Das Konzept der Bioökonomie zielt darauf ab, geschlossene Kreisläufe aufzubauen, in denen möglichst viel verwertet – und möglichst wenig aus dem Kreislauf abgegeben wird. Gelingen kann das, indem natürliche Nebenströme bzw. Biomasse be- und verarbeitet, mehrfach genutzt sowie recycelt und damit dem Kreislauf zugeführt werden.
Die vom BMBF geförderte Initiative biooekonomie.de stellt in einem Dossier einige Potenzialfelder der Bioökonomie vor. Am Beispiel von Holz lässt sich der Kreislauf veranschaulichen: Aus Cellulose wird Papier, benutztes Papier wird wieder zu Papier, dann zu Dämmmaterial für Gebäude verarbeitet und zum Schluss als Material zur Energiegewinnung verheizt.
Auch Bioraffinerien sind ein Beispiel für Kaskaden- bzw. Doppelnutzung, da das pflanzliche Stoffgemisch Biomasse mithilfe verschiedener Technologien in ein breites Spektrum aus Zwischen- und Endprodukten umgewandelt und somit weitgehend verwertet.
Landwirtschaftliche Nebenströme im Fokus
Zunehmend in den Fokus rücken auch Reststoffe aus der Landwirtschaft, beispielsweise Getreidestroh, Waldrestholz oder Gülle. Die Vorteile der Verwendung solcher Stoffe liegen darin, dass diese derzeit vielfach zu günstigen Preisen verfügbar sind und nicht in Konkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermitteln stehen. Auch in der Weiterverarbeitung von Lebensmitteln entstehen Reststoffe wie etwa Molke, Rapspresskuchen, Algen-Restbiomasse oder Reststoffe aus der Stärkeproduktion. Auch Grüngut, Speiseöle und Fette, Lebensmittelabfälle, Altholz oder Rinde fallen in den Bereich.
Neben der Nutzung in der Landwirtschaft eigne sich Stroh in der Verpackungs- und Baustoffindustrie, potenziell seiauch der Einsatz in Biogasanlagen oder für die Wärmegewinnung möglich.
Laut dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) steht ein technisch nutzbares Rohstoffangebot in der Höhe von 85 bis 140 Mio. Tonnen Trockenmasse zur Verfügung.Über 80 % dieser Menge stammen demzufolge aus der Land- und Forstwirtschaft. Die verbleibenden Mengen in Höhe von 14 bis 50 Mio. Tonnen Trockenmasse können als noch mobilisierbar bezeichnet werden. Die fünf Biomassen Getreidestroh, Waldrestholz (Nadeln), Rindermist, Rindergülle und Grüngut bilden dabei den größten Teil des mobilisierbaren Potenzials. Eine Ressourcendatenbankdes DBFZ gibt Überblick über verfügbare Mengen.
Getreidestroh als Rohstoff
Für die energetische und stoffliche Nutzung stehen laut biooekonomie.de zwischen 20 % und 30 % des insgesamt anfallenden Strohs zur Verfügung. Die Menge werde bislang aber nicht in diesem Umfang abgerufen. Neben der Nutzung in der Landwirtschaft eigne sich Stroh in der Verpackungs- und Baustoffindustrie, potenziell sei auch der Einsatz in Biogasanlagen oder für die Wärmegewinnung möglich. Stroh könne aber auch Ausgangsstoff für Plattformchemikalien in der Chemie- und Pharmaindustrie sein oder zu Kraftstoffen verarbeitet werden.
Beispiele gibt es in der Praxis bereits einige: So stellt der Spezialchemie-Konzern Clariant mit dem sogenannten sunliquid-Verfahren aus Stroh Cellulose-Ethanol her. In einer unter anderem vom Bund geförderten Anlage in Straubing sowie in einer kommerziellen Bioraffinerie in Rumänien wird die Lignocellulose aus dem Stroh in Zuckermoleküle zerlegt und dann zu Ethanol vergoren. Auf Stroh basiert ebenfalls der Zellstoff, den die Firma Essity in Mannheim fertigt. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Unternehmen BluCon Biotech gewinnt aus Stroh Milchsäure.
Grillkohle aus Maisspindeln, Verpackung aus Stroh: Diese Projekte gibt es bereits
- Das Hamburger Start-up Bio-Lutions verwendet Weizen-, Rapsstroh, Schilf oder Gemüsestängel als Faserquelle, um über ein mechanisches Verfahren Verpackungen daraus herzustellen. Im brandenburgischen Schwedt entstehe derzeit eine Produktionsstätte.
- Das Unternehmen Landpack bietet Isolierverpackungen aus Stroh an. Diese eignen sich zum Beispiel für den Versand gekühlter Waren.
- Grillkohle aus Maisspindeln: Das Start-up Kolbenglut vertreibt nachhaltige Grillkohle. Gründer ist ein Landwirt aus Bayern, der nach einer Nutzungsmöglichkeit für die Spindeln suchte.
- Vom Feld wieder zurück auf den Acker geht es beim Projekt Ashes. Die Bagasse-Asche, ein Nebenprodukt der Ethanolherstellung aus Zuckerrohr, wird als Rohstoff verwendet, um Dünger herzustellen.
- Ebenfalls Düngemittel entwickelt das Projekt Abc4Soil. Es verarbeitet mit Nährstoffen aus Gülle angereicherte Biokohle. Die Kohle entsteht dabei mittels thermochemischer Spaltung (Pyrolyse) von Agrarrückständen.
- Im Forstsektor dreht sich bei der Reststoffnutzung vieles um Lignin, den Hauptbestandteil von Holz. Die Nutzungsmöglichkeiten reichen von Carbonfasern auf Ligninbasis bis hin zu Spezialchemikalien.
- Aus Abfall wird Futtermittel: Im Projekt InProSol wird die Schwarze Soldatenfliege mit organischen Reststoffen gefüttert. Die Larven des Insekts sollen dann als proteinreiches Fischfutter dienen.
- In ChicOpt planen die Forscher, aus Rüben und Wurzeln Chicorée und Radicchio Plattformchemikalien zu gewinnen, aus denen Kunststoffe entwickelt werden sollen.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie in diesem Dossier.