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topplus 50 Jahre Biomasse-Forschung

Biogas, Holz und Biokraftstoffe behaupten sich im Gegenwind

In Berlin feierte das Technologie- und Förderzentrum aus Bayern sein 50-jähriges Jubiläum. Bei dem Festakt wurde deutlich: Bei der Energiewende kommen wir nicht an nachwachsenden Rohstoffen vorbei.

Lesezeit: 9 Minuten

Energiekrise, Versorgungskrise, Suche nach Alternativen: Was wir im letzten Jahr erlebt haben und was heute noch nachklingt, gab es vor 50 Jahren schon einmal.

„Während des Jom-Kippur-Krieges setzen mehrere OPEC-Staaten den Ölboykott gegen die Verbündeten Israels ein und reduzieren die Ölproduktion um bis zu 25 %“, blickt das Bundeswirtschaftsministerium in einem Onlinebeitrag auf die Ereignisse im Jahr 1973 zurück. Kurz darauf wurde das Energiesicherungsgesetz verabschiedet.

Mittelfristig führte die Ölkrise zum Ausbau der europäischen Öl- und Gasförderung, zu Erdgasgeschäften mit der UdSSR sowie zum Ausbau der Atomenergie. In Deutschland folgte eine „Stagflation“, das heißt niedriges Wirtschaftswachstum (Stagnation), gepaart mit einer hohen Inflationsrate.

„Es gibt auffällige Ähnlichkeiten zu unserer heutigen Situation. Der Krieg in der Ukraine, die Abhängigkeit von Gas aus autokratischen Staaten, und die Zuspitzung des aktuellen Nahostkonflikts zeigen genau diese Parallelen. Es gibt also beim Ausbau der Nachwachsenden Rohstoffe noch einiges zu tun“, erklärte die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber am Dienstagabend in Berlin in ihrem Grußwort anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) aus Straubing.

Die TFZ-Vorgängerin, die Landesanstalt für Landtechnik Weihenstephan, hatte genau in diesem Krisenjahr 1973 mit der Erforschung der Nachwachsenden Rohstoffe begonnen, das TFZ wurde 2002 gegründet. „Das TFZ hat den Grundstein für die Versorgung von Biogasanlagen mit alternativen Energiepflanzen gelegt, maßgeblich an der Effizienzsteigerung von Holzheizungen mitgewirkt und immer nach Lösungen für alternative klimafreundliche Antriebsmöglichkeiten für die Land- und Forstwirtschaft gesucht und gefunden“, schilderte die Ministerin in ihrer digitalen Ansprache während des Festaktes in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin.

„Wichtige Argumente für politische Entscheidungen“

Für den Erfolg der Bioenergie sind die politischen Rahmenbedingungen ausschlaggebend. Das zeigten Grußworte und Podiumsbeiträge bei dem Festakt an verschiedenen Stellen. „Wir erleben in der Politik immer wieder ein Auf und Ab. Zuletzt war der nachwachsende Rohstoff Holz in Verruf geraten, der sogar schlechter dargestellt wurde als Kohle“, berichtet der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger aus dem Berliner Alltag.

Um solchen Meinungen zu begegnen, seien Hinweise und Argumente der Wissenschaft zur Unterstützung nötig. „Es ist Fakt, dass Holz in besonderer Weise in der energetischen Nutzung und für den Waldumbau nötig ist. Ein Baum besteht nicht nur aus Stammholz, sondern auch aus Restholz, das entsprechend verwertet werden muss“, so Straubinger.

In die gleiche Kerbe schlug Marlene Mortler, Mitglied des Europäischen Parlaments. „Wir haben auch mit den guten Argumenten vom TFZ dafür sorgen können, dass Holz in der RED III weiterhin als nachhaltige Biomasse anerkannt ist.“ Wir bräuchten eine Politik mit Maß und Mitte, mit Schützen und Nützen. „Deshalb können wir uns nicht viele Peter Wohlleben leisten“, betonte sie mit einem Seitenhieb auf den Förster und seine umstrittene Kritik an der energetischen Holznutzung.

„Wir arbeiten trotzdem weiter an Lösungen im Sinne der Bioökonomie mit Bioenergie für Wärme, Strom und Biokraftstoffe. Nachhaltigkeit und Klimaschutz bleiben zentrale Themen. Wir brauchen die Biomasse mehr denn je als Problemlöser“, sagte Mortler.

„Gut, dass Sie drangeblieben sind“, lobte auch Prof. Ludger Frerichs, Institutsleiter und Universitätsprofessor für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge (IMN) an der Technischen Universität Braunschweig. Er hob besonders die Bedeutung der Biokraftstoffe hervor, ein wichtiges Forschungsfeld des TFZ seit über 20 Jahren. Bei Landmaschinen gäbe es keine Alternative für Verbrennungsmotoren mit Biokraftstoffen. „Gerade die großen Maschinen, die dauerhaft auf dem Feld arbeiten müssen, brauchen den Verbrennungsmotor“, betonte er.

