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Reststoffe nutzen, Einkommen in "schlechten" Jahren sichern

Ob Stroh, Spelzen, Gras von Baumwiesen oder Rückschnitte von Gehölzen - in der Landwirtschaft fallen viele Rest- und Nebenstoffe an. Wie lassen sich diese gewinnbringend nutzen?

Lesezeit: 8 Minuten

Unsere Gesprächspartnerin ist Dr. Evelyn Reinmuth, die sich mit Bioökonomie an der Universität Hohenheim beschäftigt.

Was können landwirtschaftliche Betriebe tun, um sich an der Wertschöpfung der Bioökonomie zu beteiligen? Der Anbau von z. B. Miscanthus liegt nahe, doch ohne vorhandene Infrastruktur oder Partner stellt sich das schwierig dar.

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Dr. Evelyn Reinmuth: Mögliche Rohstoffe fallen in allen Produktionsschritten an. Dabei kommt es darauf an, welchen Teil der Pflanze man für welche bioökonomische Verarbeitung verwenden möchte.Je nach Pflanzenart können auf dem landwirtschaftlichen Betrieb nochmal genauso viele Rohstoffe für die stoffliche oder energetische Verwertung aus Nebenströmen der Nahrungsmittelerzeugung anfallen. In der Getreideproduktion entsteht etwa genauso viel Stroh wie Körner. Zwar benötigt man einen Teil dieser Nebenströme zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, aber ein Teil kann auch sinnvoll anders verwertet werden.

Nebenströme aus den „Früchten“ der Pflanze – also den Lebensmittelrohstoffen, fallen hauptsächlich auf der ersten Verarbeitungsstufe an, weil die Landwirte und Landwirtinnen die Ernteprodukte in der Regel als Rohware abgeben. Hier kann man das Potenzial an den ungefähren Erntemengen abschätzen.

Das Spannende ist, sich gedanklich und praktisch mit der stofflichen Nutzung der Ganzpflanze auseinanderzusetzen."

Das Spannende ist, sich gedanklich und praktisch mit der stofflichen Nutzung der Ganzpflanze auseinanderzusetzen. Hier besteht das große Potenzial zu verstehen, welche wertgebenden Inhaltsstoffe in der Pflanze und ihren einzelnen Teilen enthalten sind. Der Vorteil ist, dass diese Stoffe zum Teil schon zum Zeitpunkt in der Pflanze sind, wenn die Frucht noch nicht reif ist. Daher können hier interessante Möglichkeiten entstehen, sollte es mal ein „schlechtes“ Jahr geben, durch neue technische Verfahren die Inhaltsstoffe stofflich zu verwerten und finanziellen Ausgleich zu schaffen.

Grundsätzlich geht es darum, dass die Landwirte und Landwirtinnen die Ganzpflanze unter die Lupe nehmen und sich darüber informieren bzw. darüber informiert werden, was man daraus gewinnen kann. Für die Nutzbarmachung der Ganzpflanze bzw. ihrer einzelnen Teile wie Stängel, Blätter oder auch Wurzeln (z.B. bei Gemüse) sind die Verarbeitungsmöglichkeiten tatsächlich oft noch nicht dezentral in der Fläche vorhanden, dort wo die Rohware anfällt. Deshalb besteht nun die Chance für Landwirte, hier aktiv zu werden und mit potenziellen Verarbeitern die Zukunft gemeinsam zu gestalten, so dass es auch für ihre Betriebe am besten ist – ökonomisch, ökologisch und auch sozial.

Das ist auch deshalb wichtig, weil die Landwirte diejenigen sind, die sich am besten mit der Lagerung der Pflanzenteile auskennen bzw. der Herstellung der Lagefähigkeit. Ebenso verhält es sich gegebenenfalls mit der Logistik. Hier sind die Netzwerke der Landwirtinnen und Landwirte gefragt.

