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Stickstoff-Sensoren: Exakt in der Praxis?

Nahinfrarotspektroskopie-Sensoren (NIRS) können Gülle in Echtzeit analysieren, damit die Pumpe die Ausbringmenge anpassen kann. Doch wie zuverlässig funktioniert die Technik in der Praxis?

Lesezeit: 8 Minuten

Dieser Beitrag erschien zuerst im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Gülle schnell und einfach analysieren, in Sekunden auf wechselnde Nährstoffkonzentrationen reagieren können und die Messwerte direkt für die Dokumentation nutzen: Das sind die Hauptgründe für den Einsatz von NIRS-Sensoren bei der Gülledüngung. Zumindest im Labor funktioniert das nachweislich sehr gut. Doch die Geräte müssen gut kali­briert sein, um ähnlich genaue Messdaten wie herkömmliche nasschemische Analysen zu erzielen.

In der Praxis kommen dann viele Faktoren zusammen, die die Genauigkeit beeinflussen könnten. Wie genau arbeiten NIRS-Sensoren also wirklich und vor allem: Was können Anwender tun, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen?

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NIRS-Sensoren verstehen

Die NIRS-Technik ist eine indirekte Messmethode, die schon seit vielen Jahren im Labor zur Analyse von Futtermitteln aber auch von Wirtschaftsdüngern eingesetzt wird. Das Funktionsprinzip dieser Geräte beruht auf der Messung von verschiedenen Lichtwellen, welche die Gülle reflektiert.

Dazu bestrahlt eine spezielle Lampe die am Sensor vorbeiströmende Gülle kontinuierlich mit Licht im nahinfraroten Bereich. Ein Sensor registriert die reflektierten Lichtwellen-Spektren und ein Computer berechnet die entsprechenden Inhaltsstoffe basierend auf Kali­briermodellen. Diese herstellerspezifischen Modelle beruhen auf vielen Referenzproben, welche im Labor untersucht wurden.

Das heißt: Übertreffen können die NIRS-Sensoren das Labor auf keinen Fall, weil sie nach nasschemischen Analysen kalibriert wurden.

Vor- und Nachteile NIRS

Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die Möglichkeit der Online-Messung kann die Gülle schnell und einfach in Echtzeit beim Ausbringen analysiert werden. Durch die NIRS-Sensoren kann so auf wechselnde Nährstoffkonzentrationen reagiert und somit die Nährstoffeffizienz erhöht werden.

Besonders interessant: Die Daten werden direkt im Bedienterminal gespeichert und Landwirte dürfen diese in einigen Bundesländern – darunter NRW – zur Dokumentation der Düngemaßnahmen nutzen. Dazu müssen die Geräte allerdings gut kalibriert sein, um vergleichbare Messdaten wie die herkömmliche Laboranalyse erzielen zu können.

Beim Anwenden unter Praxisbedingungen auf dem Acker kommen dann allerdings viele Faktoren zusammen, die die Genauigkeit beeinflussen können: So sind Güllen sehr heterogen, sodass die Kalibriermodelle nicht jeden Wirtschaftsdünger abdecken können. Insbesondere Güllezusätze können zu Problemen bei der NIRS-Bestimmung führen. Auch handelt es sich bei den Sensoren um empfindliche Messinstrumente, welche regelmäßige Wartung benötigen, da zum Beispiel Verschmutzungen oder Kratzer auf dem Saphirglas der Sensoren die Lichtbrechung beeinflussen.

Um herauszufinden, wie genau NIRS-Sensoren in der Praxis wirklich arbeiten, hat die Hochschule Osnabrück eine Untersuchung durchgeführt, bei der verschiedene Systeme von Lohnunternehmern und Landwirten während der Gülleausbringung überprüft wurden. Die Vorgehensweise ist unten unter „So wurde gemessen“ zusammengefasst.

Teils große Abweichungen

Für den Gesamt-Stickstoffgehalt zeigten mehr als die Hälfte der 205 Sensorergebnisse eine Abweichung von mehr als 10% unterhalb oder oberhalb der Laborergebnisse. Nur sieben Sensorwerte stimmten exakt mit den Laborwerten überein und für drei Messwerte ergab sich sogar ein Überbefund von bis zu 90%.

