Obwohl die meisten Milchviehhalter im vergangenen Wirtschaftsjahr sehr gute Ergebnisse erzielt haben, sind die Landwirte mit Investitionen eher vorsichtig. Das liegt an einem Mix aus enorm gestiegenen Baukosten, langen Wartezeiten bei den Handwerksbetrieben und vor allem an den insgesamt unsicheren Zukunftsperspektiven für die Tierhaltung in Deutschland.
Milch aus höheren Stufen?
Durch die Ankündigung der großen Lebensmitteldiscounter, ihr Sortiment an Trinkmilch demnächst weitgehend auf Ware aus höheren Tierwohl-Stufen umzustellen, dürfte jedoch unweigerlich Bewegung in die Situation kommen, erklärte Klaus Wagner vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) kürzlich in Bad Hersfeld. Beim dortigen Baulehrschau-Sondertag drehten sich die Vorträge und Diskussionen darum, ob und wie die Landwirte die Bedingungen der Haltungsstufen 3 (Außenklima) oder 4 (Premium) erreichen können.
Die Zeit drängt jedenfalls. Schließlich hat beispielsweise das Unternehmen Aldi angekündigt, bereits im Frühjahr 2024 Trinkmilch der Eigenmarken ausschließlich aus diesen Haltungsformen anzubieten. Darauf haben erste Molkereien reagiert und wollen ihren Lieferanten Zuschläge für entsprechende Ware zahlen. Bei Hochwald sind 3 Cent/kg Milch im Gespräch. Andere Molkereien kalkulieren dem Vernehmen nach mit ähnlichen Zuschläge für „QM++“-Milch (entspricht der Haltungsform 3). Als Mitnahmeeffekt kommt oft noch ein Bonus für Schlachtkühe aus zertifizierten Betrieben hinzu.
Umbauten nötig
Vor diesem Hintergrund wägen viele Bauern derzeit die Vor- und Nachteile einer Umstellung auf höhere Haltungsformen ab. Schließlich sind mit der Teilnahme mehr oder weniger große (Um-)Baumaßnahmen erforderlich. Welche Voraussetzungen unter anderem zu erfüllen sind, erklärte Hans-Jürgen Betz vom Zertifizierungsunternehmen ABCG:
Haltungsstufe 3 bzw. QM++: Hier müssen sich die Tiere frei bewegen können. Anbindehaltung ist nicht zulässig. Alle Tiere müssen gleichzeitig liegen können. In Boxenlaufställen ist daher eine Liegebox je Tier vorzusehen. In anderen Laufställen sind mindestens 5 m²/Kuh einzuhalten. Ferner sind den laktierenden Kühen ausreichende Außenklimareize zu bieten. Dies kann durch Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof (mindestens 3 m²/Tier), durch einen Offenfrontstall oder durch die Kombination „Laufstall plus sechs Stunden Weidegang an mindestens 120 Tagen“ erreicht werden.
Um als Offenfrontstall zu gelten, müssen mindestens 25 % der Gebäudehülle geöffnet sein. Dazu zählen die Außenwände, nicht jedoch das Dach. Die Öffnungen dürfen nur für Zeiten mit besonderen Witterungsverhältnissen geschlossen werden. Zulässig sind Curtains, Windschutznetze, aber auch sogenannte Spaceboards, Hubfenster oder Ähnliches.
Vorgeschrieben sind auch geeignete Scheuermöglichkeiten sowie separate Abkalbeboxen mit reichlich Platz (Vorschlag: 10 m2/Kuh) und weicher Einstreu. Gerade der Abkalbebereich erfordert in älteren Boxenlaufställen oftmals Nachrüstungen, erklärte Uwe Eilers vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg in Aulendorf.
Haltungsstufe 4: In der Premiumstufe ist eine Liegebox pro Kuh oder 6 m²/Kuh Stallfläche vorgeschrieben, falls es keine Boxen gibt. Die Laufstallhaltung muss mit einem ganzjährig nutzbaren Laufhof (mindestens 3 m²/Tier) und sechs Stunden Weidegang an mindestens 120 Tagen kombiniert werden. Eine Enthornung der Kälber ist nur im Ausnahmefall mit tierärztlicher Betäubung erlaubt. Haltungsform 4 ist in vielen Punkten deckungsgleich mit den Vorgaben für die Erzeugung von Biomilch.
Zusätzlich Laufhöfe
Aus diesen Vorgaben wird ersichtlich, dass die Nutzung von Laufhöfen künftig stärkere Beachtung finden wird. Allerdings gibt es hier gewisse Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Umweltschutz, wie LLH-Fachmann Dr. Hans-Joachim Herrmann verdeutlichte: Laufhöfe ermöglichen den Kühen zwar mehr Bewegung, sie fördern das Immunsystem und können die Gesundheit sowie Fruchtbarkeit positiv beeinflussen. Außerdem kann der zusätzliche Ausweichraum vor allem bei rangniedrigeren Tieren zur Stressreduktion beitragen.
Weil die Tiere jedoch auf die Laufflächen im Freien koten und urinieren, erhöhen sich die Ammoniak-Emissionen. Dieses Dilemma lässt sich durch eine funktionelle Gestaltung der Außenausläufe ein Stück weit auflösen. So sollten die Laufhöfe leicht zu reinigen sein; mindestens einmal täglich abgeschoben werden – am besten automatisiert.
Um eine zu starke Schmierbildung mit Rutschgefahr für die Tiere zu verhindern, wird der Auslauf bei Bedarf vor der Reinigung idealerweise befeuchtet. Und die Größe der verschmutzen Laufhoffläche lässt sich durch eine Installation von Außenliegeboxen und einen erhöhten Fressbereich verringern. Diese Bereiche bleiben dann sauber, obwohl sie sämtliche Vorteile des Außenklima-Auslaufs bieten.