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Mehr Milch, bessere Klimabilanz - stimmt das wirklich?

Immer mehr Molkereien und Händler wollen den CO2-Fußabdruck der Milch abbilden. Wie die Klimabilanz der Milch berechnet und verbessert wird, erklärt Dr. Monika Zehetmeier von der LfL.

Lesezeit: 6 Minuten

In der öffentlichen Diskussion wird Milch häufig eine besonders negative Klimabilanz nachgesagt. Milchalternativen gelten als klimafreundlicher und oft auch gesünder. Milch bzw. Rinder haben ein Imageproblem – zu Recht?

Milch trinken und das Klima schützen?“ Darüber diskutieren wir am 10. April 2024 – kostenlos vor Ort in Berlin oder live auf YouTube. Alle Infos und Anmeldung hier: Landwirtschaft im Dialog

Eine unserer Diskutanten vor Ort ist Dr. Monika Zehetmeier von der Bayerische Landes­anstalt für Landwirt­schaft (LfL). Im Interview erklärt sie unter anderem, weshalb sich verschiedene THG-Fußabdrücke nicht unbedingt vergleichen lassen und warum mehr Milch nicht zwingend die Klimabilanz pro kg Milch verbessert.

Frau Zehetmeier, sie betreuen den LfL Klimacheck zusammen mit Ihrem Kollegen Anton Reindl. Was genau steckt dahinter?

Zehetmeier: Der LfL Klima-Check Landwirtschaft ist unser Klima-Rechner für landwirtschaftliche Betriebe. Glücklicherweise haben wir an der LfL schon seit 20 Jahren die Anwendung „LfL Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten“. Damit können Landwirtinnen und Landwirten ihre Betriebe aus betriebswirtschaftlicher Sicht analysieren. Und das bei Bedarf in großer Detailtiefe.

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Auf diese bestehenden Modelle haben wir vor etwa fünf Jahren den LfL Klima-Check Landwirtschaft aufgesetzt. Wo also im betriebswirtschaftlichen Modul „Euros“ bilanziert werden, werden in der Treibhausgasbewertung „Kilogramm CO2-Äquivalente“ bilanziert. Ein ganz wichtiger Vorteil dabei: die Treibhausgasbewertung und betriebswirtschaftliche Auswertung erfolgen in einem Tool. So können wir sehen, wo Klimaschutz und Ökonomie Hand in Hand gehen. Oder eben auch, wo der Klimaschutz die Betriebe Geld kostet, und wie viel.

Wie viele Betriebe machen mit? Und wie werden die Daten erfasst?

Zehetmeier: Das lässt sich so direkt schwer beantworten, denn der „Klima-Check Landwirtschaft“ ist online frei verfügbar. Das heißt die Betriebe können den Rechner direkt auf der Internetseite der LfL nutzen. Dabei gibt es die Möglichkeit, Produktionsverfahren einzeln zu betrachten, z.B. die Milchproduktion. Oder den Betrieb als Ganzes. Die Benutzung ist anonym. Die Ergebnisse kann der Betrieb direkt herunterladen.

Darüber hinaus sind auch Datenschnittstellen möglich. So können externe Softwareentwickler ihr eigenes Tool an den „Klima-Check Landwirtschaft“ andocken. Beispielsweise um die nötigen Daten eines Betriebes direkt weiterzuleiten. Der Nutzer erhält alle Ergebnisse gesammelt. Wir von der LfL kümmern uns um die wissenschaftlich fundierte Berechnungsmethode und die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Produktionsverfahren.

Über die Datenschnittstelle nutzen bereits mehrere 1.000 Betriebe den LfL Klima-Check.

Wo liegt die durchschnittliche CO2-Bilanz eines deutschen Milchviehbetriebes pro kg Milch?

Zehetmeier: Wenn wir über THG-Emissionen pro kg Milch sprechen, also von einem THG-Fußabdruck, dann müssen wir uns zunächst anschauen, wie der berechnet wurde. Denn es gibt nicht „den einen“ THG-Fußabdruck.

Besonders wichtig ist zum Beispiel, wie die Emissionen aus dem Produktionsverfahren zwischen den verschiedenen Produkten Milch, Fleisch von der Altkuh und Kalb aufgeteilt werden. Es gibt hier glücklicherweise klar ausgearbeitete, international abgestimmte Berechnungsmethoden, die wir nutzen können. Im Milchbereich ist das z.B. die Methode der International Dairy Federation IDF, die wiederum auf dem Greenhouse Gas Protocol basiert.

In unseren Berechnungen von 125 Betrieben lag der Durchschnitt bei 1,0 kg CO2-Äquivalent pro kg Milch.

