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Bio-LNG: Zentrale oder dezentrale Verflüssigung?

Bei der Verflüssigung von Biomethan zu Bio-LNG gibt es verschiedene Konzepte. Anlagenbetreiber können sich entscheiden, ob sie das Gas ins Netz einspeisen oder vor Ort verflüssigen.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Produktion von Biokraftstoffen ist eine wichtige Option für landwirtschaftliche Biogasanlagen als Alternative zur Stromerzeugung. Besonders attraktiv erscheint dabei der Kraftstoff Bio-LNG, also verflüssigtes Biomethan.

Der Einsatz von Biomethan verspricht eine erhebliche Treibhausgasminderung (THG-Minderung) gegenüber Diesel oder Benzin. Besonders hoch ist die THG-Minderung, wenn Gülle und Mist als Rohstoff eingesetzt werden. Nach einer Studie des Niedersachsen Netzwerks Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie (3N) haben die 1.600 niedersächsischen Biogasanlagen das Potenzial, 12 % des niedersächsischen Schwerlastverkehrs decken, wenn große Anteile der Wirtschaftsdüngermengen erschlossen werden.

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Der Verkauf von Bio-LNG als Reinkraftstoff sorgt zudem dafür, dass Bio-LNG-Erzeuger bzw. Tankstellenbetreiber eine THG-Quote erzielen. Mit dieser müssen die Inverkehrbringer von Kraftstoff die gesetzliche Vorgabe zur THG-Minderung im Vergleich zu fossilem Kraftstoff einhalten. Die THG-Quote ist auch handelbar.

Für Speditionen als potenzieller Abnehmer ist Bio-LNG als Kraftstoff attraktiv, weil die Fahrzeuge weniger Schadstoffe ausstoßen und damit auch in umweltsensiblen Bereichen fahren dürfen. Außerdem ist der Preis von heimischen oder aus dem europäischen Ausland importiertem Bio-LNG unabhängig vom weltpolitischen Geschehen und damit planbarer als der Preis für Diesel oder fossiles LNG.

Was für das Umrüsten auf die Biomethanproduktion spricht

„Aktuell ist das Interesse der Betreiber von Biogasanlagen enorm, in die Herstellung von Bio-LNG einzusteigen. Neben der besseren Planbarkeit und Projektsteuerung gehören zu den Beweggründen auch die kürzere Genehmigungszeit für Verflüssigungsprojekte im Gegenteil zum Gasnetzanschluss sowie auch der Kostenfaktor, wenn der nächste Gasnetzanschlusspunkt weiter entfernt ist“, erklärt Alexey Mozgovoy, Produkt- und Marketingmanager bei Hitachi Zosen Inova.

Einstieg in den Kraftstoffmarkt: Der Weg zum Bio-LNG

Für den Einstieg in den Kraftstoffmarkt gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Verbindung von mehreren Biogasanlagen mit Rohgassammelleitung zu einer zentralen Gasaufbereitung mit entsprechender Weiterverarbeitung,
  • Bau einer eigenen Gasaufbereitung mit Einspeisung ins Erdgasnetz,
  • Bau einer eigenen Gasverflüssigung.

„Für die Einspeisung ins Erdgasnetz spricht, dass der Anlagenbetreiber nicht noch in die Verflüssigung investieren muss und er sich ganz auf die Biogasproduktion konzentrieren kann“, sagt 3N-Biogasspezialist Michael Kralemann. Außerdem gibt es die Option, verschiedene Märkte zu bedienen, falls der Bio-LNG-Absatz schwanken sollte. „Zudem entfällt der Organisationsaufwand für die Quotenanmeldung und die Abstimmung mit dem Hauptzollamt bezüglich Energiesteuer“, ergänzt Henning Dicks, Geschäftsführer bei Biomethandienstleister Agriportance.

Die eigene Produktion im Griff

Bei dezentralen Anlagen hat der Betreiber die Herstellung von Bio-LNG selbst in der Hand. „Das betrifft Substratauswahl, Erzeugung des Biomethans sowie die Nutzung vom Bio-LNG sowie den Verkauf der THG-Quoten“, zählt Maximilian Ruhe auf. Er ist Geschäftsführer der Ruhe Biogas Service GmbH, die in Darchau (Niedersachsen) auf einem landwirtschaftlichen Betrieb Bio-LNG erzeugt sowie Verflüssigungsanlagen verkauft.

