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Lahmende und hustende Ferkel: Nicht immer sind Streptokokken schuld

Lahmende und hustende Absetzferkel, einige liegen rudernd auf der Seite – da denkt jeder zunächst an Streptokokken. Es kommen aber noch andere Erreger als Ursache infrage.

Lesezeit: 6 Minuten

Schon wieder: Im letzten Jahr gab es im Flatdeckstall von Anja Möller (Name geändert) immer wieder Probleme. Obwohl die Ferkel beim Absetzen optimale Gewichte aufwie­sen, fingen einige Tiere zwei bis drei Wochen später plötzlich an zu lahmen. Manche husteten zudem oder lagen mit rudernden Beinbewegungen auf der Seite und starben wenig später. Die Verlustrate lag bei 5 %.

Auf den ersten Blick schien es sich um eine typische Infektion mit Streptococcus suis zu handeln. Als Sofortmaßnahmen verabreichten Anja Möller und ihr Hoftierarzt den Tieren deshalb ein Antibiotikum. Dadurch schoss jedoch die Therapiehäufigkeit des Betriebes in die Höhe, und geholfen hat die Behandlung in den meisten Fällen auch nicht.

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Untersuchung im Labor

Um der Ursache auf den Grund zu gehen, schickten sie drei lebende Ferkel zur Sektion ein. In dieser Altersstufe ist es sinnvoll, für die Diagnostik lebende oder frisch verendete bzw. notgetötete Ferkel zu untersuchen. Das erhöht die Chance, auch schwer anzuzüchtende Bakterien nachzuweisen.

In jedem Fall empfiehlt es sich, ganze Tierkörper einzuschicken. Denn die nachzuweisenden Erreger sollten an dazu geeigneten Stellen des Tierkörpers gewonnen werden, sogenannten Lokalisationen. Im vorliegenden Fall sind dies das Gehirn, die Lunge, der Herzbeutel und das Brustfell (Pleura). So können sich die Labormitarbeiter einen guten Überblick über den Allgemeinzustand des Tieres verschaffen. Denn häufig können die gleichen Symptome auch von anderen Erregern ausgelöst werden. Empfohlen wird, drei bis fünf Ferkel pro Betrieb zu untersuchen.

Verklebungen am Herzbeutel

Bei der Sektion entdeckte der Pathologe Verklebungen am Herzbeutel und entnahm sterile Proben für eine bakteriologische Untersuchung. Die Proben wurden auf verschiedene Nährböden ausgestrichen, um sie auf alle bakteriellen Erreger zu untersuchen, die in dieser Altersstufe eine Rolle spielen können. Typische Kandidaten sind Streptococcus suis, Mycoplasma hyorhinis, Glaesserella parasuis, Pasteurella multocida oder Actinobacillus pleuropneumoniae.

Gleichzeitig wurden Rückstellproben für weiterführende Untersuchungen entnommen. So kann der eigentliche Verursacher der Probleme – ähnlich wie bei einem Puzzle – immer weiter eingegrenzt werden. Denn nicht jeder nachgewiesene Keim muss auch tatsächlich der Verursacher der Krankheitssymptome sein. Es kann sich auch um Begleitinfektionen handeln, die das geschwächte Tier zusätzlich befallen haben. Um das Problem an der Wurzel zu packen, muss jedoch der Hauptverursacher ausfindig gemacht werden.

Entscheidend ist, dafür die richtigen Tiere auszuwählen. Häufig werden kümmernde Ferkel zur Sektion gebracht. Die sind für die Diagnostik aber meistens ungeeignet, da sich bei ihnen in der Regel schon viele Sekundärerreger angesammelt haben, die für die Erkrankung weniger relevant sind.

Glaessersche Krankheit

Bei den Aufzuchtferkeln von Anja Möller wurde im Rahmen der bakteriologischen Untersuchung des Gehirns und des Herzbeutels der Erreger Glaesserella parasuis nachgewiesen, dem Verursacher der Glässcherschen Krankheit.

Umgangssprachlich wird sie auch Transportkrankheit genannt, weil der Erreger weit verbreitet ist und die oberen Atemwege der Schweine besiedelt, ohne Probleme zu verursachen. Erst in Stresssituationen, ausgelöst z. B. durch das Umstallen oder den Transport der Tiere, kommt es dann zum Ausbruch der Erkrankung. Weitere bakterielle Keime ließen sich nicht anzüchten. Und auch die PCR-Untersuchungen auf virale Erreger wie PRRS oder Influenza verliefen negativ.