Aber zur Frage: Wir haben vor Kurzem die THG-Emissionen von 125 Milchviehbetrieben in Bayern ausgewertet. Mit einer Berechnung nach IDF ergab sich ein Mittelwert von 1,0 kg CO2-Äquivalent pro kg fett- und eiweißkorrigierter Milch. Die Ergebnisse der Betriebe reichten von 0,7 bis 1,6 kg CO2-Äquivalente.

Allerdings ist dieser Datensatz nicht statistisch repräsentativ und kann daher nur eine erste Orientierung geben. Einen weiteren großen Datensatz hat die Molkerei Arla in ihrem eigenen Klimaschutzprogramm zusammengetragen. Bei ihren Lieferanten in Deutschland, Dänemark und Schweden haben sie einen sehr ähnlichen Wert ermittelt.

Sie sagen, dass die Rechnung „Je höher die Milchleistung – umso besser die Klimabilanz pro Liter Milch“ so pauschal nicht stimmt. Weshalb?

Zehetmeier: Die Milchleistung hat einen Einfluss auf die THG-Emissionen pro kg Milch durch Verteilungseffekte. Dieser Hebel findet sich jedoch vor allem in Leistungsbereichen unterhalb von 7.000 kg Milch und bei sehr enger Betrachtung der Systemgrenzen. Werden alle Effekte mit Berücksichtigt, vom Kraftfuttereinsatz, über Nährstoffflüsse und Koppelprodukte wie Rindfleisch, so zeigen zahlreiche internationale Studien als auch unsere Forschungsergebnisse, dass die Hebel innerhalb gleicher Leistung höher sind als durch Leistungssteigerung. In unseren Forschungsergebnissen haben wir Betriebe mit Leistungen von unter 8.000 kg Milch pro Kuh und Jahr, die einen Werte von 0,8 kg CO2-Äq/kg Milch erreichen.

Die Hebel innerhalb gleicher Leistung sind höher als durch Leistungssteigerung.

Ein weiterer Punkt ist das Thema Systemgrenze. Milchviehsysteme mit etwas niedrigerer Leistung wie Zweinutzungsrassen können bei gemeinsamer Betrachtung von Milch und Rindfleisch in Summe sehr gut abschneiden. Diesen Effekte werden wir aber kaum im THG-Fußabdruck pro kg Mich sehen. Dies kommt nur zum Ausdruck, wenn der THG-Fußabdruck auch in der Fleischproduktion betrachtet wird.

Insgesamt darf die Diskussion um das Thema Milchleistung pro Kuh nie isoliert nur im Bereich THG-Fußabdruck betrachtet werden. Nachhaltigkeit ist mehr als der THG-Fußabdruck.

Verbessert eine grünlandbasierte Milchproduktion grundsätzlich die Klimabilanz?

Zehetmeier: Eine grünlandbasierte Milchproduktion kann viele Vorteile haben. Grünland liefert Eiweiß mit niedrigen THG-Fußabdrücken. Eine reine THG-Bewertung wird aber den vielen weiteren Leistungen des Grünlands im Bereich der Rinderhaltung nicht gerecht. Grünland speichert im Mittel meist mehr Bodenkohlenstoff als Ackerflächen. Zudem ist die Verwertung von Grünland über den Wiederkäuer zur Erzeugung von Lebensmitteln sehr effizient.

Eine reine THG-Bewertung wird den vielen Leistungen des Grünlandes nicht gerecht.

Dies können wir aber nicht nur durch den THG-Fußabdruck allein aufzeigen. Interessante Projekt aus der Schweiz berechnen daher sowohl den THG-Fußabdruck als auch den Indikator „Nahrungskonkurrenz“ von Milchviehbetriebe. Dabei zeigt sich, dass grünlandbasierte Betriebe und Betriebe mit Nutzung von Biomasse, die für die menschliche Ernährung nicht geeignet sind besser abschneiden. Deshalb weisen wir im „Klima-Check Landwirtschaft“ den Indikator Nahrungskonkurrenz noch in diesem Jahr als zusätzlichen Wert aus.

Was machen Betriebe mit niedrigen CO2-Bilanzen „besser“?

Zehetmeier: Was vor allem zählt sind Einflussgrößen wie Langlebigkeit der Tiere, Parameter der Tiergesundheit, effizienter Einsatz von Nährstoffen im Futterbau, Verluste vom Feld bis zum Trog, Einsatz und Art der eingesetzten Futtermittel, Wirtschaftsdüngermanagement. Dies sind auch Einflussgrößen, die in der ökonomischen Beratung adressiert werden. Hier gehen also Klimaschutz und Ökonomie Hand in Hand.

Mehr Infos zum LfL Klima-Check Landwirtschaft gibt es hier: https://www.lfl.bayern.de

Ihre Meinung ist gefragt

Haben Sie für Ihren Betrieb schon einmal eine Klimabilanz berechnet? Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Hebel für weniger THG-Emissionen pro kg Milch? Welche Fragen und Anregungen haben Sie zum Thema Klima und Kühe?

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