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So entstehen Fungizidresistenzen im Getreide

Schadpilze können Resistenzen gegenüber Fungiziden über verschiedene biologische Vorgänge bilden. Nur wer sie kennt, kann das Resistenzmanagement optimal darauf abstimmen.

Lesezeit: 8 Minuten

Unser Autor: Dr. Bernd Rodemann, Julius Kühn-Institut, Braunschweig

Die Resistenzbildung von pilzlichen Schadpathogenen gegenüber Fungiziden ist seit Jahren ein sehr intensiv diskutiertes Thema – nicht zuletzt wegen der Erfahrungen mit der Strobilurin-Resistenz und den Hinweisen zur Minderwirkung verschiedener Azole und SDHI-Carboxamide gegenüber Septoria-Isolaten.

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Generell geht es bei Resistenzen um die erblich bedingte Fähigkeit von Biotypen einer Schaderregerpopulation, Pflanzenschutzmitteleinsätze zu überstehen, die normalerweise zum Absterben der Organismen führen. Behandelt man einen Erreger häufig mit Wirkstoffen des gleichen Wirkmechanismus, können genetische Veränderungen und biochemische Prozesse in der Pilzzelle ihn unempfindlicher gegenüber dem Wirkstoff machen. Reichern sich die wenig sensitiven Biotypen in der natürlichen Pilzpopulation an, mündet das in einer flächendeckenden Resistenz, die bis zu einer völligen Wirkungslosigkeit der Wirkstoffgruppe gegenüber dem Erreger führen kann. Bei anderen spezifisch wirkenden Fungizidklassen können Resistenzen aber auch erst nach etlichen Jahren breiter Anwendung auftreten.

Das heißt: Eine Resistenz ist keine einheitliche Erscheinung. Wichtig ist, spezifische Maßnahmen für ein wirksames Resistenzmanagement zu erarbeiten, um damit die Wirkstoffe mit guter Wirksamkeit nachhaltig in der Praxis nutzen zu können. Doch woran liegt die abnehmende Sensitivität der Pilze?

Schnell gelesen

Fungizidresistenzen unterscheiden sich in ihrer Entstehung und Ausprägung.

Bei der qualitativen Resistenz genügt eine genetische Veränderung im Pathogen, damit es gegenüber einem Wirkstoff unempfindlich wird. Bei der quantitativen müssen sich mehrere Gene verändern.

Bei einer Kreuzresistenz ist ein Schadpilz ­gegenüber allen Wirkstoffen einer chemischen Gruppe weniger empfindlich.

Hat sich ein Pathogen an mehrere Wirkmechanismen angepasst, spricht man von einer multiplen Resistenz.

Ist das Resistenzrisiko eines Fungizids bekannt, ist es wichtig, im nächsten Schritt eine wirkungsvolle Resistenz­managementstrategie zu erarbeiten.

Qualitative Resistenz

Genügt nur eine einzelne genetische Veränderung in der Pilzzelle, um diese unempfindlich gegenüber einem Wirkstoff zu machen, ist die Gefahr der Resistenzbildung besonders hoch. Dies ließ sich Ende der 90er-Jahre beim Einsatz von Strobilurinen (QoI = Quinone inside Inhibitor) beobachten. Bereits kurz nach Markteinführung wirkten sie gegen Echten Mehltau (Erysiphe graminis) im Getreide nicht mehr.

Bei dieser Art der Resistenz, die nur empfindliche oder unempfindliche Individuen in der Pilzpopulation kennt, sprechen wir von einer  qualitativen Resistenz  (= disruptiv), die monogen bedingt ist. Durch eine Veränderung am Wirkort (Tausch von Glycin gegen Alanin an der Position 134 im Cytochrom b) kann der Wirkstoff nicht mehr gebunden werden. Bei mehrfacher Anwendung der gleichen Wirkstoffgruppe werden dann die unempfindlichen Pilzstämme selektiert. Diese bilden sehr schnell eine neue Population, die sich mit der entsprechenden Wirkstoffgruppe dann nicht mehr ausreichend bekämpfen lässt (siehe Übersicht 1).

