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Vollgas für Biogas

Auferstehung für die Biogas-Branche: Mit dem Entwurf des neuen EGG soll die heimische Produktion von Biogas, aber auch erneuerbaren Wasserstoff, massiv ausgebaut werden.

Lesezeit: 7 Minuten

Schade, dass es eine Krise braucht, bis sich endlich etwas bewegt“, erklärt Paul Berner, Obmann der Biogasanlage „Graskraft Steindorf“, zum plötzlichen Schwenk der Regierung in Sachen Biogas. Die als Genossenschaft geführte Anlage in Straßwalchen (Bezirk Salzburg Land) ging bereits 2011 in Betrieb und produziert zwischen 8 und 10 GWh im Jahr an erneuerbarer Energie durch Biogas.

Abhängigkeit vom Milchpreis verringern

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Motivation war das Aufbauen eines zweiten Standbeins für Landwirte, die Teile ihrer Grünlandflächen nicht mehr für die Tierhaltung einsetzen konnten oder wollten. Berner selbst hat einen Milchviehbetrieb mit 100.000 l Jahresproduktion. Er war von Anfang an überzeugt davon, dass die Energiewende eine Möglichkeit ist, die Abhängigkeit vom Milchpreis zu verringern und eine resilientere, regionale Landwirtschaft aufzubauen.

In Steindorf verkauft er nun gemeinsam mit 81 Genossenschaftsmitgliedern, davon 75 Landwirte, das Biorohgas direkt an die Salzburg AG, also an den zuständigen Gasversorger. Die Salzburg AG reinigt das Rohgas in einem weiteren Schritt zu Biomethan auf, das dann ins Netz eingespeist wird. Hierbei müssen vor allem Schwefelwasserstoff und Ammoniak entfernt werden.

Gezahlt wird je nach Methangehalt im Rohgas mit derzeit 65 €/MWh. Entscheidend ist also der Brennwert des Gases. Dabei schafft die Gaskraft Steindorf im Schnitt 100 bis 120 m³ Biomethan pro Stunde und läuft bis auf zwei Revisionstage im Jahr durch. Die Technik ist mittlerweile erprobt, der Prozess läuft routiniert und wird auch weiterhin optimiert. Was sich im letzten Jahrzehnt allerdings nicht weiterentwickelt hat, war der passende wirtschaftliche Rahmen. Die Preise für regional produziertes, grünes Gas konnten mit den billigen Gasimporten aus Russland um etwa 4 Ct/kWh nicht konkurrieren. Dafür hätte es gezielte Förderungen mit einem klaren politischen Willen gebraucht, wie er für Ökostrom bereits vor zehn Jahren greifbar wurde.

Mehr Planungssicherheit

Mit dem neuen EGG scheint nun die Zeit für die erneuerbaren Gase gekommen zu sein. Seit der Ukraine-Krise nahm die Bedeutung von Unabhängigkeit in der Energieversorgung rapide zu. Mit dem Doppelziel von Klimaschutz und regionaler Energieversorgung werden nun auch erneuerbare Gase, neben PV und Windanlagen, als Zugpferde der Energiewende eingesetzt.

Bis 2030 sollen jährlich mindestens 7,5 TWh an heimischem Biogas erzeugt werden. Der bedeutsamste Hebel dabei ist die verpflichtende Grüngas-Quote für Gasversorger: Sie müssen ihre Kunden in Österreich bis 2030 mit mindestens 7,7 % grünem Gas versorgen. Berner würde sich dabei über höhere Biogas Preise freuen, denn bisher fuhr die Anlage in Steindorf relativ konstant über die letzten Jahre eine schwarze Null, und das trotz eines Jahresumsatzes von knapp 700.000 €.

Die Landwirte bekommen derzeit für eine Lieferung Gras 100 €/t. Steigende Biogaspreise würden eine Anhebung dieser Vergütung bedeuten und die Grünlandwirtschaft für Landwirte attraktiver machen. Außerdem stehen einige sinnvolle Investitionen an, die mit zusätzlichem Gewinn umsetzbar wären, wie eine Vergrößerung der Anlagenkapazität auf 15 GWh/a, die Installation von PV-Modulen für den Eigenstrombedarf sowie ein Experimentierraum mit Elektrolyseur für die Herstellung von Wasserstoff.

Grüne Energie aus Abfall

Kaum ein System im Kontext der Energiewende verwirklicht das Kernkonzept der Kreislaufwirtschaft so gut wie die Biogasproduktion. Die eingesetzte Biomasse kommt von Ernteresten oder Grünlandflächen und steht somit in keiner Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Auch organische Abfälle aus Gewerbe und von Haushalten können verwendet werden.

Durch den Gärprozess wird Kohlenstoff in der Biomasse methanisiert und ein fruchtbarer Gärrest bleibt im Fermenter zurück. Dieser wird den Landwirten als Biodünger zur Verfügung gestellt. Ein Teil der abgeführten Biomasse kehrt so in qualitativ hoch­wertiger, stabiler Form auf die Felder und Wiesen zurück. Im Fall der Anlage in Steindorf konnten manche Landwirte den Hektarertrag so von etwa 8 t auf 12 t Gras im Jahr steigern.

