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Aggressive Reaktionen

Insekten als Lebensmittel – Verschwörungsanhänger wittern Umerziehung der Bürger

Beim Thema Insektenprotein als menschliche Nahrung gehen die Meinungen auseinander. Kurios sind jedoch Behauptungen, die einen großen staatlichen Plan wittern. Experten klären auf.

Lesezeit: 4 Minuten

Einige Personengruppen machen seit einiger Zeit Stimmung gegen Insektenprotein in der Ernährungsbranche. Die Gegner warnen dabei nicht nur vor Gesundheitsgefahren durch das Enzym Chitinase, sondern sehen auch den Staat hinter alle dem.

Angeblich versuche dieser, die Menschen abhängig zu machen. Das von oben angeordnete Essen von Insekten solle Nahrungsmittel wie Fleisch, Gemüse und Obst ersetzen, heißt es. Das NDR-Magazin Visite berichtet, dass die Anhänger an eine geheime Elite glauben, die Zukunftspläne schmiede, in der die Menschen nichts besäßen und nur Insekten äßen. "Durch diese Verschwörungserzählung wird der politische Feind dämonisiert", sagte Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) in der Sendung.

In den vergangenen Jahren habe das Thema noch einmal an Fahrt aufgenommen, weil die EU inzwischen vier Insektenarten als Lebensmittel zugelassen hat. Als erstes erhielt der getrocknete Mehlwurm im Mai 2021 die Zulassung. Es folgten die Wanderheuschrecke, der Buffalowurm und die Hausgrille, für die auch teilweise entfettetes Pulver zugelassen ist.

Insektenprotein sicher und Insekten sehr gesundheitsfördernd

Vor der Zulassung als Lebensmittel geprüft hat sie die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Zu den sogenannten "neuartigen Lebensmitteln" fallen jene Nahrungsmittel, die in der EU vor Mai 1997 nicht in größeren Mengen konsumiert wurden.

Alle Experten, wie auch Prof. Andreas Vilcinskas vom Institut für Insektenbiotechnologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, bestätigen, dass es keine bekannten Schäden durch den Verzehr von Insekten gibt, so NDR Visite weiter. Ganz im Gegenteil: So sei beispielsweise das Eiweiß aus Insekten sehr gesundheitsfördernd. Auch die UN-Ernährungsorganisation FAO verweist auf verschiedene Studien, die den gesundheitlichen Nutzen von Entomophagie belegen.

Neben den hochwertigen Proteinen enthalten Insekten beispielsweise auch Ballaststoffe sowie Mikronährstoffe wie Eisen, Magnesium und Zink. Unter anderem in Asien werden Insekten für den Verzehr genutzt und sind normaler Bestandteil des Lebensmittelangebots.

Keine Sorge vor Inhaltsstoffen

Auch die Behauptung, Chitin könne Krankheiten auslösen, sei aus verschiedenen Gründen falsch, sagt Vilcinskas. So kämen keine geschredderten Insekten in unsere Lebensmittel, sondern in der Regel die Fette und die Eiweiße daraus. Die würden gezielt abgetrennt.

Ebenso sei das Enzym Chitinase kein Problem. Der Verzehr von Insekten habe gar keinen Einfluss auf den Chitinasespiegel im Körper, wie Wissenschaftler der Nachrichtenagentur AFP sagten. Die hohen Chitinasewerte bei einigen Krankheiten seien nicht deren Ursache, sondern lediglich deren Begleiterscheinungen, die als diagnostischer Marker genutzt würden.

Übrigens müssen Insekten in Lebensmitteln in der Zutatenliste deklariert werden. Dabei sei auch angegeben, in welcher Form das Insekt verwendet wurde. Auch Hinweise auf mögliche allergische Reaktionen bei Menschen mit einer Allergie gegen Krebs- und Weichtiere sowie gegen Hausstaubmilben müssen aufgeführt sein. Die Behauptung, das werde uns heimlich untergemischt, stimmt also nicht.

Thema Fleisch ist hochemotional

Schnell entsteht Gegenwehr, wenn es um das Thema Fleischreduktion geht. Laut dem Magazin sollen die Menschen aber gar nicht gezwungen werden, Insekten zu essen. Sie seien allerdings eine sinnvolle Alternative.

Das jedoch wird laut Dittrich als Angriff gesehen. Niemand wolle das Steak verbieten. Die Abwehrhaltung führe jedoch schnell zu Aggression, um sich nicht mit den Konsequenzen des eigenen Handelns auseinanderzusetzen.

Eigenes Weltbild zusammengebastelt

Bereits durch das erhöhte Angebot an Sojaprodukten wurde die Verschwörungserzählung um den sogenannten Soy boy, also Soja-Jungen, verbreitet, erinnert der NDR. In rechtskonservativen Kreisen heißt es demnach, dass erhöhter Sojakonsum Ursache für männliche Feministen ist.

Solche Beispiele zeigen aus Sicht von Dittrich die grundlegenden Dynamiken von Verschwörungserzählungen. "Eine mögliche Alternative für ein grundsätzliches Problem wird so umgedeutet, dass es ins eigene Weltbild passt. Es ist die totale Simplifizierung von der Welt: Anstatt sich mit irgendwelchen komplexen Themen wie der Bedeutung des Fleischkonsums mit Blick auf den Klimawandel auseinanderzusetzen, wird lieber direkt eine Verschwörung vermutet."

Ihre Meinung?

Was halten Sie davon, dass die EU zunehmend Insekten als neuartige Lebensmittel zulässt? Verdrängen die irgendwann unseren Fleischkonsum oder bleibt das eine Nische? Ich freue mich auf Ihre Mail an deter@topagrar.com. Wir behalten uns vor, Ihre Nachricht ggf. gekürzt als Leserbrief zu veröffentlichen.

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