empfehlungskatalog für Landwirte und landwirtschaftliche Berater veröffentlichen. Er soll für jede Region beantworten: Welche Maß­nahmen haben gewirkt und mit welchem Wirkungsgrad? Wie wirtschaftlich sind die Maßnahmen? Wie prak­tikabel und nachhaltig sind sie?

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