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Bioökonomie

Stroh zu Gold machen?

Neben dem Einsatz in der Landwirtschaft lässt sich Stroh auch in anderen Branchen sinnvoll nutzen, z.B. zur Herstellung von Biokraftstoffen, Textilfasern oder Biokunststoffen. Ein Blick in die Praxis.

Lesezeit: 5 Minuten

Laut Schätzungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) fallen in Deutschland jährlich rund 43 Mio. t Frischmasse Stroh an, überwiegend Getreidestroh. Zwar nimmt Stroh schon heute wichtige Funktionen im landwirtschaftlichen Kreislauf ein, doch die Diskussion „Tank oder Teller“ steht hier nicht an. Für die energetische und stoffliche Nutzung stünden laut BMBF zwischen 20 % und 30 % des anfallenden Strohs zur Verfügung, werden aber noch nicht in dem Umfang abgerufen. Andere Studien gehen von 33 bis 38 Mio. t Gesamtmenge Stroh pro Jahr aus, von denen zwischen 5 und 13 Mio. t FM für weiterführende Zwecke verwendet werden könnten (mehr Infos in der DBFZ Ressourcendatenbank).

Auch wenn sich Stroh noch nicht zu Gold spinnen lässt, gibt es schon heute einige Projekte, in denen das Nebenprodukt sinnvoll aufgewertet wird. So wird es etwa in der Verpackungs- und Baustoffindustrie eingesetzt, potenziell ist auch der Einsatz in Biogasanlagen oder für die Wärmegewinnung möglich. Stroh kann aber auch Ausgangsstoff für Plattformchemikalien in der Chemie- und Pharmaindustrie sein oder zu fortschrittlichen Kraftstoffen verarbeitet werden. Im Folgenden einige ausgewählte Projekte.

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Stroh statt Styropor

Dass Stroh isolierend ist und sich demnach als Verpackung für Lebensmittel eignet, zeigt das Unternehmen „Landpack“ aus dem bayrischen Alling. 2013 entwickelten Thomas und Patricia Eschenlohr die Isolierverpackung, die herkömmliche Styroporverpackungen ersetzen soll. Die Rohstoffe für die Landbox liefern Bauern aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck. Dazu wird es mit Dampf und Hitze zu Quadraten geformt und mit einer kompostierbaren Folie überzogen. Das Gründerpaar stellt die Landbox auch aus Hanf her.

2022 verarbeitete das Unternehmen ca. 5.000 Quaderballen, wie Landpack auf Anfrage mitteilt. Landpack zahlt seinen 15 Vertragslandwirten 150 € pro Tonne Stroh, inklusive Einlagerung und Transport zur Weiterverarbeitungsstätte in Alling.

Sprit aus Stroh

Stroh lässt sich im Übrigen auch energetisch nutzen. Zum Beispiel als Biokraftstoff. Der Spezialchemie-Konzern Clariant stellt mit dem sogenannten sunliquid-Verfahren aus Stroh Cellulose-Ethanol her. In einer unter anderem vom Bund geförderten Demonstrationsanlage in Straubing und in einer kommerziellen Bioraffinerie in Rumänien wird die Lignocellulose aus dem Stroh in Zuckermoleküle zerlegt und dann von Hefen zu Ethanol vergoren. Das produzierte Cellulose-Ethanol könne als 'Drop-in'-Lösung bei der Treibstoffmischung eingesetzt werden, biete aber auch weitere nachgelagerte Anwendungsmöglichkeiten, z. B. für nachhaltige Flugzeugtreibstoffe oder biobasierte Chemikalien.

In der Anlage werden pro Jahr ungefähr 250 000 t Stroh zu 50 000 t Cellulose-Ethanol verarbeitet. Es wurden Verträge mit über 300 lokalen Landwirten geschlossen, um die Versorgung mit den Rohstoffen sicherzustellen.

