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topplus Vergärung von Mist und Stroh

So stellen Sie Ihre Biogasanlage auf neue Substrate um

Die Granottgas GmbH aus Thüringen hat den Maiseinsatz extrem reduziert und bietet jetzt Biomethan für den Kraftstoffmarkt an. Geschäftsführer Thomas Balling berichtet über seine Erfahrungen.

Lesezeit: 8 Minuten

Langsam rutscht der Hühnertrockenkot (HTK) von dem Sattelauflieger in die Vorgrube. „Wir haben vorher 200 m3 Gülle in die Grube gepumpt und mischen jetzt zwei bis drei Züge HTK darunter“, berichtet Thomas Balling, Geschäftsführer der Granottgas GmbH aus Grabsleben (Thüringen). Die Vorgrube mit Deckel ist vor zwei großen Feststoffdosierern platziert, die mit unterschiedlichem Material gefüllt sind.

Weniger Mais in der Ration

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Die Anlage ist ursprünglich 2010 als Trockenfermentationsanlage mit 80 % Mais und 20 % Getreideganzpflanzensilage (GPS) geplant worden (siehe Zusatzinfo). „Erst in der Bauphase haben wir Gülle angeboten bekommen und konnten mit einem Anteil von 32 % im Substratmix den Güllebonus erhalten“, blickt Balling zurück.

13 Jahre später hat sich der Substratmix stark verändert. Grund ist die seit Jahren bestehende Kritik am Rohstoff Mais. Dazu kommt, dass abfallstämmiges Biomethan besser vergütet wird, wenn es im Kraftstoffmarkt eingesetzt wird.

Heute macht Mais nur noch einen Anteil von 37 % aus, der Rest sind HTK sowie Mist von Rindern, Hähnchen, Schafen, Pferden und Schweinegülle.

Um diese Substrate einsetzen zu können, hat die Granottgas im Jahr 2019 die Anlage massiv erweitert:

  • Es sind zwei neue Pfropfenstromfermenter mit je einem horizontalen Rührwerk, einem Nachgärer und Gärrestbehälter mit 30.000 m3 dazu gekommen.
  • Es sind zwei getrennte Fütterungssysteme installiert, jeweils eines für einen Fermenter.

Die Einbringtechnik

Ein Schlüsselelement beim Einsatz von faserigem Material ist die Einbringtechnik. „Wir haben in verschiedenen Biogasanlagen zahlreiche Vorbehandlungssysteme gesehen bzw. selbst ausprobiert wie Querstromzerspaner, Hammermühle, Schredder, Natronlauge, Pelletierung oder Enzyme“, berichtet er. Je intensiver die Vorbehandlung ist, desto größer ist der Energieoutput. Gleichzeitig sinkt aber wegen der höheren Kosten die Wirtschaftlichkeit. So kostet die Pelletierung von Stroh 100 bis 120 €/t. „Selbst bei einem Maispreis von 40 €/t ist Mais trotz der geringeren Gasausbeute wirtschaftlicher“, rechnet er vor.

In der Anlage der Granottgas sind zwei verschiedene Systeme im Einsatz. Während Mais und Hähnchenmist in einem Dosierer ohne weitere Aufbereitung eingefüllt werden, kommen Mist und Stroh in einen Dosierer des Herstellers BioG mit schrägstehenden Frässchnecken. Von dort gelangt das Material zu einem Querstromzerspaner „Biomerge“, um das strukturreiche Material wie Stroh und Mist nochmal zu zerkleinern. Durch Gegenschneiden spleißt es Stroh der Länge nach auf, was wegen der größeren Angriffsfläche für die Bakterien bei der Zersetzung im Fermenter im Vergleich zum Schneiden mit Messern Vorteile bringt.

Die Turbomaische

Nach dieser Vorbehandlung schließt sich eine „Turbomaische“ an. Dabei handelt es sich um eine Vorfermentation, bei der ein enzymatischer Aufschluss, eine alkoholische Gärung und die Essigsäuregärung nacheinander ablaufen. Über Belüfterkerzen werden feine Luftblasen in die Flüssigkeit gedrückt. Da es ein aerober Prozess ist, findet keine Methangärung statt. Bei dem Durchflussverfahren bleibt das zu behandelnde Material 1 bis 2 Tage in dem Hochbehälter der Turbomaische.