Den statistischen Zusammenhang zwischen den Sensordaten und den Labordaten – und damit die Verlässlichkeit der NIRS-Messung – bewertet man mit dem r²-Wert. Dieser kann zwischen 0 und 1 liegen. Je näher der Wert bei 0 liegt, desto geringer ist dabei der Zusammenhang, Werte größer 0,8 sind wünschenswert. Die Tabelle zeigt, mit welchem Wert verschiedene Sensoren im Bezug auf verschiedene Inhaltsstoffe abgeschnitten haben. Die Namen der Hersteller sind sowohl den Autoren als auch der Redaktion bekannt. Sie sind aber anonymisiert, da die Untersuchung auf die Praxisverlässlichkeit und nicht auf den Vergleich der Sensoren abzielt. Beachtet werden muss mit rund 65 Messwerten pro Hersteller die Größe der Stichprobe sowie die Fehlerquellen, welche durch das Beprobungsverfahren auftreten können.

Große Differenzen bei P2O5

Bei der Phosphorbestimmung zeichnet sich ein ähnliches Bild wie beim Stickstoff ab: Über zwei Drittel der Sensordaten zeigten Abweichungen von über 10%. Bei 19 Proben waren Minderbefunde von über 50% festzustellen, während für vier Proben Überbefunde von über 90% dokumentiert wurden.

So ergeben sich auch bei Phosphor für Sensortyp A und B nur schwache r²-Werte von 0,33 bzw. 0,29. Anders als bei der Stickstoffbestimmung schnitten alle drei Sensortypen gerade bei flüssigen Gärresten schwach ab. Bei der Phosphorbestimmung in Schweine- und Rindergülle zeigten sich unterschiedliche Ergebnisse, die vermutlich dadurch verursacht wurden, dass die Güllen nur unzureichend durch die Kalibriermodelle der Sensoren abgedeckt sind.

Über den Link am Ende des Beitrages finden Sie detailliertere Grafiken, bei denen Sie die einzelnen Messwerte für P2O5 und Gesamt-N mit den Laborergebnissen vergleichen können.

Genauigkeit je nach Gülle?

Es lassen sich keine klaren Tendenzen erkennen, wonach die Sensoren für einzelne Güllearten besser oder schlechter messen. Güllearten-übergreifend sind Messfehler vermutlich darauf zurückzuführen, dass die untersuchten Güllen nicht durch die Kalibriermodelle der Hersteller abgedeckt waren. Alle drei untersuchten Sensoren besitzen die DLG-Anerkennungen zur Bestimmung von Stickstoff und zum Teil für Phosphor. Diese Anerkennungen werden ausgestellt, wenn die Sensoren bei der Prüfung keine Abweichungen über 35 % aufweisen. Die durchgeführte Praxiserhebung zeigt, dass die DLG-Anerkennung keine Garantie für eine präzise Messung mit niedrigen Abweichungen zu den Laborwerten ist.

Daher sollten die Anwender eine regelmäßige Überprüfung der Sensoren mit den auszubringenden Güllen durchführen. Nur wenn sichergestellt ist, dass das Kalibriermodell des Sensors die jeweilige Gülle abdeckt, kann der NIRS-Sensor seine Vorteile ausschöpfen. Zusätzlich sollte die regelmäßige Wartung und Reinigung sichergestellt sein. Während der Ausbringsaison ist dies zeitlich oft schwierig, allerdings Grundvoraussetzung, um eine präzise Messung zu ermöglichen.

Was bleibt festzuhalten?

Die NIRS-Technologie hat sich bereits unter Laborbedingungen sowie in einigen landwirtschaftlichen Anwendungsfeldern wie der Proteinbestimmung bei Getreide als zuverlässig erwiesen. Die kontinuierliche Online-Erfassung von Gülleinhaltsstoffen ermöglicht eine sofortige Bewertung sowie eine entsprechende Anpassung der Ausbringmenge. Die aufwendige und fehlerbehaftete Beprobung der Güllelager entfällt damit. Auch wenn die Verlässlichkeit der NIRS-Messung unter Praxisbedingungen häufig noch nicht zufriedenstellend ist, kann die Nutzung dieser Technologie sinnvoll sein. Anwender sollten ihre NIRS-Sensoren regelmäßig entsprechend der Herstellervorgaben warten. Anzuraten ist weiterhin, die Übereinstimmung zwischen NIRS-Messung und Laborwerten in der Güllesaison mehrfach zu prüfen. Die in der Untersuchung gewählte Vorgehensweise ist auch für Praktiker leicht umzusetzen. Sobald die Laborwerte vorliegen, kann man die NIRS-Messwerte nachjustieren.