Konkurrenzsituationen vermeiden

Gibt es Nebenprodukte aus der Landwirtschaft (Getreidestroh, Holzreste etc.), in denen Sie besonderes Potenzial für die Bioökonomie sehen? Auch monetär? Treten diese Stoffe nicht womöglich in Konkurrenz zur herkömmlichen Nutzung (Einstreu, Dünger usw.)?

Reinmuth: Die Problematik der Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion ist ein vielschichtiges Thema.Das Ziel einer nachhaltigen und zirkulären Bioökonomie ist die vollständige Nutzung der Pflanze mit all ihren Teilen und dies so, dass die wertgebenden Inhaltsstoffe der jeweiligen Pflanzenteile verwertbar gemacht werden durch Ernte, Extraktion oder andere technische Verfahren. Am Ende bleibt idealerweise immer noch ein nährstoffreicher Rest übrig, der entweder direkt in die Kompostierung geht oder über die Biogasanlage noch energetisch verwertet wird und danach als Nährstoff wieder für die landwirtschaftliche Produktion zur Verfügung steht.

Die Konkurrenzsituation entsteht aber vor allem dann, wenn man versucht, die natürlichen Rohstoffe in der Industrie als vollständiges Substitut einzusetzen, also 1:1 erdölbasierte Rohstoffe ersetzt, ohne zum Beispiel darüber nachzudenken, wie man Rohstoffe besser recyceln und damit länger im Kreislauf halten kann. Für biobasierte Lösungen müssen die Prozesse neu überdacht und nachhaltigere Lösungen kreiert werden. Dies trägt entscheidend dazu bei, dass diese Rohstoffe nicht als Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass man die für die Nahrung geeigneten Inhaltsstoffe und Teile auch für die Nahrungsmittelproduktion einsetzt und den Rest der Pflanze für die industrielle Verwertung erschließt.

Nun zu den besonderen Rohstoffpotenzialen: Mengenmäßig sind es tatsächlich Ausgangsstoffe wie Stroh, Spelzen, aber auch Gras von Baumwiesen oder Rückschnitte von Gehölzen, die in der Masse vorhanden sind.Doch die Menge allein bestimmt noch nicht das Potenzial für die Bioökonomie. Bei natürlichen Rohstoffen geht es vielmehr um die Verfügbarkeit und Zustand des Ausgangsstoffes und daraus ergibt sich die Qualität der darin enthaltenen Inhaltsstoffe.

Diese sind Fasern, Proteine, Fette/Öle, Zucker, Stärke oder Cellulose. Jeder dieser Inhaltsstoffe für sich genommen ist multifunktional, also für viele Anwendungen einsetzbar. Doch je nach Anwendung kommt es stark auf die Qualität/Reinheit des Stoffes an. Auch eine Kombination von verschiedenen Fasern oder Proteinen in der Weiterverarbeitung ist nicht so einfach möglich, unabhängig davon, ob es sich um die Herstellung von Lebensmitteln handelt oder ein Industrieprodukt.

Beispielsweise kann man aus Salatfasern Verpackungen herstellen. Doch wären Salatfasern als Ausgangsstoff für hochwertige Garne einsetzbar?

Rohstofflieferant vs. selbst Verarbeiter werden

Wo sehen Sie die Rolle der landwirtschaftlichen Betriebe in der Bioökonomie – lediglich als Rohstofflieferanten oder sollten sie selbst einen größeren Teil der Wertschöpfungskette in die Hand nehmen?

Reinmuth: Viele Landwirtinnen und Landwirte wollen vielleicht nicht unbedingt direkt auf dem Betrieb mit einer Verarbeitung aktiv werden, weil Platz oder Zeit fehlt oder die finanziellen Mittel dafür nicht vorhanden sind. Daher ist die Rolle eines Rohstofflieferanten völlig in Ordnung, sofern die Verarbeiter ihnen die Rohstoffe entsprechend entlohnen.