Wie Ruhe erläutert, gilt der Bio-LNG-Produzent als Inverkehrbringer und ist energiesteuerpflichtig: „Dadurch bekommt er das Recht, THG-Quoten zu übertragen.“

Mit einer eigenen Bio-LNG-Anlage kann der Betreiber auch CO2 produzieren. „Es gibt kaum Gasströme, in denen es so leicht ist, CO2 aufzufangen wie bei der Biomethanproduktion“, sagt Paul Roßteutscher vom niederländischen Anbieter von Bio-LNG-Anlagen, Nordsol. Nordsol liefert seine Bio-LNG-Anlagen immer mit Technologie zur separaten Verflüssigung des CO2 aus Biogas, um die Klimabilanz von Bio-LNG weiter zu verbessern und höhere THG-Quoteneinnahmen zu ermöglichen.

Anlagenbetreiber könnten das CO2 künftig auch selbst nutzen, um aus CO2 und Wasserstoff synthetisches Methan herzustellen. „Das ist ebenfalls ein quotenfähiger Kraftstoff, sodass der Erzeuger auch dafür eine THG-Quote verkaufen kann“, sagt Robert Böhm, Produkt- und Marketingmanager für Power-to-Gas-Verfahren beim Anlagenhersteller Hitachi Zosen Inova. Für die Wasserstoffproduktion ist zusätzlich eine Elektrolyse nötig, um Wasser mithilfe von Wind- oder Solarstrom zu spalten. Das Unternehmen hat neben einer Elektrolyse u. a. eine biologische und eine katalytische Methanisierung entwickelt, für die etwa 200 bis 1.000 m3 Rohbiogas pro Stunde eingesetzt werden können.

Wie Tankstellen die Biomethan sehen

Die dezentrale Produktion hat den Vorteil, dass es kurze Versorgungswege zu den Tankstellen gibt. „Täglich beliefern wir die Q1-Tankstelle in Hannover mit 2,3 t Bio-LNG aus Darchau“, erklärt Dina Genzik, zuständig für die Geschäftsentwicklung beim Tankstellenbetreiber Q1 Energie aus Osnabrück. Q1 betreibt inzwischen 200 Tankstellen, davon sechs LNG-Standorte. Zusammen mit dem Hersteller von mobilen Erdgasanlagen GasCom aus Troisdorf hat Q1 das Joint Venture „Beyond Fuels“ gegründet. Die Firma will sich auf verschiedenen Wegen mit Bio-LNG versorgen:

  • Größere Mengen aus dem Ausland importieren,
  • von dezentralen Anlagen in Deutschland einkaufen,
  • in einer eigenen zentralen Großanlage in der Nähe von Nürnberg Bio­methan verflüssigen. Die Kapazität der Anlage beträgt 50.000 t/Jahr. Hierfür will Beyond Fuels Biomethan einkaufen, das Biogasanlagen ins Erdgasnetz eingespeist haben. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2024 geplant.

Die Wirtschaftlichkeit der Biomethanproduktion

Es gibt mehrere Faktoren, die die Wirtschaftlichkeit der Bio-LNG-Produktion beeinflussen. In Übersicht 1 sind Einnahmen und Kosten gegenübergestellt. Die Grafik zeigt: Ein Großteil der Einnahmen kommt aktuell aus dem Verkauf der THG-Quote. Der Quotenpreis ist allerdings sehr schwankend: War er im Jahr 2022 mit über 400 €/t CO2 sehr hoch, haben sich die Preise im Frühjahr 2023 auf 250 €/t fast halbiert. Auch wenn er aktuell wieder steigt: Es ist weiterhin mit Schwankungen zu rechnen.

Auch die Produktionskosten sind ausschlaggebend, da die Differenz zu den Einnahmen die Marge ausmacht. „Je nach Verflüssigungsverfahren muss man mit laufenden Kosten für Strom oder Stickstoff rechnen“, sagt Roßteutscher. Verflüssigungsverfahren, die mit Stickstoff arbeiten, verbrauchen davon pro kg Bio-LNG etwa 2,8 kg. Der Stickstoffpreis liegt aktuell bei etwa 50 ct/kg. Verfahren mit einem elek­trischen Kühlaggregat dagegen benötigen zwischen 0,65 bis 1,9 kWh/kg Bio-LNG. „Wenn der Landwirt dafür z. B. Solarstrom oder Strom eines Biogas-BHKWs nutzt, kann er die Kosten, aber auch den CO2-Fußabdruck erheblich senken und benötigt keine zusätz­lichen Betriebsmittel“, sagt Ruhe.

„Im Jahr 2022 war es nicht so leicht, überhaupt LNG als Kraftstoff im Schwerlastverkehr zu verkaufen, da der Preis im Vergleich zu Diesel sehr stark gestiegen war“, erklärt Hans Rabe vom Tankstellenbetreiber Vigo Bioenergy.