„Der Fokus von Biogas hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert“, erklärt Franz Kirchmeyr, Fachbereichsleiter Biogas vom Kompost & Biogas Verband Österreich. „Früher wurde noch flächenweise Silomais und später Körnermais als Energiepflanze für die Biogasproduktion angebaut. Spätestens seit der ‚Tank oder Teller‘-Diskussion ist diese Option vom Tisch. Mit dem heutigen Aufkommen von organischen Abfällen aus Landwirtschaft, Gewerbe und Haushalten lässt sich das Ausbaupotenzial aber locker erreichen.“

Außerdem soll das grüne Gas als Endprodukt gefördert werden und nicht wie vor 20 Jahren der damit erzeugte Grünstrom, den man heutzutage wesentlich kostengünstiger über PV- und Windanlagen herstellen kann. Dafür bietet Biogasproduktion im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energiequellen eine flexible Leistungsabgabe. Diese Art der bedarfsorientierten Leistungsabgabe ist in Zeiten der volatilen und saisonal schwankenden Stromerzeugung durch erneuerbare Energiequellen ein Anker für die kontinuierliche Versorgungssicherheit und Netzstabilität.

Kleine Biogasanlagen

Biogas ist ein Alleskönner. Angefangen von den zu vergärenden organischen Rohstoffen über die Anlagengröße und -leistung bis hin zu dem zur Verfügung gestellten Endprodukt (Gas, Wärme, Strom, Gärprodukte) bieten Biogasanlagen ein hohes Maß an Flexibilität. Je nach regionalem Aufkommen von organischen Reststoffen sowie dem vor Ort anfallenden Bedarf an Strom, Gas und Wärme, können Biogasanlagen auf diese Rahmenbedingungen hin konzipiert werden. Somit machen auch kleinere Anlagen im Bereich von 100 bis 200 kW Sinn.

Ein Pionier der Biogas-Kleinanlagen ist Franz Ratheiser, ehemaliger Milchviehhalter in Kaltenbrunn bei Zwettl, der 2003 bereits den Weg in die Biogas-Zukunft begonnen hat. Nach umfangreicher Recherche, Planung und Abschluss des Betreiberkurses ging seine Anlage 2005 in Betrieb. „Ein Fermenter ist kein Selbstläufer. Die Bakterien reagieren empfindlich auf Temperaturschwankungen oder Änderungen im Futtersubstrat, da muss man jeden Tag zumindest einmal reinschauen“, empfiehlt Ratheiser. Die optimale Wohl­fühltemperatur seines Fermenters liegt bei etwa 44 °C. Gefüllt wird er drei­mal pro Woche aus einem 35 t-Vorrats­behälter. Mit einem Generator und einem 124 kW-Motor wandelt Ratheiser sein Biogas in Strom um. Die anfallende Abwärme versorgt über ein selbst gebautes Fernwärmenetz sieben Zweifamilienhäuser mit Wärme und Warmwasser.

Hohes Risiko an Börse

Ratheiser ist von der Biogastechnik und deren ökologischem Wert überzeugt. Und er sieht gleich wie Berner als ­wichtigsten nächsten Schritt die An­hebung der Biogaspreise für Erzeu­ger und somit eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Für seinen Strom be­kam er 13 Jahre lang einen gestützten Tarif von 20,5 Ct/kWh, der jedoch 2017 endete. Wie viele andere Anla­genbetreiber stand er damals kurz vor dem Aus.

Nur durch eine nachverhandelte Verlängerung der Preisunterstützung (Nachfolgetarif) und die vollständige Selbstversorgung mit Gras als Rohstoff von den eigenen Wiesen schaffte Ratheiser die schwierigen nächsten Jahre. Seit 2022 wickelt er den Verkauf seines Grünstroms über die Firma Pbeg direkt an der Strombörse ab. Das Risiko ist dabei zwar größer, aber die Gewinnspanne im besten Fall ebenso.

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Wer Quote nicht erfüllt, muss Strafe zahlen

Ab 2030 sollen jährlich min. 7,5 TWh an heimischem Biomethan ins Gasnetz eingespeist werden. Die Energieversorger müssen sicherstellen, dass sie ihre Kunden mit mindestens 7,7 % grünem Gas versorgen. Dieser Anteil steigt bis zum Erreichen des Ziels jährlich. Für die Quotenerfüllung zählen dabei aber nur Biomethan und erneuerbarer Wasserstoff, die in Österreich erzeugt werden.

Damit soll die Biomethanproduktion in Österreich in den kommenden acht Jahren von derzeit 0,14 TWh auf 7,5 TWh erhöht werden. Das Gesetz sieht Sanktionen vor, wenn Versorger ihre Quote nicht erreichen. Pro fehlende Kilowattstunde müssen sie bis zu 20 Cent als Ausgleichsbeitrag zahlen. „Für die Versorger ist der Gesetzesentwurf eine richtige Keule“, bemerkt der Biogasanlagenbetreiber Paul Berner dazu. „Hätte man früher begonnen, zum Beispiel gleichzeitig mit den Ökostromförderungen, auch erneuerbare Gase mitzunehmen, würde es diese Maßnahmen jetzt nicht brauchen.“ Die Anlagenbetreiber selbst steigen besser aus. Im Gesetz ist ein befristetes Sicherheitsnetz vorgesehen, das garantiert, dass die produzierten Mengen auch abgenommen werden.

Die Regierung hat damit den Turbo für erneuerbare Gase eingelegt. Ein Spätzünder, aber dafür mit Wirkung. Weshalb erneuerbare Gase allerdings über ein Quotenmodell und nicht wie bei Ökostrom über ein Marktprämienmodell gefördert werden, ist nicht ganz nachvollziehbar. Einig sind sich die Branchenvertreter aber alle, dass mit dem EGG ein langersehnter und dringend notwendiger Meilenstein ins Rollen gebracht wurde. Dabei bleibt eine Forderung noch offen: Die Befreiung von grünem Biogas von der Erdgasabgabe und CO2-Steuer.

Anja Rautnig

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