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Nische mit Potenzial? Der Markt für Heil- und Gewürzpflanzen

Eine Studie aus Baden-Württemberg beschreibt, wie der Anbau von Kräutern aufblühen könnte. Forschung und Bündlerstrukturen seien der Schlüssel. Die Ergebnisse interessieren bundesweit.

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Magazin Bioland, Ausgabe 7/22.

Autorin: Jutta Schneider-Rapp

Der Anbau von Heil-, Kosmetik- und Gewürzpflanzen hat Potenzial. „Der Trend zu Natürlichkeit sowie das steigende Gesundheitsbewusstsein und Interesse der Verbraucher an Bio und Regio schlägt sich auch im Anbau von Heil-, Kosmetik- und Gewürzpflanzen in Baden-Württemberg nieder“, erläutert Dr. Beate Gebhardt. Die Agrarmarktforscherin der Universität Hohenheim hat die Studie „Status quo und Potenziale des ökologischen Heil-, Kosmetik- und Gewürzpflanzenanbaus in Baden-Württemberg“ federführend durchgeführt. Danach haben sich von 2010 bis 2020 die Anzahl der Betriebe als auch die Anbauflächen für Heil- und Gewürzpflanzen im Südwesten ebenso wie deutschlandweit nahezu verdoppelt.

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Baden-Württemberg liegt im ökologischen Anbau mit einer Anbaufläche von 217 Hektar in 68 Betrieben hinter Bayern auf Platz zwei in Deutschland. Den landesweit angestrebten Öko-Anteil von 30 bis 40 Prozent hat es bereits 2020 erreicht. Allerdings stagniert das Flächenwachstum im Land, zwischen 2016 bis 2020 nur um ein Prozent. Dagegen wuchs die Gesamtanbaufläche bundesweit um rund 42 Prozent.

„Der Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen ist kein Selbstläufer oder Garant für ein wirtschaftlich erfolgreiches Standbein in der Landwirtschaft“, erläutert die Wissenschaftlerin. Für die Studie machte Gebhardt eine Bestandsaufnahme und befragte 21 Experten. Eine davon ist Eva Maria Walle.

Die Agrarwissenschaftlerin baut am Bodensee zwei Hektar Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen an. Darunter seltene Gewächse wie Eisenhut und Maiapfel für Pharmafirmen. Aber auch Malven, Frauenmantel und mehr, die sie unter dem Namen Herba Solaris zu hochwertigen Kräutertees verarbeitet. Ihre langjährigen Erfahrungen gibt sie professionell weiter. Sie hilft Unternehmen bei der Beschaffung von Rohstoffen und berät Erzeuger im In- und Ausland. Es gebe viel Wissen über die Anwendung von Heilpflanzen, aber ganz wenig zu Anbau und Ernte, sagt sie. „Ich habe unendlich viel Zeit damit verbracht, mich auf diesem Gebiet fortzubilden.“

Mehr forschen und vermitteln

Es gibt hunderte verschiedene Kulturen. Allerdings liegt das Spezialwissen in der Hand von einzelnen Unternehmen sowie Landwirten und Landwirtinnen. So müssen Menschen, die neu einsteigen wollen, Saatgut und Kulturanleitungen mühsam beschaffen und viel ausprobieren. „Das führt oft jahrelang zu immer wiederkehrenden Rückschlägen“, berichtet Dr. Sabine Zikeli, Vorstandsmitglied im Netzwerk Kräuter Baden-Württemberg. Tückisch sei auch die Technik bei den Sonderkulturen. „Es gehört viel Pioniergeist und Technikbegeisterung dazu, um Maschinen für Ernte, Trocknung und Aufbereitung der Pflanzen selbst zu bauen oder anzupassen“, so Zikeli. Von der Züchtung bis zur Erntetechnik fehle es außerdem an Forschung. Wie sich die Inhaltstoffe in Abhängigkeit von Boden, Klima und Düngung entwickeln, ist noch ungeklärt. „Solche Fragen kann kein einzelner Landwirt beackern“, betont das Vorstandsmitglied.

Die Experten raten daher, die Forschung rund um Heil- und Gewürzpflanzen zu verstetigen und für Interessierte besser verfügbar zu machen. Um das Fachwissen zu bündeln, empfehlen die Studienautorinnen in Baden-Württemberg eine landesweite Zentralstelle einzurichten. Die könnte informieren, beraten und über Neuerungen berichten. Ein Vorbild für andere Bundesländer könnte die Bayrische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) sein.