Quantitative Resistenz

Müssen hingegen Veränderungen an mehreren Genen erfolgen, um weniger empfindliche Rassen entstehen zu lassen, sprechen wir von einer  quantitativen Resistenz . Weil sich der Erreger dabei über die Veränderung mehrerer Gene nur schrittweise anpassen kann („Shifting“), ist die Ausbreitungsgefahr wesentlich geringer (siehe Übersicht 2).

Je höher der Grad der Resistenz eines Erregers, desto mehr genetische Veränderungen müssen in einem einzelnen Individuum zusammentreffen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Pilz, mehrere dieser genetischen Veränderungen aufzunehmen, wird bei einem höheren Resistenzniveau zwar immer geringer, es ist aber möglich (z. B. bei Septoria tritici oder Ramularia collo-cygni).

Gleichzeitig wird diese Eigenschaft nicht dominant vererbt, sondern es erfolgt bei der Generationenabfolge immer wieder eine neue Rekombination der Gene. So entsteht über die Zeit eine bestimmte Häufigkeit, dass diese weniger empfindlichen Individuen auftreten. Wie schnell sie sich anpassen, hängt vom Selektionsdruck und der Fitness der sich bildenden Pilz-Biotypen ab. Gegensteuern kann man, indem man die effektive Wirkstoffkonzentration anpasst und den Wirkmechanismus wechselt.

Über einen längeren Zeitraum betrachtet, bewegt sich die Fungizidempfindlichkeit bei der quantitativen Resistenz in einer Bandbreite auf und ab (siehe Übersicht 3). Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich bei einigen Erregern die Spanne der wirksamen Dosis nach oben verschiebt. Weil die Anpassung in gewissem Maße stabil bleibt, tritt in der Regel kein vollkommener Wirkungsverlust des Wirkstoffs auf. Eher ist mit einem Nachlassen der Kurativleistung oder der Dauerwirkung zu rechnen. Beispiele für ein solches Shifting wurden bei Morpholin- und Azolwirkstoffen beobachtet.

Neben diesen klassischen Formen der Resistenzbildung gibt es auch kombinierte  Übergangsformen . Diese können zu einem kompletten Wirkungsverlust führen oder zu einer über die Zeit erfolgten Anpassung. Am Beispiel der Sensitivitätsveränderung bei den SDHI-Carboxamiden gegenüber Septoria tritici im Weizen lässt sich das erklären (Übersicht 4):

Im Laufe der Zeit treten verschiedene Mutationen (z. B. T 79 N) mit unterschiedlicher Frequenz in der Gesamtpopulation auf, die zu einer Abnahme der Sensitivität führen können. Diese Mutanten können durch natürliche Selektionsprozesse aber wieder verschwinden und durch neue Formen ersetzt werden, die wiederum in anderer Ausprägung die Sensitivität beeinflussen. Teils sind Mutationen, wie die H 152 R bei S. tritici, nur selten zu finden. Bei ausgeprägtem lokalen Auftreten ist es aber möglich, dass sie die Wirkung stark beeinflussen.

Nicht zu vergessen ist, dass neuerdings immer häufiger Doppelmutationen in einem Individuum verbunden mit einem gestiegenen Anpassungs­effekt auftreten. Hier wird sich zeigen, wie gut die Fitness dieser Doppelmutanten ist, um sich in der natürlichen Population durchzusetzen. 

Kreuzresistenz

Werden nun in der Praxis häufig Wirkstoffe aus der gleichen Gruppe eingesetzt, besteht auch die Gefahr einer  Kreuzresistenz . Weil sie im Pilz am gleichen Wirkort ansetzen, kann er bei einer Wirkortveränderung gegen alle Wirkstoffe dieser chemischen Gruppe weniger empfindlich werden. Diese Reaktion wird meist durch denselben genetischen Faktor gesteuert. Wie Übersicht 5 zeigt, wird für die Kontrolle der unempfindlichen Septoria tritici-Herkünfte sowohl eine höhere Dosis von Benzovindiflupyr als auch von Fluxapyroxad benötigt. Um die Gefahr einer Kreuzresistenz zu minimieren, ist es wichtig, Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkungsweisen einzusetzen.

