Ende Oktober berichtete top agrar an dieser Stelle und in den Ausgaben 10 und 11/2023 über das Kleingwässermonitoring, einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Grund für die ausführliche Berichterstattung war umfangreiche Kritik an der Studie aus mehreren Bundesländern. Raum für seine Äußerungen haben wir aber auch dem Erstautor der Studie, Prof. Liess vom UFZ, gegeben. Dass die Studienergebnisse sorgfältig zu interpretieren sind, machte Prof. von Tiedemann von der Universität Göttingen in seinem Kommentar deutlich.
Kritik an der Ermittlung der RAK-Überschreitung
Ein wesentlicher Kritikpunkt liegt in der Art und Weise der Ermittlung der RAK-Überschreitungen (RAK = regulatorisch akzeptable Konzentration). Nach dem bereits Prof. Liess sich zur Kritik geäußert hat, folgte in dieser Woche das UBA – mit einer sehr ähnlichen Argumentation. Die aktuelle Stellungnahme des UBA lesen Sie im Folgenden:
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Anmerkungen zur Berichterstattung zum Kleingewässermonitoring in der top agrar 11/2023
Das UBA begrüßt, dass der von uns im August 2023 veröffentlichte Bericht zum Kleingewässermonitoring (KgM) Bestandteil einer ausführlichen, auch kritischen Berichterstattung war. Wir sind stets an einem vertiefenden, fachlichen Austausch mit allen Beteiligten interessiert.
Dennoch finden sich in dem Artikel zum KgM und den dazugehörigen Kommentaren aus unserer Sicht fachlich falsche und irreführende Behauptungen, die sich auf die „regulatorisch akzeptablen Konzentrationen“ (RAKs) von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen im Oberflächengewässer beziehen. Das UBA als für die Ableitung dieser RAKs in Deutschland verantwortliche Behörde möchte daher an dieser Stelle ein paar einordnende Erläuterungen zu diesem Thema geben.
Neuer Kenntnisstand muss einfließen
Herr Prof. Tiedemann kommentiert, dass die RAKs des UBA „willkürlich in einem unrealistischen Bereich angesetzt erscheinen“. Zudem behauptet Frau Claus-Krupp, dass „ungeeignete“ und gar „regelwidrige“ RAKs im Rahmen des Monitorings verwendet worden seien. Beide Äußerungen verkennen die rechtlichen und innerhalb der EU harmonisierten Vorgaben an die Ableitung solcher RAKs, welche erstens eine genaue Methode zur Ableitung vorschreiben und somit eine „willkürliche Festlegung“ ausschließen. Zweitens gibt die hier relevante EU-Verordnung (1107/2009) vor, dass die Ableitung der RAKs stets nach neuestem Wissensstand zu erfolgen hat. Daraus ergibt sich, dass RAKs regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen sind. Die Bewertung und Beschreibung des Risikos für Gewässer aus der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) muss also mindestens das zum Zeitpunkt des Monitorings im Jahr 2018/2019 vorliegende Wissen über die Auswirkungen der nachgewiesenen Stoffe berücksichtigen.
Es ist richtig, dass neues Wissen über Wirkweisen und Risiken von in PSM enthaltenen Wirkstoffen im Laufe der Zeit oft zu einer Herabsetzung der RAKs durch das UBA führt, ohne dass sich diese auf bereits zugelassene PSM und deren Anwendungsvorgaben zur Risikominderung direkt auswirken. Selbst eine turnusgemäße Überprüfung und Anpassung der RAKs im Rahmen des EU Wirkstoff-Wiedergenehmigungsverfahrens garantiert nicht, dass sich das auf EU-Ebene abgestimmte neue Wissen zügig auf die auf dem deutschen Markt befindlichen Mittel auswirkt. Dies wurde vom UBA im Kleingewässermonitoring als ein wesentlicher Grund für die bestehenden und als nicht akzeptabel zu bewertenden Gewässerbelastungen identifiziert. Aus unserer Sicht ist das ein gravierender Missstand, der aber nicht der Landwirtschaft, sondern der derzeitigen Zulassungs-Praxis anzulasten ist.
Ein Beispiel zur Illustration ist das zu der Gruppe der Neonicotinoide zählende Acetamiprid-haltige Pflanzenschutzmittel Mospilan: Bei der noch immer unverändert bestehenden Zulassung aus dem Jahr 2006 leitete das UBA ursprünglich auf Basis der damals vorliegenden Informationen eine RAK von 0,196 µg/L ab. Im Nachgang neuer wissenschaftliche Erkenntnisse im Jahr 2014, die ein bis dahin unterschätztes hohes Risiko der Stoffgruppe der Neonicotinoide für die Umwelt zeigten, wurde die RAK für Acetamiprid durch das UBA auf 0,018 µg/L verschärft. Zwei Jahre später wurde dann im Rahmen des Wiedergenehmigungsverfahrens des Wirkstoffs Acetamiprid europaweit eine vergleichbar niedrige RAK von 0,0235 µg/L abgeleitet, welche die Bewertung des UBA weitgehend bestätigte. Laut Zulassungsverordnung hat nach einem solchen EU-Wiedergenehmigungsverfahren eine Überprüfung aller mit dem Wirkstoff zugelassenen Pflanzenschutzmittel zu erfolgen. Heute, sieben Jahre nach Wiedergenehmigung auf EU-Ebene, wurde durch Verzögerungen im Verfahren noch immer keine Überprüfung der bestehenden nationalen Zulassungen vorgenommen. Welche Bedeutung z. B. dieser verfahrenstechnische Missstand für den ökologischen Zustand unserer Gewässer hat, kann das Kleingewässermonitoring nur auf Basis des gewählten methodischen Vorgehens unter Nutzung der aktuellen RAKs aufzeigen.