Mehr Marketing und Marktbörse

Damit die Vermarktung floriert, sollten sich die Akteure künftig besser vernetzen. Die Verarbeiter könnten derzeit die vielen Anfragen von einzelnen Landwirten gar nicht bedienen. Potenzielle Abnehmer bevorzugen es, mit nur einer Partei zu verhandeln. „Daher sollte eine Marktbörse etabliert werden, in der sich Anbauer in Baden-Württemberg zu einer Vertriebsgemeinschaft oder -genossenschaft zusammenschließen. Diese würde Anbau und aufnehmende Hand zusammenbringen“, wünscht sich Dr. Gebhardt. Damit hätten die Landwirte eine viel höhere Sicherheit im Absatz und könnten neue Wertschöpfungsketten erschließen. Wenn beispielsweise die Qualität ihrer Kräuter einmal nicht für Heilmittel reiche, könnten sie als Genusstee verkauft werden.

Daher sollte eine Marktbörse etabliert werden, in der sich Anbauer zu einer Vertriebsgemeinschaft oder -genossenschaft zusammenschließen. Diese würde Anbau und aufnehmende Hand zusammenbringen. - Auszug

Laut den Experten sei der Markt bei Bio-Topfkräutern trotz ihres bereits hohen Marktanteiles von 40 Prozent noch nicht ausgeschöpft. Auch der Verkauf von Kräutern, Tee und Gewürzen auf Wochenmärkten oder im Hofladen wäre ausbaufähig. Dabei sollten sich Direktvermarkter mehr am Verbraucher orientieren. Beispielsweise Trends wie Fitness oder Anti-Aging aufgreifen.

Eine andere befragte Fachfrau – die Bioland-Gärtnerin Rita Mergenthaler vom Lembergerhof bei Stuttgart - wünscht sich vor allem mehr Werbung für Wildkräuter. „Das Land könnte mit einem Blog und Pressearbeit die Kräuter bei Verbrauchern bekannt machen.“ Schließlich hat die Gärtnerei außer klassischen Topfkräutern wie Schnittlauch und Basilikum auch Spitzwegerich, Löwenzahn und Brennnesseln im Angebot. Die frischen Topfkräuter werden über Lebensmittelhändler wie Edeka regional und bundesweit online unter dem Namen Kräuterfeld vermarktet.

Kosmetik und Homöopathie

Außer bei Topfkräutern sehen die Forschenden Wachstumschancen für kosmetisch nutzbare Pflanzen. Rohstoffe wie Sonnenblumen-, Trester-, Sanddornöl und schwarze Johannisbeere böten viel Potenzial. Allerdings verlangen die Kosmetikunternehmen eine zuverlässige Verfügbarkeit der Rohwaren und achteten auf den Preis. Viele ihrer Rohstoffe stammten bisher aus Wildsammlung im Balkan. Aufgrund der Landflucht der dortigen Bevölkerung veränderten sich die Möglichkeiten, Rohwaren zu beschaffen. Hier könne sich künftig rentieren, bisher wild gesammelte Pflanzen anzubauen, prognostiziert Dr. Gebhardt.

Weniger rosig sei der Markt für pflanzliche oder homöopathische Arzneimittel in Baden-Württemberg. Diese können nicht mit Bio und Regional punkten, da das Arzneimittelgesetz eine solche Deklaration verbietet. Eine regionale Auslobung könnte aber für Kräuter, Gewürze und Tee interessant sein. Das muss jedoch kein neues Label sein. „Irgendwann sehen die Verbraucher vor lauter Labeln das Produkt gar nicht mehr“, meint Rita Mergenthaler, deren Kräuter im Supermarkt unter den regionalen Labeln der Lebensmitteleinzelhändler laufen. Die Kräutertees von Herba Solaris tragen die Label Gutes vom See oder Kräuter vom Bodensee. „Regionalität lässt sich im Gegensatz zu Qualität gut sichtbar machen und ist ein wichtiges Verkaufsargument, um dem Kunden höhere Preise zu erläutern“, so die Kräuterexpertin Walle.

Weniger rosig sei der Markt für pflanzliche oder homöopathische Arzneimittel in Baden-Württemberg. Diese können nicht mit Bio und Regional punkten, da das Arzneimittelgesetz eine solche Deklaration verbietet.

Der ökologische Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen werde wohl eine landwirtschaftliche Nische bleiben. Doch wer wagt, kann viel gewinnen. „Ihr Anbau ist zwar mit vielen Risiken verbunden, aber wenn es klappt, winken hier hohe Deckungsbeiträge“, bilanziert Dr. Gebhardt. Außerdem färbe der Umgang der Kultur auf die Landwirte ab. „Die vielen verschiedenen Pflanzen mit ihren unterschiedlichen Blütenfarben, Formen und Aromen zu erleben, machen mich glücklich“, bestätigt Eva Maria Walle.

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