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Rukwied warnt erneut vor Ernteausfällen wegen fehlendem Stickstoffdünger

Der DBV-Präsident sieht bis ins kommende Jahr hinein kaum Chancen auf eine Normalisierung der Lage und pocht auf politische Gegenmaßnahmen.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Lage am Düngermarkt ist verfahren. Produktionseinschnitte wegen extrem hoher Erdgaskosten haben das ohnehin schon knappe Angebot bei stickstoffbasierten Düngemitteln weiter eingeschränkt. Beim Koppelprodukt AdBlue sieht es kaum besser aus. Wir haben mit Joachim Rukwied, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, über die kurzfristigen Aussichten bei diesen Betriebsmitteln und mögliche Handlungsoptionen gesprochen.

top agrar: Herr Rukwied, wie beurteilt der Bauernverband die aktuelle Düngerversorgung?

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Rukwied: Die Entwicklung macht mir große Sorgen. Wenn der Europäische Düngemittelverband meldet, dass die die europäischen Hersteller ihre Düngemittelproduktion im Zuge der Gaskrise um mehr als 70 % zurückgefahren oder eingestellt haben treibt mich das um. Wir brauchen Stickstoffdünger, um die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit gesunden und hochwertigen Nahrungsmitteln sicherstellen zu können.

Wie schätzt man - ausgehend von der jetzigen Lage – bei Ihnen die Situation im kommenden Frühjahr ein?

Rukwied: Marktexperten zufolge sorgen die hohen Gaspreise in der EU für Herstellungskosten von Stickstoffdüngern, die um 50 bis 100 % höher als am Weltmarkt sind. Realistisch kann die Versorgung mit Stickstoffdüngern nur über zusätzliche Importe gedeckt werden. Wir haben seit Monaten darauf hingewiesen, dass Dünger knapp werden könnte.“

Werden nach dem weitgehenden Ausfall wichtiger europäischer Produzenten Drittlandsimporte die Lücken quantitativ und qualitativ schließen können?

Rukwied: Ob es möglich ist, ausreichend Düngemittel aus Nordafrika, Arabien, den USA und der Karibik zu importieren, hängt jetzt von der rechtzeitigen Bestellung, dem Umfang der noch freien Produktionskapazitäten dort und der Schiffslogistik ab. Das sind viele Unsicherheiten. Ob das gelingen wird, ist aus heutiger Sicht schwer abzusehen. Die EU und die Bundesregierung müssen erkennen, dass auch Düngemittel systemrelevant sind. Düngemittel nicht mehr selbst herzustellen, sondern in andere Teile der Welt zu verlagern, birgt ein hohes Risiko.

Welche Folgen hätte eine Unterversorgung der heimischen Landwirtschaft mit Mineraldünger?

Rukwied: Auf Kali und Phosphor kann man im Notfall auch mal eine gewisse Zeit verzichten, auf Stickstoffdünger nicht. Um stabile Ernten zu gewährleisten, ist die Verfügbarkeit von Düngemitteln, speziell Stickstoffdünger essentiell. Für die Erzeugung des wichtigen Stickstoffdüngers ist Gas notwendig. Sollte dieser nur noch eingeschränkt verfügbar sein oder wegfallen, würden die Erträge sofort um 30 bis 40 % einbrechen. Die sichere Ernte 2023 steht also in Frage.

Welche Preisentwicklung erwartet der DBV kurz- und mittelfristig beim Stickstoffdünger?

Rukwied: Wir gehen davon aus, dass der Gaspreis weiter auf sehr hohem Niveau bleiben wird. Dementsprechend werden auch die Preise für Stickstoffdünger auf hohem Niveau bleiben oder sogar noch steigen. Der Weltmarkt kann aber auch preisdämpfend wirken, weil Gas auf anderen Kontinenten derzeit preisgünstiger ist als in Europa.

Der Bauernverband hat vor einigen Monaten die Anlage einer staatlichen Düngerreserve gefordert. Bleibt Ihr Verband dabei? Macht diese Maßnahme in der jetzigen Versorgungssituation denn überhaupt noch Sinn oder würde man damit die Angebotsknappheit nicht nur weiter verschärfen?

Rukwied: Wir haben mit dieser Forderung, die wir bereits Ende März zum ersten Mal gestellt haben, auf die bedrohliche Lage aufmerksam gemacht. Zum damaligen Zeitpunkt hätte man sicherlich reagieren können. Aktuell muss man den Fokus stärker auf die Düngemittelproduktion, die Priorisierung beim Gas und die Aussetzung der Importzölle legen.

Die polnische Regierung führte im Frühjahr für ihre Landwirte Zuschüsse zum Düngerkauf ein. Wäre das auch in Deutschland eine denkbare Maßnahme?

Rukwied: Das ist eine denkbare Maßnahme, aber in einer deutschen Ampel-Regierung politisch unrealistisch. Deswegen drängen wir vor allem auf eine Priorisierung in der Gasversorgung und die Zollaussetzung bei Düngemitteln.

Wäre aus Sicht des Bauernverbandes eine Befreiung der Düngerhersteller von der Gasumlage eine Möglichkeit, die Düngerproduktion anzukurbeln?

Rukwied: Grundsätzlich ist jede Maßnahme sinnvoll, die darauf hinwirkt, die Produktion von Stickstoffdünger zu erhalten. Die Frage ist jedoch, ob eine Befreiung von der Gasumlage angesichts der exorbitanten Gaspreise noch ausreicht, damit die EU-Düngemittelhersteller wieder wettbewerbsfähig werden.

Welche Vorschläge hat der Bauernverband noch, um die Düngerhersteller und deutschen Landwirte in der Düngerfrage zu entlasten?

Rukwied: Entscheidend ist eine Priorisierung beim Gas für die gesamte Land- und Ernährungswirtschaft einschließlich der Düngemittelhersteller. Außerdem fordern wir den Wegfall der Importzölle auf alle Düngemittel. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Befreiung von Ammoniak und Harnstoff geht nicht weit genug.

AdBlue ist als Koppelprodukt in der Stickstoffherstellung derzeit ebenfalls von Produktionsausfällen betroffen. Wie sehr wird die Landwirtschaft tangiert? Müssen wir in den kommenden Monaten mit stillgelegten Schleppern rechnen?

Rukwied: Auch das macht mir Sorgen. Entscheidend, für die Versorgung der Bevölkerung sind funktionierende Lieferketten. Wir brauchen AdBlue für unsere Traktoren, aber auch für die LKW, um unsere Erzeugnisse zu transportieren. Schon jetzt warnen die Spediteure vor dem Ausfall hunderttausender LKW. Wenn Ad Blue nicht mehr verfügbar ist, braucht es eine kurzfristige Ausnahmeregelung zur Abschaltung der AdBlue-Zuführung in der Abgasreinigung.

Herr Rukwied, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Marko Stelzer.

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