„Wir dürfen von Wasserstoff und E-Fuels träumen, aber wo kommt der Wasserstoff her? Und wenn wir davon genügend haben, werden ihn als erstes die Stahl- und Luftfahrtindustrie benötigen“, erklärte er. Auch wenn der Verkehr mit Biokraftstoffen nicht sofort klimaneutral sei, könnten wir mit ihnen jetzt schnell vorankommen. „Und mit Blick auf den Klimawandel müssen wir auch schneller werden. Dinge, die wir in der Forschung erarbeiten, müssen schneller in den Markt kommen. Das lange lamentieren über jede neue Lösung muss ein Ende haben“, forderte er.

„Forschungsergebnisse müssen ankommen“

Krisen bieten immer die Chance, innezuhalten und zu überlegen, was jetzt passieren muss, betonte Gastredner Prof. Christian Berg von der TU Clausthal, der sich schon viele Jahre mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt. Man könnte auch meinen, dass die Menschen aus Krisen lernen. „Aber das mitnichten so. Wissenschaftler warnen seit Jahrzehnten vor dem Klimawandel und vieles davon ist in diesem Jahr eingetreten“, sagte er. Dazu zählt er Wetterextreme wie Rekordtemperaturen in Arizona von wochenlang über 43 °C, Waldbrände in Südeuropa, Kanada oder Kalifornien oder Überschwemmungen in Wüstenregionen.

Auch 50 Jahre Forschung zu Nachwachsenden Rohstoffen am TFZ mit vielen Tonnen Papier an Forschungsergebnissen und kompakten Berichten, die selbst für Laien verständlich sind, konnten nicht verhindern, dass die Debatte um Bioenergie selbst 2023 noch sehr emotional geführt wird – sei es mit der Teller-Tank-Diskussion bei Energiepflanzen oder der Angst vor Feinstaub und Abholzung des Waldes beim Einsatz von Holz.

„Wir müssen den Menschen von jung und alt die Zusammenhänge immer wieder neu erklären“, sagt Kaniber. Dabei helfen soll seit diesem Jahr das Mitmachmuseum Nawareum als Teil des TFZ. „Sein Erfolg gibt uns allen recht. In nur 6 Monaten haben über 57.000 Besucher die Ausstellung angeschaut“, nannte sie die aktuellen Zahlen.

Damit die Erkenntnisse in der Bevölkerung ankommen, müsse die Politik endlich ehrlich werden. „Dazu gehört auch die Aussage: Wenn wir Klimaschutz wollen, bedeutet das den Rückgang unseres Wohlstands. Anders geht es nicht“, fand Landwirt Michael Kister deutliche Worte. „Trotz der vielen Diskussionen seit 1973 sind wir sind immer noch grundlegend fossil aufgestellt. Dabei müssen wir raus aus dem fossilen Leben“, forderte Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV).

Denn beim weiteren Wachstum der Menschheit müsse es ein Ende der Klimaemissionen geben. „Dabei kommt die Gesellschaft nicht an der Landwirtschaft und den Nachwachsenden Rohstoffen vorbei. Wir brauchen sie für die Bioökonomie, die Energieversorgung und die Dekarbonisierung unseres Lebens, also als Ersatz für Erdöl als Brennstoff und als Rohstoff für die Kunststoffindustrie“, forderte der BBV-Präsident. Sein Wunsch ist, dass die Land- und Forstwirtschaft als erste Branche klimaneutral wirtschaftet.

Ein Wunsch der Bioenergiebranche ist es ebenfalls, dass die Nationale Biomassestrategie nicht zu weiteren Verwerfungen führt. „Die Biomasse wie Biogas und Holz wird in der Strategie Potenzial bekommen, wir brauchen sie als Übergangstechnologie“, sagte Bernt Farcke, Leiter der Abteilung Wald, Nachhaltigkeit, Nachwachsende Rohstoffe im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die Biomasse künftig die Rolle einer CO₂-Pumpe einnehmen müsse: „Bisher haben wir mit Bioenergie fossile Brennstoffe ersetzt. Aber wir müssen künftig mithilfe der Biomasse CO₂ aus der Atmosphäre holen und dürfen es nicht wieder abgeben.“ Daher sollte man sich an den Gedanken gewöhnen, dass bis Ende des Jahrhunderts keine kohlenstoffhaltigen Verbindungen mehr verbrannt werden, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten wollen.

