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Biogastagung Heiden: So gelingt die Umrüstung auf alternative Substrate

Die Referenten zeigten bei der Tagung „Biogas aus Stroh, Gülle & Co.“, welche Alternativen es zum Energiemais gibt und wie die Umstellung technisch, biologisch und wirtschaftlich gelingt.

Lesezeit: 10 Minuten

Neue Rohstoffe, Anbaustrategien, aber auch Hilfsmittel für eine bessere Vergärung von schwierigen Substraten waren Themen bei der zweitägigen Tagung „Biogas aus Stroh, Gülle & Co.“. Wir haben die wichtigsten Vorträge des ersten Tages für Sie zusammengefasst:

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Neue Herausforderungen

Die Ukrainekrise hat nicht nur die Energiemärkte innerhalb kürzester Zeit komplett auf den Kopf gestellt, sondern auch die Landwirtschaft. „Die Mineraldüngerindustrie wird auf Jahre hinaus auf billiges Erdgas verzichten müssen, was die Versorgung mit Stickstoff akut gefährdet“, erwartet Prof. Walter Stinner vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ). „Wir brauchen auf den fruchtbaren Standorten in Europa eine Hochertragslandwirtschaft, auch aus globaler Verantwortung“ betonte der Wissenschaftler in seinem Impulsvortrag zu Beginn der Tagung „Biogas aus Stroh, Gülle & Co.“, die am 24. und 25. August im westfälischen Heiden stattfand er.

Hohe Erträge setzen eine ausreichende Nährstoffversorgung der Bestände voraus, wobei der Ertrag und damit der Nährstoffbedarf im Zuge des Klimawandels laut Stinner immer schwerer einschätzbar wird. „Weil Nährstoffverluste stets umweltrelevant und für die Landwirtschaft ein Verlust wertvoller Produktionsressourcen sind, muss die Nährstoffeffizienz trotz der größeren Schwierigkeiten gesteigert werden“, sagte er.

Stinner dankte er den Landwirten und Anlagenbetreibern für ihre Arbeit und weitere Investitionsbereitschaft trotz des häufig geringen Verständnisses von Seiten der Gesellschaft.

Er ging ebenso auf die Klima- und Biodiversitätskrise ein: „Die in diesem Jahr wieder drohenden Ernteausfälle mit 20 bis 80 % Ertragsverlust bei Mais und das Artensterben sind auch Herausforderungen, denen sich die Landwirtschaft stellen muss.“ So hält er es für möglich, dass in diesem Jahr viele Biogasanlagenbetreiber den für die Energieerzeugung vorgesehenen Silomais ihren Berufskollegen für die Milchviehfütterung zur Verfügung stellen könnten – ähnlich, wie es schon im Dürrejahr 2018 der Fall war. „Eine Milchviehherde lässt sich schwieriger auf alternatives Futter umstellen als eine Biogasanlage“, betont er.

Darum sieht er die Biogasanlagen nicht nur als Joker bei der Energieversorgung, weil sie unabhängig von Wind oder Sonneneinstrahlung jederzeit Strom, Wärme und Gas als Kraftstoff produzieren können. „Sie tragen auch dazu bei, die Landwirtschaft unter immer schwieriger werdenden Bedingungen aufrecht zu erhalten“, sagt er.

Dazu ist es aber nötig, dass die Anlagen künftig flexibler werden: Zum einen bei der Strom- und Wärmeproduktion, um auf Schwankungen im Bedarf reagieren zu können, zum anderen aber auch bei der Rohstoffversorgung. Immer stärker seien Konzepte gefragt, um Reststoffe aus der Landwirtschaft nutzen zu können. Im Landkreis Rotenburg/Wümme (Niedersachsen) zeigen Potenzialanalysen beispielsweise, dass die vorhandenen Mengen an Gülle und Mist bis zu 9000 ha Silomaisanbaufläche ersetzen könnten. „Aber es wird auch nötig sein, Getreide- oder Körnermaisstroh in Biogasanlagen zu verwerten“, ist er überzeugt.

Eine weitere Aufgabe komme den Biogasanlagen bei der Versorgung mit Stickstoff zu. Dazu kann die Aufbereitung von Gärrest zu wertvollen Düngemitteln dienen, die immer weiter voranschreite. Vor allem ammoniumbasierter Stickstoff, dessen effizienter Einsatz und die Vermeidung von N-Verlusten über die gesamte Kette kann laut Stinner dafür sorgen, dass es weniger Verluste durch N2 oder Lachgas gäbe. „Aber auch der Anbau von Leguminosen wie Kleegras wird weiter zunehmen – auch im konventionellen Landbau. Denn sie wandeln nicht nur Luftstickstoff in pflanzenverwertbaren Stickstoff um, sondern unterdrücken auch Unkräuter – bei weiteren Einschränkungen im Bereich der Pflanzenschutzmittel eine weitere Herausforderung in der Landwirtschaft“, betont der Wissenschaftler. Den Aufwuchs der Leguminosenflächen könnten Biogasanlagen dann wieder zur Gasproduktion und zur Nährstoffversorgung der Marktfrüchte verwerten.

