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Bucheckern gesucht: Alternative Einkommensquelle für Waldbesitzer

Wieso Mandeln aus Kalifornien importieren, wenn sich heimische Bucheckern als Nussersatz eignen? Ein Start-up erntet die Früchte in Handarbeit und vermarktet sie an Spitzenköche.

Lesezeit: 7 Minuten

Rot-Ahorn anpflanzen, um Sirup herzustellen. Pilze ansiedeln, um es mit Trüffeln zu versuchen. Oder Bucheckern ernten, um daraus Öl für die Spitzengastronomie zu fertigen. In der Geschäftsleitung der Fürstlich Wiedischen Forstverwaltung werden viele Ideen diskutiert, um das durch den Klimawandel und den Borkenkäfer strapazierte Geschäft im Forst um neue Einnahmequellen zu erweitern.

Gerd Schneider, der Betriebsleiter des rund 6 000 ha großen Forstamtes in Rheinland-Pfalz, hat die erste davon bereits in die Tat umgesetzt: Bucheckern ernten und sie nicht etwa als Saatgut nutzen, sondern zu hochpreisigen Lebens­mitteln verarbeiten lassen. 200 € zahlen Sterneköche für einen Liter Bucheckern-Öl. Waldbesitzer, die dafür das Rohprodukt liefern, erhalten üblicherweise einen Betrag im mittleren dreistelligen Bereich pro Tonne. Schneider sagt: „Schon wer etwa 5 ha Wald mit Buchenbeständen hat, für den könnte sich ein nettes Zubrot ergeben.“

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Ansprechpartner für interessierte Waldbesitzer ist Johannes Frankenfeld vom Start-up Waldgold aus der Nä­he von Neuwied in Rheinland-Pfalz. ­Frankenfeld glaubt, die Buchecker hat langfristig das Potenzial, die wenig nachhaltige kalifornische Mandel zu ersetzen, die jedes Jahr massenhaft importiert wird. Schließlich wächst sie hierzulande ganz natürlich und ohne Bewässerung oder Düngung. „Außerdem ist das Bucheckern-Öl anderen Ölen nicht nur aus Nachhaltigkeitsgründen überlegen“, sagt der Gründer und promovierte Finanzwissenschaftler. „Sondern auch aus sensorischen.“

2023 will Frankenfeld wie im vergangenen Jahr wieder insgesamt 20 t Bucheckern ernten und sucht dafür noch weitere Land- und Forstwirte, die ihm geeignete Fläche zur Ernte zur Verfügung stellen oder ihm gleich die geernteten Bucheckern verkaufen. Förster Gerd Schneider ist einer seiner Lieferanten. Waldgold erntete bislang einmal, im Jahr 2020, in seinen Wäldern. Danach war es noch nicht wieder möglich, weil es seitdem keine Buchenvollmast mehr gab.

Ernte nur in Mastjahren

„Die Buche wird rund 200 Jahre alt und wirft nicht jedes Jahr die gleichen Erträge ab“, erklärt der Gründer. „In Mastjahren können wir 1 bis 4 Tonnen Bucheckern pro Hektar Buchenwald ernten.“ Förster Gerd Schneider ergänzt: „Eigentlich geht man davon aus, dass alle fünf bis sieben Jahre eine Vollmast ansteht. Aber bedingt durch den Klimawandel können wir mittlerweile alle drei Jahre eine Ernte einfahren.“ Man muss nur wissen, wo.

Die richtigen Flächen zu finden, gestaltet sich erstaunlich schwierig. Um 20 ha zu beernten, muss sich Johannes Frankenfeld mit seinem Team nach eigener Aussage rund 100 ha Wald anschauen, bis er die richtigen Teilstücke gefunden hat. „Die Bäume können einen richtig schönen Fruchtansatz gehabt haben. Aber wenn zum falschen Zeitpunkt nochmal Frost kam, brauche ich gar nicht hinzufahren“, sagt der Gründer. Darum muss er europäisch denken, um auf seine 20-Tonnen-Ernte zu kommen. Im Jahr 2022 erntete er bei einer dreistelligen Anzahl Waldbesitzer und in Landeswald in Deutschland sowie in der Türkei, Rumänien und Frankreich.

Bucheckern ernten ist Handarbeit.“
Johannes Frankenfeld

Um herauszufinden, in welchen Buchenbeständen sich in einem Jahr die aufwendige Ernte lohnt, braucht Frankenfeld also Waldbesitzer, die ihre Wälder gut kennen und rechtzeitig Bescheid geben. Und sie müssen offen für die neue Einkommensquelle sein, deren Unverlässlichkeit im wortwörtlichen Sinne ein Stück ihrer Natur ist.

Nur auf die Beobachtungen der Förster will sich Frankenfeld allerdings nicht verlassen. Waldgold verfügt über eine digitale Erntetechnologie, die Daten einer Multispektralkamera sowie öffentliche Temperaturdaten übereinanderlegt und dem Unternehmen das letzte Quäntchen Sicherheit gibt, dass sich der Aufwand wirklich lohnt.