Multiple Resistenz

Darüber hinaus besteht bei einigen Pilzarten die Gefahr, dass einzelne Individuen der Population sich nach vielen wiederholten Fungizideinsätzen an mehrere Wirkungsweisen anpassen können. In diesem Fall spricht man von einer  multiplen Resistenz . Dabei führen Veränderungen des Schaderregers an verschiedenen Wirkorten – z. B. in der Atmungskette (Strobilurine) und im Aufbau der Pilzmembran (Azole) – zu einer abnehmenden Wirksamkeit gegen beide Wirkstoffgruppen. Tritt durch die meist mutationsbedingte Veränderung kein Fitnessnachteil bei den Pilzen auf, besteht die Gefahr, dass sich diese verbreiten.

Resistenzen bewerten und überwachen

Um ein nachhaltiges Resistenzmanagement durchführen zu können, ist es wichtig, zu wissen, wie empfindlich die Pathogenpopulationen auf die Wirkstoffe reagieren. Denn nur so lassen sich resistente Pilzherkünfte bekämpfen und die Selektion und Verbreitung solcher Biotypen vorbeugend vermeiden.

Da diese Biotypen nicht einheitlich, sondern oft regional auftreten, ist es nur mit einem breit angelegten Monitoring über lokale Grenzen hinaus möglich, den Istzustand zu analysieren. Dies gilt insbesondere für windbürtige Schaderreger, die sich über große Distanzen hinweg ausbreiten können.

Zudem ist ein intensiver Kontakt zur Praxis wichtig, um im Labor durchgeführte Sensitivitätsanalysen von Pilzisolaten oder -populationen mit der Feldwirkung vergleichen zu können. Nicht alle im Labor bestimmten Sensitivitätsveränderungen sind auch in der Praxis anhand von Minderwirkungen sichtbar. Andersherum können auch die Labordaten nicht immer alle Wirkverluste im Feld erklären. Um das Genom des Schadpilzes auf mögliche Mutationen zu prüfen, setzt man auf PCR-Verfahren. Mit diesen lassen sich z. B. Änderungen am Wirkort feststellen.

Generell ist zu bedenken, dass eine Sensitivitätsveränderung ein multifaktorielles System ist. So wird die Wirkung eines Mittels auch stark von z. B. Aufwandmenge, Witterung, Formulierung des Produkts, Wassermenge, Düsenwahl, Druck und Fahrgeschwindigkeit sowie von der Verteilung des Wirkstoffs auf den Pflanzen beeinflusst.

Bereits die Zulassungsbehörden verlangen vom Antragsteller eine detaillierte Bewertung des möglichen Resistenzrisikos für das Produkt und für die darin enthaltenen Wirkstoffe. So sind bei Antragstellung z. B. Angaben zur Wirkweise, zum Resistenzmechanismus und zur Gefahr der Resistenzbildung des Pathogens erforderlich. Zudem ist anhand von Monitoringdaten und Freilanderhebungen die natürliche Situation darzustellen und zu beurteilen. Die Gesamtbewertung der Resistenzfaktoren erfolgt dann über die Einschätzung des Resistenzrisikos für den Wirkstoff und den Schaderreger (siehe Übersicht 6). Daraus muss der Antragsteller eine praktikable Managementstrategie entwickeln.

Zu vorbeugenden Maßnahmen gehören z. B. eine weite Fruchtfolge, der Anbau resistenter Sorten, angepasste Saattermine und die Optimierung von Bodenbearbeitung und Düngung. Diese Fakoren sind bei Bedarf durch Pflanzenschutzeinsätze zu ergänzen. Um dabei die Resistenzgefahr zu senken, sollte man Fungizide vorbeugend einsetzen, Wirkstoffmischungen ausbringen und Wirkstoffe sowie Mischungen wechseln. Für dieses sogenannte Vier-Wege-Prinzip ist allerdings eine Wirkstoffvielfalt Voraussetzung.

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