Landwirte arbeiten schon immer in dynamischen Systemen, in denen sie sich und ihre Anbaumethoden ständig neu justieren müssen. In den letzten Jahren nahmen die Ausschläge mit trockenen und nassen Phasen aber weiter zu, so dass Ideen für resilientere Ackerbausysteme mehr denn je gefragt sind.
Für den DLG-Präsidenten Hubertus Paetow ist es auch keine Frage, ob der nasse Herbst jetzt schon Klimawandel oder doch noch Wetter ist. Nach seiner Überzeugung spielt das keine Rolle, wenn man nicht mit der Drille auf den Acker kommt, weil der Boden nicht befahrbar ist.
Besser als Brüsseler Versuche
Beim DLG-Kolloquium fragte sich Paetow heute in Berlin, wie Produktivität und gesunde Böden zusammengehen können, ohne die bekannten Nachhaltigkeitsziele aus den Augen zu verlieren. Der relativ neue Ansatz der Regenerativen Landwirtschaft bietet hier womöglich Antworten, wenn auch für das Konzept noch nicht einmal eine allgemeingültige Definition existiert.
Dennoch verspreche das Verfahren vielleicht mehr Erfolg als „Feinsteuerungsversuche“ der EU wie beispielsweise die kürzlich gescheiterte Sustainable Use Regulation (SUR), vermutet der DLG-Präsident. Denn es unterscheide sich beispielsweise vom Ökolandbau, der sich vor allem durch Verbote für Agrarchemie oder Mineraldünger definiere, schon einmal dadurch, dass er stattdessen zielorientiert auf die Förderung von Bodengesundheit und -fruchtbarkeit setze. Für Paetow Grund genug, sich einmal mit dieser „vielversprechenden Idee“ zu beschäftigen.
Fünf Grundprinzipien
Ab was ist mit Regenerativer Landwirtschaft gemeint? Laut Dr. Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) zeichnet sich das Verfahren durch fünf Grundprinzipien aus:
- Minimale Bodenstörung
- Erhalt lebender Wurzeln
- Maximale Bodenbedeckung
- Integration von Tieren in den Ackerbau
- Vielfalt im Bestand und in der Fruchtfolge
Parallelen zur Konservierenden Landwirtschaft
Damit teilt die Regenerative Landwirtschaft viele Ansätze mit dem Konservierenden Ackerbau, etwa Bodenruhe und -bedeckung oder bei den diversen Pflanzengesellschaften. Bodner räumt ein, dass nicht alle Prinzipien der regenerativen Wirtschaftsweise in jeden Betrieb zu integrieren sind – beispielsweise, was die Einbeziehung von Nutztieren angeht. Er sieht aber schon den Trend, dass immer mehr Höfe versuchen, zumindest einen Teil davon mit Erfolg in ihre Abläufe einzubauen.
Dabei gilt es aber einiges zu beachten. Nach Darstellung von Bodner unterscheidet sich die Regenerative Landwirtschaft von anderen Ackerbaumethoden unter anderem darin, dass die Bodenmikrobiologie in den Fokus nimmt und bei der Bodenbedeckung nicht auf totes organisches Material, sondern auf lebenden Bewuchs setzt. Ihm zufolge sind Ausscheidungen lebender Wurzeln und der dadurch angeregte Transport von in Wasser gelöstem Kohlenstoff enorm wichtig für den Aufbau von Humus und aktives Bodenleben. Ziel müsse deshalb sein, mit Zwischenfrüchten, Unter- und Begleitsaaten einen dauerhaften und möglichst vielfältigen Bewuchs zu erhalten.
Ackerboden an natürliche Ökosysteme heranführen
Damit führt Regenerative Landwirtschaft den Ackerboden möglichst nah an natürliche Ökosysteme und soll so die Resilienz der dort wachsenden Kulturen optimieren. Bodner räumt ein, dass das Verfahren wissenschaftlich noch nicht vollständig ausgelotet ist. Forschungsbedarf sieht er beispielsweise in der Quantifizierung der Wirkungspfade und in der belastbaren Bemessung der damit verbundenen Ertrags-, Qualitäts- und Resilienzgewinne. Dennoch ist für ihn bereits klar, dass das Verfahren ein Turbo für den Humusaufbau ist. In den von ihm begleiteten österreichischen Leuchtturmbetrieben wurden binnen 26 Jahren je nach Bodenart zwischen 15 und 25 % Humusneubildung gemessen.