Dieser Artikel erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Ein Schwall Meeresluft strömt aus dem Container, als Louise Niehues uns die Tür öffnet. Drinnen steht ein großes, in drei Segmente unterteiltes Wasserbecken sowie ein Wald aus Apparaturen und Rohren. „Das hier ist mein Reich“, sagt Niehues. Im Juni vergangenen Jahres zogen auf dem Hof im Münsterland die Container und zwölf Wochen später 5000 Wolfsbarsche ein. „Ich habe nach einer nachhaltigen Erweiterung für unseren Hof gesucht“, erklärt die 39-Jährige. „Die Meeresfischzuchtanlage war das Ergebnis.“ Das Kerngeschäft von Familie Niehues besteht aus 1500 Mastschweinen. Hinzu kommen 95 ha Ackerbau und eine 75-kW-Biogasanlage.
Der schwimmende Geschäftszweig ist nicht nur für die gelernte Mediengestalterin neu: Ihre Anlage ist die zweite ihrer Art in ganz Deutschland – und die erste, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb steht. Das 2018 gegründete Start-up-Unternehmen Seawater Cubes lieferte die gesamte Installation, bestehend aus Containern, Becken und Technik vormontiert an.
Immer in Bewegung
Das Grundkonzept der Anlage ist leicht erklärt. Im Zentrum stehen drei Becken, in denen die Fische schwimmen. „Zu Beginn kommen die 3 bis 4 g schweren Setzlinge in dieses Becken“, erzählt Niehues und deutet auf das kleinste der Drei. Nach jeweils etwa vier Monaten wechselt der Schwarm in das nächstgrößere Becken, bis die Fische das gewünschte Gewicht von 450 g erreicht haben. Rund 15.000 Wolfsbarsche kann Niehues hier mästen – und das muss sie auch. „Erst ab einer gewissen Besatzdichte bilden die Barsche einen Schwarm.“ Hielte sie weniger Tiere, käme es zu Revierkämpfen und Niehues hätte Verluste zu verzeichnen.
Alle Becken sind durch vergitterte Öffnungen miteinander verbunden. Das Wasser strömt mit Hilfe einer Kreislaufpumpe permanent durch die 1,40 m tiefen Becken. Zusätzlich sorgt die Bewegung der Fische dafür, dass auch das stets in Bewegung bleibt. „So können sich Futter- und Kotreste nicht am Boden absetzen und werden stattdessen den Filtern zugeführt“, erklärt Niehues.
Zwei Filter entfernen mithilfe von Bakterien die Stickstoffverbindungen aus dem Wasser, zwei weitere bereinigen es von Feststoffen. Dazu zählen auch Viren und Bakterien, die mit Ozon inaktiviert werden. Das Ozon wird in einem Generator in der Anlage hergestellt. „Falls es dabei zu Problemen kommt, haben wir hier ein Ozonwarnsystem verbaut“, sagt Niehues.
Drei Mal pro Stunde durchlaufen die insgesamt 70 m3 Wasser die Filter. Durch Spülvorgänge und Verdunstung fallen täglich etwa 500 bis 700 l Abwasser an – also etwa 1% des Gesamtfüllstandes.
Nachhaltiges Konzept?
Der geringe Wasserverbrauch, soll – ebenso wie viele andere Bausteine – die Meeresfischzuchtanlage möglichst ressourcensparend machen. Angefangen bei den fünf ehemaligen Übersee-Containern, die durch die Anlage eine neue Funktion erhalten, bis zum regionalen Verkauf des Fisches.
Bei Familie Niehues wird selbst der schlickartige Teil des Abwassers weiter genutzt. Er landet statt in der Kanalisation in der hofeigenen Biogasanlage. Diese beliefert die Fischzuchtanlage wiederum mit Strom und Wärme. Das Wasser kommt aus dem Brunnen vom Hof. Es muss jedoch noch mit Salz angereichert werden – Wolfsbarsche benötigen einen Salzgehalt von ca. zwei Prozent.
Ihre Setzlinge bezieht Familie Niehues über Seawater Cubes für 0,60 € pro Stück – allerdings aus Frankreich und damit nicht regional. Dafür umgeht Niehues mit der Anlage andere Probleme: „In den Meeren schwimmen Massen von Schleppnetzen. Außerdem sind viele Fische mit Mikroplastik belastet“, sagt sie.