Mehrere Markteinflüsse

Die Erfahrung aus 2022 zeigt: Der Dieselpreis ist ausschlaggebend für den Absatz von Bio-LNG. Zwar enthält 1 kg Bio-LNG etwa 1,5-mal mehr Energie als 1 kg Diesel. Aber dafür sind die Anschaffungskosten für einen Lkw mit LNG-Antrieb rund 20 % höher als ein Diesel-Lkw.

Ein weiteres Hemmnis: Im Jahr 2023 ist die Mautbefreiung für Lkw mit Gasantrieb ausgelaufen. „Bio-LNG bleibt aber eine grüne Alternative zum Diesel, von denen es im Schwerlastverkehr nur wenige gibt“, sagt er. Darum wird der Absatz seiner Meinung wieder steigen.

Viele neue Projekte in Arbeit

Mit dem Absatz wird auch das Angebot steigen (siehe nachfolgende Übersicht). Denn es gibt viele Projekte, die 2023/24 in Betrieb gehen:

  • In der Rheinland-Raffinerie in Köln-Godorf plant Shell eine Biogas-Verflüssigungsanlage mit einer Kapazität von rund 100.000 t pro Jahr.
  • Erdgas Südwest, bmp Greengas und der Tankstellenbetreiber Alternoil wollen in Burghaun bei Fulda die weltweit zweitgrößte Verflüssigungsanlage für Bio- und synthetische Kraftstoffe bauen. Sie soll etwa 63.000 t Bio-LNG im Jahr produzieren.
  • Alternoil hat Mitte 2022 mit der Scandinavian Biogas AG einen langfristigen Liefervertrag für abfallstämmiges Bio-LNG in Höhe von rund 250 Mio. € abgeschlossen. Scandinavian Biogas mit Hauptsitz in Stockholm ist ein Biogas-Hersteller für Kraftstoffe und Düngemittel. 25 % der jährlichen Biomethanproduktion des schwedischen Unternehmens soll nach Deutschland fließen.
  • Auf einem Gelände der Vier Gas Gruppe in Röthenbach an der Pegnitz errichten GasCom und Vier Gas bis Ende 2024 eine Biomethan-Verflüssigungsanlage mit einer Kapazität von jährlich 50.000 t Bio-LNG.
  • Der Tankstellenbetreiber Vigo Bioenergy (ehemals Liquind) will in Sachsen-Anhalt im Jahr 10.000 t Bio-LNG in einer eigenen Verflüssigungsanlage erzeugen.
  • Der Biogasanlagenbauer EnviTec hat den Bioenergie Park Güstrow übernommen und will dort ab Mitte 2023 jährlich ca. 9.000 t Bio-LNG herstellen.
  • Die deutsche energielenker Gruppe und Hitachi Zosen Inova haben in Blankenhain (Thüringen) eine Gesellschaft gegründet, welche bis Ende 2023 eine Anlage für die Produktion von jährlich 3.700 t Bio-LNG errichtet.
  • Die Bioenergie Geest (eine Gemeinschaftsbiogasanlage aus Apensen/Niedersachsen) und das Schweizer Unternehmen Hitachi Zosen Inova haben eine Gesellschaft gegründet, um ab Anfang 2024 jährlich 5.000 t Bio-LNG aus Biomethan zu erzeugen.
  • Hitachi Zosen Inova baut im Auftrag der Verbio AG am Standort Zörbig (Sachsen-Anhalt) eine Gasreinigungsanlage zur Aufbereitung von Biomethan. Das von Verbio hergestellte Biomethan wird zukünftig in einer Bio-LNG-Anlage verflüssigt und im Kraftstoffmarkt eingesetzt.

Was für Bio-LNG spricht

Trotz der Angebotsausweitung und der schwankenden THG-Quotenpreise dürfte die Produktion von Bio-LNG mittelfristig attraktiv bleiben, erwarten Marktbeobachter. „Die Bundesregierung wird die CO2-Minderungsziele einhalten müssen und im Schwerlastverkehr werden Biokraftstoffe noch lange die einzige Option bleiben“, erwartet Alexey Mozgovoy von Hitachi Zosen Inova.

Das Auslaufen von nicht nachhal­tigen Biokraftstoffen aus Südostasien sowie die Beschränkung von Biokraftstoffen der ersten Generation wie Biodiesel wird die Rolle von Bio-LNG für die Versorgung des Schwerlastverkehrs weiter stärken.

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