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Interview

Klimaschutz-Experte mahnt: Bei CO2-Zertifikaten realistisch bleiben

Auf dem Markt für CO2-Zertifikate herrscht Goldgräberstimmung. Dr. Axel Don vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz sieht die Entwicklung skeptisch.

Lesezeit: 4 Minuten

In Zeiten des Klimawandels sollen CO2-Zertifikate einen Anreiz bilden, die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen zu senken. Auch Landwirte können am Handel mit diesen Zertifikaten teilnehmen und bspw. durch verstärkten Humusaufbau am freiwilligen Markt teilnehmen. In Interview mit top agrar erklärt Dr. Axel Don vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz in Braunschweig, warum für die Wissenschaft viele der bisher vermarkteten Zertifikate aus klimasicht wenig glaubwürdig sind.

top agrar: CO2-Zertifikate für eine Humusanreicherung im Boden liegen im Trend. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

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Don: Humus ist für den Boden in ­vieler Hinsicht sehr wertvoll. Es ist gut, dass er mehr Beachtung erfährt. Ob die Humusanreicherung aber als Klimaschutzmaßnahme geeignet ist, wird für mich immer fraglicher.

Was sind die Gründe?

Don: Nur dauerhaft gebundener Kohlenstoff ist klimawirksam! Das kann Humus schwer leisten, weil er sich ständig ab- und aufbaut. Die globale Klimaerwärmung beschleunigt den Humusabbau noch. Dazu kommen Abgrenzungsfragen: Wie viel Humus ist durch die normale Bewirtschaftung im Boden, wie hoch ist die rein für die Klimawirkung erzeugte Menge? Humus wird auch verlagert, indem man z. B. Kompost auf eine Fläche bringt.

Insgesamt sehe ich den Humusaufbau mit einer Bindungskapazität von 2 – 3 t C/ha eher als kleinere Stellschraube. Wenn man diesen Humusaufbau auf allen Ackerflächen in Deutschland erreichen würde, könnte man nur rund 5 % der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen damit ausgleichen. Aus Klimasicht effektiver wäre, z. B. bei der Lachgas- oder ­Methan-Emission anzusetzen oder bei der Wiedervernässung der Moore.

Sollten Landwirte das Anreichern von Humus über Zertifikate vermarkten?

Don: Für Landwirte hat mehr Humus im Boden ohnehin große Vorteile, wie z. B. mehr Fruchtbarkeit und Wasserhaltefähigkeit. Lässt man sich den Aufwand teils durch Zertifikate finanzieren, ist das legitim. Die Verantwortung für die Klimawirkung liegt ja bei den Unternehmen, die die Zertifikate ausgeben.

Für Landwirte hat mehr Humus im Boden ohnehin große Vorteile, wie z. B. mehr Fruchtbarkeit und Wasserhaltefähigkeit." - Dr. Axel Don

Doch man muss sehen, dass die Vermehrung von Humus auf einzelnen Flächen meist wenig für den Klimaschutz bringt. Denn mehr Humus bedeutet oft auch mehr Aufwand. Diesen muss man bei einer fairen Betrachtung gegenrechnen, z. B. in einer Klima­bilanz des ganzen Betriebes. Positiv ist, dass CO2-Zertifikate oft der Anstoß für die Bauern sind, sich mit den ­CO2-Emissionen zu beschäftigen.

Der Börsenpreis liegt bei knapp 80 €/t CO2. Wäre dieser Preise auch für Humuszertifikate angemessen?

Don: Die Preise an der Börse halte ich nicht für so maßgeblich. Die Preise für die freiwilligen Zertifikate sind aber trotzdem zu niedrig. Maßgeblich müssten die gesellschaftlichen Kosten pro Tonne ausgestoßenen CO2 sein. Die liegen bei mindestens 200 €.

Wo sehen Sie noch Potenzial beim ­Carbon Farming?

Don: Für die CO2-Bindung ist vor allem das Wiedervernässen von Mooren sowie das Anlegen von Agroforstsys­temen und Hecken geeignet – schon ­alleine, weil hier in ganz anderen Größenordnungen CO2 gespeichert wird. Ein Hektar wiedervernässtes Moor speichert 35 t C/ha und Jahr, eine ­Hecke 100 t C/ha in 30 – 50 Jahren. Am besten ist es natürlich, wenn die Landwirte versuchen, bei der Produktion CO2 einzusparen.

Lassen sich solche Maßnahmen auch über CO2-Zertifikate vermarkten?

Don: Erste Ansätze gibt es, wie zum Beispiel die Moorfutures in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein oder den Heckenscheck vom Kompetenzzentrum Ökowertpapiere.

Weshalb entwickeln sich diese ­Geschäftsfelder eher langsam?

Don: Für Landwirte steht natürlich die Nutzbarkeit der Fläche im Vordergrund. Diese geht bei Moorvernässung und Heckenanbau verloren. Nur bei Agroforst im Sinne der neuen GAP bleibt der Ackerstatus erhalten und ist sanktionsfrei entfernbar. Das ist dann aber wieder für den Klimaschutz ein Verlust. Ein Hemmschuh sind auch die hohen Anfangsinvestitionen für die Vernässung und den Heckenanbau, da reichen Zertifikate allein zur Finanzierung nicht. Auch die hohen Pflegekosten für Hecken sind zu bedenken.

Wie könnte die Politik helfen?

Don: Die EU sollte rechtsverbindlich festlegen, dass Klimazertifikate immer die vier Kriterien für die Klimawirksamkeit erfüllen müssen. Erforderlich sind dazu ausreichend finanzielle Mittel, z. B. für die Moorvernässung.

Ein guter Anreiz für Landwirte, den Humus generell mehr in den Fokus zu nehmen, wäre es, wenn Bodenproben für Humusgehalte kostenlos wären. Letztendlich entscheiden Landwirte darüber, wie Äcker und Grünland bewirtschaftet werden. Sie müssen in die Lage versetzt werden, Humus bei ihrer Betriebsführung mitzudenken.

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