Die EU-Kommission hat entschieden: Ab sofort darf Sommergerstensaatgut mit einer verminderten Keimfähigkeit von 75 % in Verkehr gebracht werden. Auch Hafer und Ackerbohnen sind betroffen.
Der Hintergrund dafür ist, dass die nasse Getreideernte 2023 mit Auswuchsproblemen auch die Vermehrungsflächen getroffen hat. Das hat die Saatgutmenge reduziert.
Gleichzeitig zeigen aktuelle Erhebungen des Statistischen Bundesamtes, dass deutschlandweit wegen der Nässe im letzten Herbst 7,3 % (ca. 203.800 ha) weniger Winterweizen ausgesät wurde. Teils sollen diese Flächen nun mit Sommergetreide bestellt werden. Ein geringeres Angebot trifft in diesem Jahr somit auf eine deutlich erhöhte Nachfrage.
Sondergenehmigung erteilt
Weil Saatgut mit einer hohen Keimfähigkeit in diesem Jahr knapp ist, hat der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) einen Antrag beim Bundessortenamt (BSA) gestellt. Darin ging es um die Frage, ob in diesem außergewöhnlichen Jahr auch Saatgut mit verminderter Keimfähigkeit (andere Qualitätsparameter sind nicht betroffen) gehandelt werden darf.
Als zuständige Behörde hat das BSA diesen Antrag dann an die EU-Kommission weitergeleitet. Aufgrund der Rückmeldungen, dass es an Saatgut mangelt, hat sie kürzlich grünes Licht für eine Sondergenehmigung gegeben. Für Getreide gilt sie bis zum 30.6., für Ackerbohnen bis zum 30.4.2024.
Welche Sorten sind betroffen?
Nach Aussagen einer Sprecherin des Bundessortenamtes kommen von den folgenden Sorten teils auch mindere Keimfähigkeiten in den Handel:
Sommergerste: Diese 20 Sorten dürfen nun mit 75 % Keimfähigkeit gehandelt werden (insgesamt ist die Z-Saatgutmenge auf 3.520 t begrenzt): Accordine, Amidala, Applaus, Avalon, Barke, Gretchen, Kimberly, Leandra, Lexy, LG Belcanto, LG Caruso, LG Rumba, Ostara, Prospect, RGT Planet, Solist, Steffi, Sting, Tolstefix, Yoda.
Hafer: Diese 24 Sorten dürfen nun mit 75 % Keimfähigkeit gehandelt werden (insgesamt ist die Z-Saatgutmenge auf 4.850 t begrenzt): Apollon, Armani, Asteroin, Bison, Caledon, Celeste, Delfin, Dominik, Earl, Efes, Erlbek, Fritz, Hannibal PZO, Ivory, Karl, Kaspero, Lion, Megallan, Max, Platin, Rambo, Stephan, Yukon, Zorro
Nackthafer: Diese 3 Sorten dürfen nun mit 65 % Keimfähigkeit gehandelt werden (insgesamt ist die Z-Saatgutmenge auf 80 t begrenzt): Oliver, Patrik, Talkunar
Ackerbohne: Diese 15 Sorten dürfen nun mit 70 % Keimfähigkeit gehandelt werden (insgesamt ist die Z-Saatgutmenge auf 3.600 t begrenzt): Allison, Avalon, Birgit, Caprice, Daisy, Fanfare, Fuego, GL Jasmin, GL Lucia, Macho, Protina, Stella, Synergy, Tiffany, Trumpet
Worauf ist nun zu achten?
Eigentlich muss Saatgut, welches die marktüblichen Mindestkeimfähigkeiten (bei Weizen z.B. 85 %) nicht erreicht, mit einem roten Etikett am Sack/Big Bag gekennzeichnet sein. Es nennt sich dann Z2-Saatgut. Im Rahmen dieser Sondergenehmigung ist es bislang allerdings noch unklar, welches Etikett (blau oder rot) tatsächlich am Saatgutsack hängen wird.
Der BDP drängt darauf, dass das betroffene Saatgut sogar ein Zusatzetikett erhält, auf dem klar steht, dass es sich um Partien mit herabgesetzter Keimfähigkeit handelt. Übrigens: Die Angabe von Keimfähigkeiten auf dem Etikett ist nicht verpflichtend.
Empfehlung
Wer eine bestimmte Sorte aussäen will, sollte schnell beim Händler fragen, ob diese noch mit normaler Keimfähigkeit erhältlich ist. Wer eine „betroffene“ Sorte wählt, sollte natürlich die verminderte Keimfähigkeit bei der Berechnung der Aussaatstärke berücksichtigen.
Betrachtet man den Saatgutpreis/ha wird Sommergetreidesaatgut wegen des knappen Angebots wohl teurer werden. Insgesamt wird es mit dieser Notmaßnahme laut Franz Beutl, Geschäftsführer der IG Pflanzenzucht, aber voraussichtlich möglich sein, zumindest einen Großteil des Bedarfs an Sommergetreidesaatgut zu decken.