Mehr Vertrauen nötig

Das Hin und Her der Energiepolitik in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren hat sehr viel Vertrauen zerstört – vor allem in der Landwirtschaft. „Das waren schon gewaltige Prügel, die wir in den letzten Jahren einstecken mussten“, berichtete u.a. Michael Kister, der seit vielen Jahren Pflanzenöltraktoren fährt und dabei immer wieder Rückschläge erlebt hat wie den Wegfall der Steuerbefreiung von Biokraftstoffen in der Landwirtschaft.

Auch die große Nachfrage nach Holz bei der Bevölkerung im Jahr 2022 war nur ein Strohfeuer, ausgelöst durch die Versorgungsängste. „Wir hatten letztes Jahr eine große Nachfrage nach Holzheizungen. Aber mit dem gesunkenen Gaspreis sind fast alle Anfragen wieder storniert worden“, erklärte Kister, der neben der Landwirtschaft auch Wärmekonzepte für Privatpersonen, Kommunen und Firmen erstellt und umsetzt. „Eine gewisse Mitschuld trägt die Bundesregierung mit dem langen Streit um das Gebäudeenergiegesetz, der dazu geführt hat, dass jetzt wieder reihenweise neue Öl- und Gasheizungen eingebaut werden“, ergänzt Max Straubinger.

Auch jungen Landwirten fehlt das Vertrauen. „Wenn wir Millionenbeträge in die Hand nehmen, um den Betrieb weiterzuentwickeln, brauchen wir Planungssicherheit. Denn anders als die Politiker denken wir in Generationen“, verdeutlichte Magdalena Eisenmann Landesvorsitzende der Bayerischen Jungbauernschaft.

„Dazu kommt, dass der Lebensmitteleinzelhandel bei der Tierproduktion immer mehr Vorgaben macht. Wir müssen uns daher breiter aufstellen und zusätzliche Einkommenswege finden. Hier können Nachwachsende Rohstoffe helfen“, meinte Kister.

„Wegen der unsicheren politischen Lage sind Landwirte gut beraten, wieder auf mehrere Standbeine zu setzen, also neben der Tierhaltung auch auf Wind, Solar, Biogas und andere erneuerbare Energien zu setzen“, ergänzte Dr. Marlen Wienert, Vorstandsmitglied für Agrar, Technik, Energie, E-Business sowie Marketing bei der BayWa AG. Sie wünschte sich, dass die Politik dabei mehr auf Anreize als auf Verbote setzt. „Mit Verboten schüren wir Angst. Wir müssen viel mehr kommunizieren und die Chancen der Energiewende klar machen“, betonte sie. Zudem müssten die Landwirte für die Leistung, die über die normale Lebensmittelproduktion hinaus geht, anständig entlohnt werden.

Was wir aus der Krise lernen können

In seinem Gastvortrag machte Berg auf verschiedene negative Entwicklungen aufmerksam:

  • Schon die Coronakrise habe gezeigt, welche Auswirkungen Lieferkettenprobleme bei der Versorgung haben können. Das gleiche betrifft die große Abhängigkeit von russischem Erdgas. „Jetzt stecken wir in einer neuen Abhängigkeit: Was ist, wenn China keine Solarmodule oder keine Rohstoffe für Batterien und Windräder mehr nach Europa liefert?“ Er rief die Politik dazu auf, diese Abhängigkeit rechtzeitig im Blick zu haben.
  • Als falsch hat sich laut Berg auch der reine Blick auf die Ökonomie erwiesen. „Das hat uns billiges Gas aus Russland beschert. Aber ein Fokus nur auf die kurzfristige Effizienz ist verheerend“, warnte er. Dafür, dass Deutschland die Entwicklung der erneuerbaren Energien so lange verschleppt habe, müssten wir jetzt einen hohen Preis zahlen.

Das Resümee

„Wenn wir von Zinsen des Planeten leben wollen, nicht vom Ersparten, müssen wir mehr tun. Nachwachsende Rohstoffe werden dabei eine wichtige Rolle als gespeicherte Sonnenenergie spielen“, fasste Dr. Bernhard Widmann als Leiter des TFZ die Diskussionen zusammen. Bioenergie wie Biokraftstoffe könnten auch für eine krisensichere Bereitstellung von Lebensmitteln sorgen. „Das muss wichtiger sein, als die Bereitstellung von Flugkraftstoff für Urlaubsreisen“, appellierte er an die Politik.

Er forderte dazu auf, dass Diskussionen um die Energiewende und die Biomassenutzung künftig nicht mehr nach reinem Schwarz-Weiß-Muster, sondern faktenorientiert und differenziert geführt wird. Schon nach der Ölkrise 1973 hätten sich Wissenschaftler viele gute Gedanken gemacht, um aus der Krise zu lernen – passiert ist damals wenig. Widmann: „Wir müssen die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Und Rahmenbedingungen setzen, die länger halten als eine Legislaturperiode.“

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