Wir haben hier dargelegt, dass die RAK-Werte des UBA wissenschaftlich und fachlich begründet sind und zeigen Lösungsansätze, die vorrangig an die Zulassungsbehörden appellieren, die bestehenden Regelungen zügig umzusetzen und bestehende Verfahrensmissstände zu beseitigen. Darüber hinaus hat das UBA in mehreren Fachveranstaltungen die aufgezeigte Belastungssituation der Kleingewässer gemeinsam mit Akteuren aus der Landwirtschaft diskutiert und um Vorschläge gebeten, wie die Belastungen nachhaltig reduziert werden könnten. Ein Wegdiskutieren der Belastung unter Nutzung eindeutig veralteter RAK-Werte wäre unwissenschaftlich und trägt aus unserer Sicht auch nicht zum Schutz der Kleingewässer bei.
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Kommentar von top agrar Redakteur Daniel Dabbelt
RAK-Werte als letzter Strohhalm?
Das Umweltbundesamt (UBA) fokussiert sich in seinem Schreiben ausschließlich auf die Ermittlung und Verwendung der RAK-Werte. Kein Wort zu den teils enormen Unterschieden zu den Schweizer RAK-Werten –obwohl diese von den gleichen EFSA-Grunddaten abgeleitet sind.Kein Wort zu den vom UBA verwendeten Sicherheitsfaktoren, die den RAK-Werten unzulässiger Weise zugeschlagen wurden. Und auch kein Wort zum Vorwurf, dass der Einfluss urbaner Stoffe nicht ausreichend berücksichtigt wurde und wichtige Rohdaten fehlen. Da fragt man sich schon, ob hier schlicht weg die stichhaltigen Argumente fehlen. Und es wirkt, als wären die RAK-Wert-Überschreitungen der "letzte Strohhalm" an den sich das UBA nun klammert, um das derzeitige Zulassungsverfahren zu diskreditieren.
Doch was steckt hinter der Diskussion über die RAK-Werte? Weitere Recherchen haben ergeben, dass die vom UBA im Kleingewässermonitoring (KGM) verwendeten RAK-Werte größten Teils nicht mit denen übereinstimmen, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln festgelegt hat. Das geht aus einer Posterveröffentlichung auf der diesjährigen Deutschen Pflanzenschutztagung hervor (Körner et al, 2023). Folglich wurden die "UBA-RAK-Werte" auch nicht für die Ermittlung produktspezifischer Anwendungsbestimmungen herangezogen, an die sich Landwirte und Landwirtinnen für eine sachgerechte Nutzung halten. Sie dennoch für die Bewertung von Pflanzenschutzmittelfunden in Kleingewässer zu nutzen, erscheint auch für einen Nicht-Wissenschaftler sehr fragwürdig. Hätten die geltenden RAK-Werte Verwendung gefunden, wären die Studienergebnisse anders ausgefallen und die Kernbotschaft des UBA, dass die gemessenen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in 80% der untersuchten Bäche in der Agrarlandschaft Deutschlands die festgelegten Grenzwerte überschreiten, nicht mehr gültig.
Liebes UBA, so istdas Schreiben für eine konstruktive und lösungsorientierte Diskussion aus meiner Sicht nicht dienlich. Eher habe ich das Gefühl, dass man sich hier einen Fehler nicht eingestehen will. Mit der Folge, dass das eigentliche Ziel, den Zustand der Kleingewässer zu ermitteln, ins Hintertreffen gerät. Für mich ist daher auch die Forderung nach 18 m breiten Randstreifen an Gewässern überzogen und unbegründet.
Mein Fazit: Bislang hat man mit dem Kleingewässermonitoring nichts erreicht. Nur der Imageschaden für die Landwirtschaft, der ist wieder einmal gesetzt. Denn, sind Titel wie "Pestizide in Bächen gefährden Artenvielfalt" oder "Mit dem Regen kommt die Giftflut vom Acker" einmal veröffentlicht, brennen sie sich ins Gedächtnis der Verbraucher ein. Ach ja, und eins noch. Auch dasVertrauenin die Wissenschaft wird durch solch eine Studie wohlnichtzunehmen. Das ist bedauerlich...