Darum Wolfsbarsch
Niehues´ hat sich für Wolfsbarsche entschieden, weil Seawater Cubes zu dieser Art schon viele Daten in ihrer Pilotanlage in Saarbrücken gesammelt hat. „Zum Beispiel dazu, in welcher Wachstumsphase welche Futtermengen optimal sind.“ Das Raubfisch-Futter besteht unter anderem aus Fischmehl, Weizen, Geflügelblutmehl, Rapsöl, und Soja. Wolfsbarsche sind extrem gute Futterverwerter: 1,2 kg Futter führen zu einer Gewichtszunahme von 1 kg . Für 5000 Setzlinge (erster bis vierter Lebensmonat) kalkuliert Seawater Cubes rund eine Tonne Futter pro Monat. Im letzten Wachstumsstadium (neunter bis zwölfter Monat) ist es die fünffache Menge. Die anfangs 3 cm großen Wolfsbarsche sind dann auf etwa 30 bis 40 cm herangewachsen.
Damit das gelingen kann, ist auch die Fischgesundheit entscheidend. „Die Barsche bekommen keine Medikamente“. sagt die 39-Jährige „Allerdings impfen wir die Setzlinge kurz nach ihrer Ankunft bei uns in einem Tauchbad.“ Durch ihre Isolation von Fremdfischen und Fressfeinden ist ein guter Gesundheitszustand so wahrscheinlich.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine hohe Wasserqualität. Diese wird ständig von Sensoren der Anlage überwacht. Niehues reinigt und kalibriert sie etwa wöchentlich. Außerdem prüft sie mit chemischen Tests das Wasser auf verschiedene Stickstoffverbindungen wie Ammonium oder Nitrat. Für all ihre Arbeiten braucht sie aktuell eineinhalb Stunden am Tag. Die Reinigungsarbeiten von Hand dürften in Zukunft allerdings deutlich weniger werden, wenn alle Becken befüllt sind. Dann sollten die Fische genug Strömung ins Wasser bringen.
Die Anlage selbst ist vollautomatisiert. Gibt es Probleme mit der Technik – zum Beispiel bei einem Stromausfall – bekommt Niehues eine Benachrichtigung auf ihr Handy. Viele Probleme sind mobil lösbar. Wenn die junge Fischzüchterin Hilfe braucht, besteht immer die Möglichkeit, dass sich Seawater Cubes per Fernwartung auf die Anlage schaltet.
Regionaler Fischverkauf
Wenn alles klappt kann Niehues ab Juni wöchentlich circa 350 Wolfsbarsche verkaufen. Dabei hat sie die örtliche Gastronomie, Fischhändler, Hofläden sowie den hofeigenen Verkauf im Blick. Die Vorgespräche zeigten: Das Interesse an regionalem Meeresfisch ist groß. „Den gibt es im Münsterland ja sonst auch nicht“, sagt die 39-Jährige. Jährlich will sie etwa acht Tonnen Fisch verkaufen und so Menschen im Umkreis von ca. 50 km versorgen. Ein Vorteil der Anlage: Es kann bedarfsgerecht gefangen werden.
Das Interesse an regionalem Meeresfisch ist groß.
Zur Anlage gehört außerdem ein Verarbeitungscontainer, der mit einem Kühlraum ausgestattet ist. Hier kann Niehues die Fische per Elektroschock betäuben, ausnehmen, entschuppen und bei Bedarf filetieren. Dabei wird sie ihr Mann, sowie ein Mitarbeiter unterstützen. Die Investitionssumme für den neuen Betriebszweig belief sich auf etwa 500.000 €. Der Europäische Meeres- und Fischereifond förderte die Mastanlage zu 50 % und die Verarbeitungsanlage zu 40 %. Insgesamt zahlte die Familie so 250.000 €.
„Wir sind froh, ein neues Standbein gefunden zu haben, dass wir mit gutem Gefühl unseren Kindern übergeben können“, sagt die dreifache Mutter. „Wir denken jetzt schon in alle Richtungen, wie wir das Konzept weiter ausbauen könnten.“ Dazu zählt etwa ein Grillplatz inklusive Fisch-Automat. „Durch die modulare Bauweise könnten wir die Fischzucht selbst auch weiter ausbauen.“ Zunächst einmal müssen aber die 5000 Wolfsbarsche, die jetzt in den Containern schwimmen zu großen Fischen heranwachsen.