Drei Monate lang produzierte der Fermenter mit dem behandelten Substrat 40 bis 60 % mehr Biogas. „Die Zahlen sind exorbitant, beziehen sich aber nur auf die 20 % des gefütterten Materials, das tatsächlich mit der Maische behandelt wurde. Trotzdem sind wir überzeugt, dass die Maische bei der Vergärung von cellulosehaltigem Material eine erhebliche Weiterentwicklung ist“, sagt Balling. So aufgeschlossen kann eine Tonne Stroh bis zu 2,5 t Mais ersetzen.

Zudem ist das Material besser pumpfähig und führt zu einem schnelleren Gasaufschluss. Das Problem allerdings: Der optimale Temperaturbereich für die Maische ist 32 bis 39 °C. Zum Anmaischen ist Flüssigkeit nötig. Hierfür nutzt die Granottgas die Flüssigphase nach der Separation des Nachgärers. „Da wir die ganze Anlage aber thermophil bei fahren bei 52 °C, kommt die Flüssigkeit mit etwa 48 °C in der Turbomaische an, was viel zu warm wäre“, sagt Balling. Im Winter kann sie in einem leeren Gärrestlager entsprechend abkühlen, im Sommer dagegen nicht. Daher ist die Turbomaische nur in der kalten Jahreszeit in Betrieb.

Die thermophile Fahrweise hat sich bewährt: „Die Gasausbeute ist höher und das Gas wird auch deutlich früher gebildet“, hat er festgestellt.

Die Separation

„Wer strukturreiches Material wie Stroh oder Mist einsetzen will, sollte auf jeden Fall einen Separator installieren“, rät Balling. Damit kann der Inhalt aus dem Nachgärer getrennt werden. Ansonsten kann es passieren, dass unverdaute Fasern im Gärrestlager aufschwimmen und mit der Zeit eine meterdicke Schwimmschicht verursachen.

Die Feststoffe könnte man zwecks Nachvergärung erneut in den Fermenter füllen. „Wir haben aber festgestellt, dass sie sich sehr gut als phosphorhaltiger Dünger vermarkten lassen“, sagt Balling. Der Phosphatgehalt ist ca. 3 kg/t höher als bei Gülle oder Mist.

Die Rührtechnik

Eine weitere wichtige Investition sind langsam drehende Langachsrührwerke. „Am besten kommen die Paddel oben aus der Flüssigkeit heraus und drücken von oben auf die Schwimmschicht“, sagt Balling. Zudem sollten sie auch bis zu einem halben Meter über dem Boden herunterragen, damit sich mögliche Sinkschichten aufrühren. Schnelllaufende Tauchmotorrührwerke dagegen drehen im oft sehr zähen Substratbrei meist auf der Stelle, ohne den Fermenterinhalt groß zu bewegen.

Neben der Rühreffizienz haben die Langsamläufer auch einen deutlich geringeren Strombedarf.

Weitere Erfolgsfaktoren

Für einen erfolgreichen Biogasbetrieb mit oder ohne Reststoffen sieht Balling heute folgende Faktoren als essentiell an:

  • Alle Energie sollte sinnvoll verwertet werden.
  • Die Wärmenutzung ist eine wichtige Erlösquelle.
  • Anlagenbetreiber sollten hier auf auskömmliche Preise achten. Die Granottgas hat mit der thermophilen Fahrweise sowie der Wärmenutzung bei der Gasaufbereitung eine sinnvolle Verwertung der weit außerhalb stehenden Anlage gefunden.
  • Bei den BHKW haben sich Vollwartungsverträge als sehr hilfreich erwiesen.
  • Sollten sie trotzdem mal ausfallen, ist ein Biogasbrenner als Standby-Lösung für die kontinuierliche Wärmeversorgung eine praktische und kostengünstige Lösung. Dieser muss allerdings immer in Betrieb sein und eine geringe Menge Biogas verbrennen, um im Bedarfsfall schnell verfügbar zu sein. Die so produzierte Wärmemenge nutzt Balling auch zum Beheizen der Fermenter.
  • Für einen höheren Stromerlös ist die Flexibilisierung extrem wichtig. Die Granottgas hat die Anlage flexibilisiert und nimmt an der Regelenergievermarktung teil. Außerdem produzieren die BHKW Strom nach einem vorgegebenen, optimierten Fahrplan.
  • Das Personal auf der Anlage muss motiviert und bereit sein, die Substratumstellung mitzumachen. Denn die Betreuung, Fütterung und Störungsbeseitigung ist anspruchsvoller als bei der reinen Maisfütterung. Eine hohe Motivation lässt sich z.B. mit einer Erfolgsbeteiligung erzeugen.
  • Wer die Fütterung umstellt, sollte eine entsprechende Genehmigung haben. „Wichtig ist, dass man einen breiten Mix an Substraten einsetzen darf“, weiß Balling. Er rät dazu, einen Antrag nach §15 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) auf „unwesentliche Änderung“ zu stellen. „Geht man über §16, also eine ‚wesentliche Änderung‘ der Genehmigung, dann dauert es bis zu einem Jahr, bis man neue Substrate einsetzen darf“, macht er auf eine der vielen bürokratischen Hürden aufmerksam.

Zudem müsse sich jeder Betreiber nach 20 Jahren EEG frei von den bisherigen Auflagen machen. „Wer an einer Ausschreibung teilnimmt und in die zehnjährige Verlängerung geht oder Biomethan für den Kraftstoffmarkt produziert, ist in der Substratauswahl völlig frei“, betont er – bis auf den Maisdeckel, den er in der zweiten Vergütungsstufe einhalten muss. Zudem darf das Material keinen Abfallschlüssel besitzen. Balling rät, sich bei der Überlegung, welche Produkte interessant wären, an der Positivliste aus dem EEG 2012 zu orientieren. Dazu gehören:

  • Biertreber,
  • Gemüseabputz,
  • Reststoffe aus Molkereien, Brauereien, Kartoffel- oder Zuckerrübenverarbeitung,
  • minderwertiges Getreide,
  • GPS mit Erbsenanteil oder Kleegras.

Balling empfiehlt, sich bei neuen Substraten langsam heranzutasten, also anfangs nur kleine Mengen einzusetzen.

Seine abschließende Botschaft: „Man kann Mais ersetzen, muss sich nur darauf einstellen.“

Hintergrund: Granottgas – die Betriebsentwicklung

Die Granottgas GmbH ist 2010 in Betrieb gegangen. Im Jahr 2010 war die Biogasanlage Grabsleben die erste in Thüringen, die Biomethan ins Erdgasnetz eingespeist hat. Nach neun Jahren Betriebszeit wurde 2019 innerhalb eines Jahres eine zweite Biogaserzeugungs- und -aufbereitungsanlage errichtet. Mit der Gesamtinvestition von 10 Mio. € Euro durch die GraNottGas GmbH (Betreiber und Erzeugung) und die Ohra Energie GmbH (Aufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz) konnte die bisherige Kapazität verdoppelt werden. Heute speist die Anlage 700 m3 Biomethan ins Netz ein.

Der Gasversorger Ohra Energie kauft das Rohbiogas von Granottgas, bereitet es auf Erdgasqualität auf, übergibt es zur Einspeisung ins Hochdrucknetz und übernimmt die Vermarktung in Kooperation mit der Landwärme GmbH aus München.

Zudem hat die Anlage heute eine installierte elektrische Leistung von 1.435 kW bei doppelter Überbauung. In drei Blockheizkraftwerken und einer ORC-Anlage (Organic Rankine Cycle) entsteht Strom, der direkt vermarktet wird. Die Wärme aus den BHKW verkauft Granottgas an Ohra Energie, die damit das Rohbiogas mithilfe der Aminwäsche zu Biomethan veredelt.

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