Ernten, Trocknen, Schälen

„Bucheckern ernten ist Handarbeit“, sagt Johannes Frankenfeld. Im August bis September werden die Netze von Erntehelfern unter den Buchen ausgelegt. Nach etwa vier Wochen, also spätestens im Oktober, werden sie ebenfalls manuell wieder eingesammelt. Noch im Wald trennen die Arbeiter die Früchte per Siebtrommel vom Laub, das im Wald verbleibt. Ebenfalls an Ort und Stelle werden die Nüsse mit einer mobilen Maistrocknungseinheit getrocknet. „So lange das Erntegut nass ist, muss ich schnell sein“, sagt Frankenfeld. „Wenn die Bucheckern trocken sind, kann ich sie in Ruhe verarbeiten.“

Es folgt eine Nachreinigung der getrockneten Frucht in einer Anlage, die sonst für Soja, Lupinen oder Buchweizen zum Einsatz kommt. Eine Laserfarbselektion entscheidet zum Schluss, ob die Qualität für den nächsten Schritt, das Schälen, reicht oder die Buchecker in den Ausschuss geht.

Geschält, geröstet, gepresst

Nach dem Schälen bleibt der „schöne, weiße Nusskern“, schwärmt Frankenfeld. „Und damit unser erstes Verkaufsprodukt.“ Allerdings ist das Rohprodukt aufgrund einer enthaltenen Substanz namens Fagin leicht giftig. Auch aus diesem Grund gibt es im Online-Shop nur geröstete Bucheckern für den Endkunden zu kaufen. Die Rohware wird an Spitzenköche verkauft, die genau wissen, wie sie zubereitet werden muss, damit die Nuss verträglich ist.

Ohnehin geht Frankenfeld davon aus, dass der Otto-Normal-Verbraucher die hohen Preise für die Bucheckern derzeit noch nicht zahlen würde. Online verkauft er 100 ml Bucheckern-Öl für 23 €. Das 15-g-Probierpaket geröstete Bucheckern kostet 2 €. Dass diese Preise eher in die gehobene Gastronomie passen, liegt Frankenfeld zufolge daran, dass die Buchenfrüchte noch zu unbekannt als Lebensmittel sind und sich ihren Ruf als „heimische Nuss“ erstmal erarbeiten müssen. „Daher befüllen wir derzeit erstmal die kleine Nische im hochpreisigen Segment“, erklärt der Gründer.

Eine größere Vision hat er trotzdem. Und dafür hat sich Waldgold den Schälprozess für die dreieckige Nuss sicherheitshalber einmal schützen lassen. Die Hoffnung: Wenn nicht mehr nur für die Nische ‚Spitzengastronomie‘ geerntet wird, sondern sich die Buchecker irgendwann als heimische Nuss im Supermarktregal neben allen denkbaren Produkten aus Haselnüssen, Mandeln und Cashews etabliert, dann hätte sich Waldgold das Know-how, die Kontakte und somit den Vorsprung vor Wettbewerbern gesichert. Gibt es bald also Brotaufstrich, Müsli und Knabbereien aus Bucheckern? Falls ja, können hiesige Land- und Forstwirte jetzt Produzenten der ersten Stunde werden.

Infos für interessierte Waldbesitzer

Das Konzept könnte interessant sein für Verwalter von Landes- und Kommunalwald oder für Privatwaldbesitzer, auch mit kleinen Flächen, wenn sie in einer Forstbetriebsgemeinschaft organisiert sind. Die Buchenbestände müssen mind. 2 bis 5 ha zusammenhängende Fläche umfassen. Diese sollte für Maschinen gut erreichbar sein, kein Steilhang, gern Randlage an Wiesen oder Feldern. Der Buchenbestand muss mind. 80 bis 90 Jahre alt sein und keine nennenswerte Verjüngung vorweisen, damit die Netze bodengleich ­ausgelegt werden können. Die Buchen müssen im Frühjahr eine starke Blüte gehabt haben. Der spätere Fruchtkörper muss für den nötigen Ölgehalt voll entwickelt sein. Zur finalen Überprüfung einer infrage kommenden Fläche kann ein Drohnenüberflug mit einer Multispektralkamera helfen, um den Ernteort verbindlich zu bestimmen.Waldgold-Gründer Johannes ­Frankenfeld sucht für das Jahr 2023 rund 20 Tonnen Bucheckern, für die er erfahrungsgemäß mindestens 20 ha Buchenfläche beernten muss.



Der Waldbesitzer kann zwei Arten von Vergütung erzielen: Eine mengenbasierte Pacht auf die Erntemenge oder einen vorab verhandelten Verkaufspreis für die geerntete Menge, wenn der Waldbesitzer die Ernte selbst organisiert und einfährt. Johannes Frankenfeld zahlt den Er­zeugern einen mittleren dreistelligen Betrag pro Tonne.Der Waldbesitzer kann zwei Arten von Vergütung erzielen: Eine mengenbasierte Pacht auf die Erntemenge oder einen vorab verhandelten Verkaufspreis für die geerntete Menge, wenn der Waldbesitzer die Ernte selbst organisiert und einfährt. Johannes Frankenfeld zahlt den Er­zeugern einen mittleren dreistelligen Betrag pro Tonne.Das ist etwas weniger, als Wald­besitzer gewohnt sind, die Bucheckern für die Verwendung als Saatgut ernten. Allerdings dürfen die Nüsse für Lebensmittelzwecke in allen Buchenbeständen geerntet werden, auch denjenigen, die kein aufwendiges Anerkennungsverfahren durchlaufen haben.

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