Aus Stroh wird Biokunststoff

Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Unternehmen BluCon Biotech gewinnt aus Stroh L-Milchsäure, eine Vorstufe des Biokunststoffs Polymilchsäure (PLA). Dafür nutzt das Unternehmen Lignocellulose, einen Holzbestandteil, der aus verschiedenen Quellen gewonnen werden kann – etwa aus Holzabfällen, Bagasse, Baumwollstengeln, aber auch Stroh. Möglich macht das eine Fermentationstechnologie, die BluCon Biotech entwickelt hat.

Rohstoff für Textilfasern

Cellulosische Textilfasern wie Viskose oder Lyocell basieren bisher fast ausschließlich auf Zellstoff aus Holz. Als Alternative dafür soll nun Getreidestroh nutzbar gemacht werden. Der Faserexperte J. Rettenmaier & Söhne und die Universität Hamburg beschäftigen sich mit dem Thema in einem Forschungsprojekt, das bis 2024 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert wird. Vorarbeiten der Projektpartner haben laut FNR bereits gezeigt, dass sich hochreine Zellstoffe aus Weizenstroh gewinnen lassen. Im Vorhaben „CRF-Straw“ solle das Verfahren so weiter optimiert werden, dass der Stroh-Zellstoff künftig die hohen Anforderungen für die Lyocellfaserproduktion erfüllen kann.

Der echte „Stroh-Halm“

Eine Alternative zum Plastikstrohhalm hat der oberösterreichische Landwirt Daniel Auinger entwickelt. Er bietet Bio-Strohhalme aus dem Stroh von seinen Feldern an. Die Erzeugung des Produktes sei allerdings sehr zeitintensiv. Die Ernte der Strohhalme erfolge mit einem umgebauten Bindemäher. Das Stroh wird schonend in Kisten gelegt, denn sobald ein Halm knickt, scheidet er als Bio-Strohhalm aus. Die Sortier- und Schneidearbeiten werden von Hand überwiegend auf dem Hof durchgeführt. Die formstabilen Halme sind laut Daniel Auinger geschmacksneutral, weichen nicht auf und eignen sich auch für heiße Getränke.

Nachhaltiges Hygienepapier

Essity ist das nach eigenen Angaben erste Unternehmen in Europa, das Toilettenpapier und Küchenrollen aus Weizenstroh in einer Zellstofffabrik in Mannheim herstellen kann. In seinem Werk, für das das Unternehmen 40 Mio. € investiert hat, werden auf 8.000 m2 Anlagenfläche rund 70.000 t Weizenstroh pro Jahr zu einem neuartigen Zellstoff verarbeitet, der genauso weich, reißfest und saugstark wie herkömmliches Papier sein soll. Der Rohstoff stammt von Landwirten aus der Region. „Stroh ist ein Restprodukt, das nach der Getreideernte übrig bleibt. Durch deren Verwendung können wir den Zukauf von holzbasiertem Zellstoff aus dem Ausland verringern, sodass Transportwege kürzer werden und der CO2-Ausstoß sinkt“, sagt Martin Wiens, Leiter der Strohzellstoff-Fabrik.

Allerdings war es erst gar nicht so einfach, an große Strohmengen zu kommen, da es bei uns in Deutschland noch keinen wirklichen Strohmarkt gibt." - Martin Wiens

Die Strohballen für Essity sollen eine neue, verlässliche Einnahmequelle für Landwirte sein. Nach der Getreideernte werden die Halme zwischen Ähre und Bodenrest geschnitten und zu Ballen gepresst. „Allerdings war es erst gar nicht so einfach, an große Strohmengen zu kommen, da es bei uns in Deutschland noch keinen wirklichen Strohmarkt gibt“, so Wiens. Das Stroh werde nur ganz eng lokal gehandelt. Einkaufsnetzwerke existieren bisher nicht. Diese müssen erst aufgebaut werden. „Eine externe Firma erledigt das für uns und organisiert den Einkauf. Unsere tägliche Versorgung muss sichergestellt werden, denn Stroh wird nur einmal pro Jahr geerntet, muss uns aber das ganze Jahr über zur Verfügung stehen.“

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