So wurden die Sensoren getestet

Zwischen März und Juli 2023 wurden insgesamt 17 NIRS-Sensoren von 3 Herstellern untersucht, welche bei Lohnunternehmern und Landwirten in Nordwestdeutschland im praktischen Einsatz sind (9 Geräte von Hersteller A, 6 Geräte von Hersteller B und 2 Geräte von Hersteller C). Die Sensoren waren zum Messzeitpunkt mit der jeweils aktuellsten Herstellersoftware kalibriert.

Um die angezeigten Messwerte in der Schlepperkabine passend zur Entnahme der Laborproben zu erfassen, wurde eine Kamera vor dem Terminal installiert (siehe Foto) und per Fernauslösung ausgelöst. Die Entnahme der Referenzprobe erfolgte leicht zeitversetzt, um an der Entnahmestelle genau die Gülle zu erwischen, die zum Zeitpunkt des Display-Fotos am NIRS-Sensor vorbeigeflossen ist. Die meisten Probenentnahmen erfolgten während des Ausbringens direkt am Verteiler. Wo die NIRS-Messung während des Befüllvorgangs erfolgte, wurde die Probe durch einen Kugelhahn im Ansaugrohr genommen.

Jeder der 17 Sensoren sollte in Rindergülle, Schweinegülle und flüssigen Gärresten untersucht werden – mit je vier Proben pro Gülleart. Da aber nicht jeder Lohnunternehmer bzw. Landwirt alle Güllearten ausbringt, wurden fehlende Proben durch weitere Beprobungen vorhandener Wirtschaftsdüngerarten ausgeglichen. Insgesamt kamen so 205 gültige Proben zusammen.

Anschließend wurden die Proben durch die LUFA Nord-West in Hameln, welche eine Akkreditierung für die Inhaltsstoffbestimmung der Güllen besitzt und erfolgreich an mehreren Ringversuchen teilgenommen hat, analysiert.

Kurz kommentiert: NIRS für Gülle weiter fördern!

Es kommentiert Julian Osthues, Redakteur des "Wochenblattes für Landwirtschaft und Landleben".

Zugegeben: Die Ergebnisse aus Osnabrück sind ernüchternd. Die NIRS-Sensoren spucken beim Güllefahren zwar Nährstoffgehalte aus, diese weichen in der Praxis aber zu oft deutlich von den Labormessungen ab. Hier müssen die Hersteller unbedingt nachbessern!

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die dokumentierten Ergebnisse zeigen Momentaufnahmen, während die Sensoren tatsächlich zig Tausende Messungen pro Hektar durchführen. Für die vorgeschriebene Düngebedarfsermittlung und -dokumentation reicht dagegen eine einzige Analyse für Tausende Kubikmeter – oder gar ein Richtwert.

Daher ist es richtig, dass das Land NRW offen ist für die Technologie, Düsseldorf erlaubt die Dokumentation mit NIRS-Sensoren. Aus gutem Grund: Bei regelmäßiger Wartung, zunehmenden Referenzdaten und korrekter Anwendung lässt sich Gülle mit NIRS-Sensoren noch genauer ausbringen. Denn dann reden wir nicht mehr über Kubikmeter pro Hektar, sondern über Kilogramm Stickstoff pro Hektar – und dokumentieren diesen wichtigen Wert gleich mit. Das schützt Landwirte vor noch mehr Zeit im Büro und gleichzeitig vor unter- oder überdüngten Beständen. Das wiederum schont Grundwasser und Umwelt.

Verständlicherweise schrecken aber viele Landwirte vor den Kosten zurück. Hier könnte die Politik helfen und Gelder umverteilen: Von immer schärferen Kontrollen und fragwürdigen Dokumentationspflichten hin zur Förderung von NIRS-Sensoren. Das wäre ein Beleg, dass die Politik es Ernst meint mit Bürokratieabbau und effektivem Umweltschutz.

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