Warum das EEG erneut reformiert werden muss

Die Chancen, die Biogasanlagen bei der Energieversorgung bieten können, hatte die alte Bundesregierung nach Ansicht von Uwe Welteke-Fabricius jahrelang nicht im Blick. „Das Osterpaket als Vorstufe des EEG 2023 war leider wieder eine große Enttäuschung für die Biogasbranche“, erklärt der Sprecher des Netzwerks „Flexperten“, denn die notwendige Reform der Flexibilitätsförderung wurde immer noch nicht angepackt. Die Fokussierung auf hochflexible Biomethan-BHKW („Peaker“) sei dagegen ein unsinniger Schnellschuss ohne Mengenwirkung.

Die Ziele, der neuen Regierung für Biogas im Strommarkt und die Potenziale der Flexibilisierung von bestehenden Anlagen würden dagegen mit diesem EEG bei weitem nicht gehoben. Ein Stillstand bei der installierten Leistung in Verbindung mit den kürzeren Jahresbetriebszeiten würde sogar für einen Rückbau des Anlagenparks sorgen. Auch im Detail wurde das Osterpaket nicht wirklich zu Ende gedacht: „Es ist absolut widersinnig, warum z.B. Güllevergärungsanlagen keinen Anreiz zur Flexibilisierung erhalten“, sagt er.

Dabei könnten Biogasanlagen auch mit BHKW vor Ort die Nachfrage nach Erdgas genauso dämpfen wie eine Biomethan-Einspeisung. Denn jede Kilowattstunde Strom aus einem flexiblen Biogas-Speicherkraftwerk ersetzt eine Kilowattstunde aus einem Gaskraftwerk.

Ein weiteres Plus der Anlagen: die Wärmeproduktion. Die Abwärme des BHKW im Wärmenetz spart eine weitere halbe Kilowattstunde Brennstoff in einer konventionellen Heizung. Die Nachfrage nach Nahwärme ist laut Welteke-Fabricius so hoch, dass Anlagenbetreiber aktuell zweistellige Wärmeerlöse erzielen können. Auch das spricht aus seiner Sicht für den BHKW-Betrieb vor Ort. „Zukunftsfähig dabei sind Speicherkraftwerke mit großen Gas- und Wärmepufferspeichern, um zusätzlich verschiedene regenerative Gas- und Wärmequellen vor Ort nutzen zu können“, betont er.

Deshalb war es ein wichtiges Signal von Minister Habeck, dass Biogas von den Fesseln der Höchstbemessungsleistung befreit werden soll. Jetzt muss die Beseitigung der Hindernisse im Bau- und Genehmigungsrecht folgen. Das hatte Staatssekretär Graichen vom Bundeswirtschaftsministerium mit dem Energiesicherungsgesetz (EnSiG) für September angekündigt. „Das wäre ein großer Fortschritt“, sagt Welteke-Fabricius.

Biologie im Blick

Bei der Umstellung auf schwer vergärbare Substrate hilft die Zugabe von speziellen Enzymen und Spurenelementen. „Dabei sollten Betreiber aber beachten, dass Enzyme ihr bestimmtes Milieu benötigen, um richtig wirken zu können“, erklärt Uwe Wilms vom Unternehmen Biogas-Additive. Dazu gehört der pH-Wert. Ist dieser zu hoch, wirken die meisten Enzyme nicht. „Sie werden dann wie andere Eiweißstoffe ohne weitere Wirkung verstoffwechselt“, sagt er. Mit der Produktgruppe „Zymaxx“ hat sein Unternehmen unterschiedliche Enzymkomplexe kombiniert für Substrate wie z.B. Gras oder GPS. „Darin sind u.a. hochaktive Hydrolasen enthalten, die Cellulose und Hemicellulose spalten und die darin enthaltenen Zuckermoleküle freisetzen“, schildert Wilms.

Eine andere Möglichkeit ist die Erhöhung der Gärtemperatur. „Bei einem Anstieg um 10 Grad Kelvin verdoppelt sich die Bakterienaktivität“, betont Fabian Koch vom Unternehmen energie + agrar. Als zweiten Schritt sollten Anlagenbetreiber die Spurenelementversorgung prüfen. Denn die Biologie steht beim Substratwechsel vor neuen Herausforderungen: Will ein Anlagenbetreiber z.B. Mais komplett durch Rindermist ersetzen, ohne dass sich der Biogasertrag reduziert, halbiert sich aufgrund der doppelten Einsatzmenge die Verweilzeit im Fermenter. „Dabei kann es zu einer Unterversorgung mit Spurenelementen kommen“, weiß er aus der Beratungspraxis.