Deshalb besteht nun die Chance für Landwirte, hier aktiv zu werden und mit potenziellen Verarbeitern die Zukunft gemeinsam zu gestalten."

Im Projekt ReBioBW unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Franziska Schünemann von der Uni Hohenheim erheben wir genau deshalb überhaupt erst einmal, was an Pflanzenteilen und sonstigen Reststoffen aufgrund der üblichen Produktionsaktivitäten der Landwirte vorhanden ist – also regelmäßig anfällt und somit planbar verfügbar ist. Die aufbereiteten Ergebnisse werden für die Landwirte nutzbar gemacht und können dabei unterstützen, Verarbeitungsmöglichkeiten zu schaffenund abzuschätzen, welche Verarbeitungsschritte auf dem eigenen Hof sinnvoll sein könnten.

Was können Landwirtinnen und Landwirte tun?

Reinmuth:Es ist wichtig, dass die Landwirte verstehen, welche wertgebenden Inhaltsstoffe in den einzelnen Pflanzenteilen, die sie von ihren Flächen ernten, enthalten sind. Doch noch nicht alle potenziell nutzbaren Pflanzenteile sind bestens erforscht. Hier besteht die Möglichkeit, als Landwirt eine Kooperation mit den Forschungsinstituten einzugehen, um mehr zu erfahren.

Gespräche mit innovativen Start-ups aus der Bioökonomie Szene, beispielsweise bei einer Betriebsbesichtigung können aufzeigen, was möglich ist und vielleicht sogar neue Verarbeitungsgemeinschaften ausloten. In unserem Projekt BLITZ-Bioökonomie für die Landwirte der Zukunft haben wir bei der Erstellung eines Bioökonomie Lehrmoduls für die Baden-Württembergischen Fachschulen tolle Beispielunternehmen zusammengetragen.

Es ist wichtig, dass die Landwirte verstehen, welche wertgebenden Inhaltsstoffe in den einzelnen Pflanzenteilen, die sie von ihren Flächen ernten, enthalten sind."

Wer die Verwertung von Pflanzenteilen für die stoffliche Nutzung ins Auge gefasst hat, für den oder die geht es darum herauszufinden, zu welchem Zeitpunkt Pflanzenteile für die stoffliche Nutzung aus bestehenden Kreisläufen bestmöglich herausgetrennt werden, um diese für die Extrahierung der relevanten Inhaltsstoffe zur Verfügung zu stellen.

Dies kann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb geschehen, wenn es sich z.B. um Ölpflanzen handelt. Bei Faserpflanzen wiederum kann eine Trocknung auf dem Feld sinnvoll sein, um die trockenen Pflanzenteile zur Weiterverarbeitung zu liefern.

Es ist richtig, dass die jeweils benötigte Infrastruktur in vielen Fällen noch nicht überall vorhanden ist, weil gerade die stoffliche Nutzung auch noch nicht überall in der Landwirtschaft als mögliche Nutzung der verschiedenen Pflanzenteile angekommen ist. Es müssen ja auch erst noch Märkte für die jeweiligen Extraktionsstoffe entstehen – dies ist aber derzeit alles im Umbruch und ein hochdynamischer Markt.

Welche Beispielprojekte und Ideen gibt es, an denen bereits gearbeitet wird?

Reinmuth:Es gibt einige Beispiele. In Hohenheim veredelt das Fachgebiet für Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe beispielsweise Chicorée-Wurzeln zu Plattformchemikalien oder Gras zu Proteinfuttermitteln.

Es gibt aber auch ein Förderprojekt, das die Stängel und Blätter von Paprika verwertet und enthaltene Stoffe für die Kosmetikindustrie nutzbar machen will. Oder: Apfeltrester kann zu Leder verarbeitet werden und Spargelschalen werden in einem Forschungsprojekt aus Hannover derzeit als Holz-Kunststoff-Verbundstoff erprobt, der beispielsweise in Bodenbelägen zum Einsatz kommen kann.

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