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Bad Salzuflen

Mohnanbau als Betriebszweig – nur der Handel arbeitet gegen die Bauern

Ein Junglandwirt bietet Mohn mit einer Reinheit von 99,5 % und Zertifizierung an. Backhandwerk, STV und der Handel schikanieren und blockieren aber, wo sie nur können.

Lesezeit: 5 Minuten

Welche Möglichkeiten der Anbau von Blaumohn bietet und welche Hürden ihm in den Weg gelegt werden, schilderte Landwirt Matthias Lampenscherf aus Bad Salzuflen vergangene Woche eindrucksvoll bei einem Webinar des WLV-Bezirks Ostwestfalen und des Junglandwirteforums.

Der 29-Jährige von der Gut Vinnen GbR hat schon drei Ernten eingefahren und berichtete, dass er eher zufällig in den Mohnanbau „hineingestolpert“ sei. Denn der Betrieb besitzt eine Saatgutaufbereitungsanlage und kam über eine Reinigungsanfrage für Mohn an das Thema heran.

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Mohn ist eine Risikofrucht

Für den Mohnanbau passte Lampenscherf die Fruchtfolge an. Neu hinzu kamen Roggen und Leguminosen.

Mohn ist allerdings eine Risikofrucht, wie der Junglandwirt direkt klarstellte. Der Ertrag reicht von 10 dt/ha in guten Jahren bis zu 100 kg/ha in schlechten. Vor allem das Wetter ist entscheidend: Regen in der kurzen Blütezeit kann die ganze Ernte vernichten. Aktuell bestehen 5 % der Fruchtfolge aus Mohn, das sind 10 ha.

Aussaat ist Ende September mit einer klassischen mechanischen Sämaschine und 1 kg/ha. Die Saat ist sehr feinkörnig. Beim Pflanzenschutz und der Düngung überrascht der Mohn mit seiner Anspruchslosigkeit. Mit normalen Mais-Herbiziden sowie Gräsermitteln aus dem Rübenanbau fährt Lampenscherf sehr gut. Es gibt keine Schädlinge und Krankheiten. Geerntet wird Ende Juli.

Anziehungspunkt für Besucher

Ein positiver Nebeneffekt ist das tolle Landschaftsbild: Der Mohn blüht lila und erfreut sich bei den Bürgern großer Beliebtheit. „Ich habe schon Kennzeichen von Autos gesehen, die über 50 km weit gefahren sind, um bei uns Fotos zu machen“, berichtet Lampenscherf. Schäden durch den Fototourismus entstünden kaum. Durch das Trampeln durch die Fahrgassen würde nebenbei die Kamille kurzgehalten.

„Endlich können wir Landwirte mal ein positives Bild in der Außendarstellung setzen. Die Leute kommen auf uns zu und fragen“, freut sich der Ostwestfale.

Ernte: Mähdrescher gut abdichten

Für die Ernte setzt die Familie einen klassischen Mähdrescher ein, dichtet ihn aber zusätzlich ab. Die Siebe sind weiter auf und den Wind muss man reduzieren. Im Einsatz entstehen dann dicke Matten, die zusätzlich gegen unbeabsichtigten Verlust der kleinen Mohnkörner wirken. Aus dem Drescher kommt der Mohn dann wie folgt heraus:

Die Weiterverarbeitung erfolgt auf dem Hof. Es geht durch die Kistentrocknung, die Lampenscherf mit 30 bis 50 Ct/kg ansetzt. Es folgt die Saatgutreinigung per Windreiniger, Tischausleser und Trommelreiniger. Die Technik dazu hat Lampenscherfs Vater selbst gebaut. Und seiner Meinung nach ist die Reinigung von Sonderkulturen ein Wachstumsmarkt. „Für das Reinigen gibt es keine Anleitung. Wir haben auch schon viel Lehrgeld bezahlt“, berichtete der Landwirt am vergangenen Dienstag weiter.

Schon nach dem ersten Sieben sieht der Mohn dann so aus:

Am Ende liegt die Reinheit bei 99,95 %. Das verlangt auch die IFS-Zertifizierung so, ohne die der Mohn nicht zu verkaufen ist. Die wiederum hat es in sich: Drei Aktenordner mit Verfahrens- und Betriebsanweisungen, mit Prozessbeschreibungen und der Trinkwasseranalyse führen zu einem hohen Verwaltungsaufwand, beklagt Lampenscherf, der das alles für seine nur 30 t beachten muss.

Vermarktung gegen reichlich Widerstände

Neben der hohen Bürokratie macht dem Betriebsleiter auch die Saatguttreuhand STV das Leben schwer. Er berichtet davon, wie dem Hof immer neue Steine in den Weg gelegt werden und wie die Industrie Druck ausübt, dass man doch aufhören solle. Das ist auch der Grund, warum die Bad Salzufler den Betriebszweig nicht weiter ausbauen werden.

Fassungslos zeigt er sich auch von dem Verhalten der Aufkäufer. „Die versuchen alle, den Preis zu drücken oder die Ware abzuweisen“, warnt der Praktiker. Da werde die Qualität schlecht geredet, ein angeblicher Reinigungsschwund abgezogen und Flecken auf dem Big Bag führten zur kompletten Ablehnung des Inhalts. „Für den Großhandel zählt auch nicht das gesprochene Wort oder eine mündliche Vereinbarung, sondern nur das, was auf dem Papier steht – und die schreiben nichts auf und binden sich nicht“, erzählt der Landwirt aus seinen Erfahrungen. Er lasse sich diese Willkür auch nicht mehr gefallen.

Enttäuscht ist er auch von den Bäckern. Die wollten doch immer regionale Ware, das Interesse sei auch da, nur binden und konkret über Preise sprechen wollten sie nicht. Er wisse bis heute nicht, zu welchem Preis denn ein Bäcker so durchschnittlich einkauft, das bleibe deren Geheimnis. Nur wie soll man dann etwas anbieten?

Dann kam zuletzt noch das Preishoch, mit der Folge, dass die Ernte 2022 noch nicht verkauft ist und überlagert wird.

Starke Nerven und Durchhaltevermögen erforderlich

Die Vermarktung sieht Lampenscherf wie ein Rodeo aus Schikane und Preisdrücken, das jeden Nerv raube. Landwirte müssten da einen langen Atem haben. Man dürfe – wegen der großen Schwankungen – auch nicht ein Einzeljahr betrachten, sondern müsse die Erlöse über einen längeren Zeitraum sehen und daraus entscheiden, ob es sich weiterhin lohnt.

Dennoch ist er sich sicher: „Rohware kann jeder anbieten, verarbeitete Ware aber nicht.“ Daher hofft er weiterhin auf Zutritt zum Markt. Gern würde er z.B. Fertigmischungen für Bäcker herstellen. Nur hierzu wären Investitionen in Anlagen in Höhe mehrerer zehntausend Euro notwendig. Solange sich kein Abnehmer bindet, ist das Risiko daher zu hoch für ihn.

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