“Entsetzt und verärgert“ zeigte sich die heimische Geflügelwirtschaft in einer ersten Reaktion auf die kürzlich veröffentlichten Recherchen der Initiative oekoreich, wonach im österreichischen Lebensmittelhandel ausländisches Putenfleisch aus tierquälerischer Haltung vermarktet werden soll. In den Enthüllungen wird dem großen italienischen Geflügelproduzenten und -vermarkter AIA - der bereits vor zwei Jahren durch Berichte über gravierende Tierrechtsverstöße für mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat u. a. der Einsatz von “Toe Trimming“ vorgeworfen.
Bei dieser Methode werden Küken kurz nach dem Schlupf mittels Mikrowellentechnologie die Zehen verödet, damit sich die Tiere bei dichter Belegung im Stall nicht verletzen und so die Schlachtkörperqualität trotz der beengten Haltungsbedingungen unbeeinträchtigt bleibt. In Österreich ist dieses “Toe Trimming“ nach dem Bundestierschutzgesetz verboten und wird von der Geflügelwirtschaft Österreich (GWÖ) auf das Schärfste verurteilt. Dazu GWÖ-Obmann Markus Lukas: “Toe Trimming ist unethisch und die perverse Konsequenz einer viel zu dichten Haltung. Wir wollen und brauchen so etwas bei uns nicht. In unseren Ställen haben die Puten um bis zu 70% mehr Platz und leben dadurch nachweislich gesünder, was sich auch am massiv gesunkenen Antibiotikaeinsatz festmachen lässt.“
Tierleid auslisten
Heimisches Putenfleisch stehe für höchste Qualität und erfülle höchste gesellschaftliche Ansprüche an Tier- und Umweltschutz, so Lukas. Putenhaltung in Österreich erfolge ausschließlich an landwirtschaftlichen Familienbetrieben in überschaubaren Größen, wo die Tiere täglich von Bäuerinnen und Bauern sorgsam betreut würden. Darüber hinaus würden sich verpflichtende Betreuungstierärztinnen und -ärzte um die Gesundheit jeder Herde kümmern, so der GWÖ-Obmann.
Seitens der Geflügelwirtschaft fordert er die Einkäufer des Handels daher auf, den Import von Putenfleisch aus tierquälerischer Haltung sofort zu stoppen und nur mehr Putenfleisch einzukaufen, das den in Österreich geltenden Standards entspricht. “Die Einkäufer des Lebensmittelhandels tragen eine große Verantwortung, legen sie doch fest, was letztendlich in den Einkaufstaschen landet. Ob bei der Haltung der Tiere die Bestimmungen des Bundestierschutzgesetzes eingehalten wurden, spielt bislang für viele davon offenbar keine Rolle. So wird durch die Billigkonkurrenz heimisches Putenfleisch immer mehr aus den Regalen verdrängt“, so Lukas. Trotz intensiver Bemühungen der heimischen Politik konnten in Brüssel bislang noch immer keine EU-weit einheitlichen Mindeststandards für die Putenhaltung festgelegt werden. “Darin liegt das Grundproblem der unfairen Wettbewerbssituation für heimische Putenbauern“, zeigte sich der GWÖ-Obmann verärgert.
Einkäufer tragen große Verantwortung
Eine “Schieflage orten die heimischen Interessenvertreter auch in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung, z.B. in Kindergärten, Schulen oder Krankenhäusern. Statt sich zu den hohen österreichischen Standards zu bekennen, die auch im nationalen Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung festgeschrieben wurden, wird in vielen Einrichtungen nach wie vor nach dem “Billigstbieterprinzip“ ausländische Billigware eingekauft. Anders sei der schwache Absatz von heimischem Putenfleisch in der Gemeinschaftsverpflegung nicht zu erklären.
Durchgängige Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsform gefordert
Der Import von Billigfleisch aus bei uns gesetzlich verbotener Haltung verunsichere die heimischen Konsumenten - und schädige so die heimische Putenhaltung doppelt, meint Lukas. “Wenn man der tier- und umweltfreundlichen Putenhaltung in Österreich eine Chance geben will, dann muss das Fleisch hinsichtlich Herkunft und Haltungsform überall korrekt gekennzeichnet werden“, forderte der GWÖ-Obmann. Ohne ausreichende Kennzeichnung könnten sich die Österreicherinnen und Österreicher nicht bewusst für hochwertige heimische Qualität entscheiden.
In der Gastronomie würden viele Gastwirte die Herkunft des Fleischs bereits freiwillig und im Interesse der Transparenz ausweisen. “Aber dort, wo die Herkunft nicht ausgewiesen wird, muss man als Gast mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass leider Billigprodukte aus einer Tierhaltung verarbeitet werden, die in Österreich aus Tierschutzgründen verboten ist“, stellte Lukas abschließend fest.