Das Problem ist jedoch, dass verschiedene Stämme und Serotypen von Glaesserella parasuis im Umlauf sind, die nicht alle krank machen. Nichtvirulente Typen werden vom Immunsystem erkannt und in die oberen Atemwege zurückbefördert. Sie bereiten daher kaum ernsthafte Probleme. Die krankmachenden Typen hingegen sind in der Lage, dem Immunsystem zu entkommen und sich im Gehirn, in Gelenken, dem Brustfell oder dem Herzbeutel zu vermehren.

Deshalb muss bei einem Nachweis von Glaesserella parasuis auch immer individuell bewertet werden, wie krank machend der gefundene Erreger und wie relevant er deshalb als Verursacher der beobachteten Krankheitssymptome ist. Dies geschieht hauptsächlich durch die Serotypisierung.

Dazu wird der Erreger anhand verschiedener Antigene klassifiziert, die auf seiner Oberfläche vorkommen. Dieses Verfahren eignet sich jedoch nur für eine grobe Einteilung der gefundenen Isolate. Inzwischen haben verschiedene Studien gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen dem Serotyp und der Virulenz des Erregers eher gering ist.

Nachweis von Virulenzgenen

Neuere Forschungen zielen deshalb darauf ab, bestimmte Virulenzgene nachzuweisen und den Erreger aufgrund dieses Ergebnisses dann als krank machend oder weniger krank machend einzustufen.

Aber auch hier ist entscheidend, wo das Probenmaterial für den Erregernachweis entnommen wird. Nasentupfer sind in der Regel weniger gut geeignet. Denn in den Proben lässt sich ein hoher Anteil nicht virulenter Isolate nachweisen. Auch der Nachweis aus der Lunge besitzt wenig Aussagekraft. Denn hier findet man ebenfalls sowohl krank machende als auch nicht krank machende Isolate.

Übersicht 1: Aktive Immunisierung der Ferkel

Lässt sich Glaesserella parasuis da­gegen in eigentlich sterilem Gewebe nachweisen, wie z. B. in Gelenken, dem Brustfell oder dem Herzbeutel, dann kann man davon ausgehen, dass er krank machend ist.

Und wenn sich zudem die klassischen Wegbereiter wie PRRS- oder Influenzaviren nicht nachweisen lassen, ist wahrscheinlich Glaesserella parasuis der wahre Verursacher der Probleme.

Übersicht 2: Mutterschutzimpfung zur Passiven Immunisierung

Stallspezifischer Impfstoff

So war es auch bei den Ferkeln von Anja Möller. Um das Problem gezielt anzugehen und den Antibiotikaeinsatz ihres Betriebes reduzieren zu können, entschied die Landwirtin deshalb gemeinsam mit ihrem Tierarzt, in die Impfung einzusteigen. Der einzige kommerzielle Impfstoff gegen Glaesserella parasuis ist jedoch nur für die Impfung gegen die Serotypen 4 und 5 zugelassen. Im Bestand von Anja Möller wurde hingegen der Serotyp 13 nachgewiesen. Deshalb gab Möllers Hoftierarzt einen bestandsspezifischen, inaktivierten Impfstoff in Auftrag.

Das speziell für diesen Bestand hergestellte Vakzin wird seitdem zweimalig an die Saugferkel verabreicht (siehe Übersicht 1). Die erste Impfung erfolgt in der ersten Lebenswoche, und die zweite Impfung zwei Wochen später. Seitdem treten die beobachteten Krankheitssymptome nur noch sehr vereinzelt im Bestand auf. Entscheidend ist, dass die Immunisierung zwei Wochen vor dem Auftreten der klinischen Symptome abgeschlossen ist.

Treten die Probleme bereits im Saugferkelalter auf, kann der bestandsspe­zifische Impfstoff auch als klassische Mutterschutzimpfung an die Sauen verabreicht werden (siehe Übersicht 2). Welches Impfschema sich am besten eignet, muss im Einzelfall mit dem bestandsbetreuenden Tierarzt besprochen werden.

Der geschilderte Praxisfall wurde von Dr. Ines Spiekermeier (SAN Group ­Biotech Germany GmbH) auf dem ­Mitteldeutschen Schweineforum vor­gestellt. 

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