Walter Danner vom Ingenieurbüro Snow Leopard rät sogar dazu, bei Einsatzstoffen wie Gras, GPS, Getreide, Mist oder Stroh die Gärtemperatur auf 60 bis 62 °C zu erhöhen. Hierzu hat er gute Erfahrung mit einer vorgeschalteten Hydrolyse gemacht. Danner bezeichnet diese als „Biologische Vorbehandlungseinheit für Stroh & Co.“(BVES). Auf der Biogasanlage werden dabei zwei dieser Tanks mit jeweils 200 bis 300 m³ errichtet. „Zwei Tanks sind sinnvoll, um eine kontinuierliche Belieferung des Fermenters zu garantieren“, sagt er. Die Biomasse wird alle ein oder zwei Tage auf einmal eingefüllt und verbleibt ca. 7 Tage in den BVES-Tanks. Danach wird sie in den Fermenter umgepumpt. Zum Anmaischen empfiehlt er Flüssigkeit aus dem Gärrestlager. In den BVES-Tanks sollte die Biomasse nur solange bleiben, dass es noch nicht zur Biogasbildung kommt. Mit diesem Verfahren sei die Gasausbeute in den von ihm betreuten Biogasanlagen bis zu 135 % höher als die errechneten Standardwerte nach KTBL. „Wichtig ist dabei auch eine gute Spurenelementeversorgung mit Selen, Mangan, Kobalt und Molybdän“, rät er.

Um die hohe Temperatur in den BVES und später im Fermenter zu erreichen und dauerhaft zu erhalten, müssen die Gärbehälter entsprechend gedämmt sein. Hierzu ist laut Danner auch eine gedämmte Folienhaube nötig. Will ein Betreiber einer bestehenden Anlage die Temperatur so stark erhöhen, sollte er die Garantiehinweise des Anlagenherstellers beachten.

Lösung für Schweinegülle

Als Substratalternative findet Schweinegülle bislang wegen des geringen TS-Gehalts und der entsprechend geringen Gasausbeute kaum den Weg in Biogasanlagen. Die FH Münster hat als Lösung dafür im Projekt Bio-Smart einen Hochlastfermenter umfunktioniert, mit dem bislang Abwässer aus der Lebensmittel- oder Zellstoffindustrie behandelt wurden. „Wichtige Vorteile gegenüber einer herkömmlichen Biogasanlage sind eine kurze Verweilzeit, eine höhere Mikroorganismenkonzentration und dadurch hohe Raumlast bei geringem Fermentervolumen“, erklärt Projektingenieur Jurek Häner von der FH Münster.

Die Hochlastvergärung könnte dazu beitragen, dass sich das Fermentervolumen beim Einsatz von Schweinegülle reduzieren lässt. Dazu müsste ein Hochlastfermenter als Zusatzmodul bei einer herkömmlichen Biogasanlage integriert werden. Wie sich das auf das Volumen auswirkt, zeigt Häner an einem Beispiel: Würde man jährlich 20.000 m³ Schweinegülle und 5000 m³ Rindergülle in einer klassischen Biogasanlage vergären, wäre ein Fermentervolumen von rund 2700 m³ bei 40 Tagen Verweilzeit nötig.

Wird die Gülle dagegen separiert und die Flüssigphase in 8,5 Tagen in einem Hochlastfermenter mit 500 m³ und die Festphase in einem herkömmlichen Fermenter mit 770 m³ vergoren, sind insgesamt nur knapp 1300 m³ Behältervolumen nötig.

Neue Rohstoffe: Paludibiomasse und Spreu

Die Wiedervernässung von Moorböden gilt als wichtig Klimaschutzinstrument in der Landwirtschaft. Der Aufwuchs von diesen nassen Flächen wird als Paludibiomasse bezeichnet, der sich stofflich oder energetisch verwerten lässt. Der Ökoenergieversorger Green Planet Energy will die Biomasse, für die keine stoffliche Verwertung umsetzbar ist, in Biogasanlagen vergären und das Gas zu Biomethan aufbereiten. Dieses soll dann als Ökogas an Kunden geliefert werden. Als mögliche Rohstoffe kommen dazu der Aufwuchs von Feucht- oder Nasswiesen, Rohrglanzgras oder breitblättriger Rohrkolben zum Einsatz. „Für diese Rohstoffe benötigen wir eine angepasste Erntetechnik sowie eine gute Vorzerkleinerung vor der Vergärung und eine gute Durchmischung im Fermenter“, erklärt Paul Alvermann von der Green Planet Projects GmbH.

Als Erlösoptionen für das Material könnten künftig neben einem höheren Preis für das Gas auch CO2-Zertifikate wie „Moorfutures“ helfen. „Die Vernässungskosten lassen sich dagegen alleine nicht von der Paludikultur tragen. Hier müssen staatliche oder private Förderprogramme helfen, die es teilweise heute schon gibt“, sagt Alvermann. Green Planet Energy bietet hierfür mehrere Lösungswege an: Abnahme des Biomethans zum Festpreis, Bau und Betrieb einer Biogasaufbereitung auf dem Standort einer Biogasanlage in der Nähe von Moorflächen und in einzelnen Regionen auch die direkte Abnahme der Biomasse.

Künftig könnte zusätzlich zum Stroh auch Spreu als neuer Rohstoff mitgeerntet werden. Dazu schlägt Jörg Ortmaier von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen neue Verfahren für die Ganzpflanzenernte in der Vollreife vor. Die Biomasse müsste im Anschluss stationär vom Korn für die Vermarktung getrennt werden. Infrage kommen dazu das Kompakternteverfahren (ein Mähdrescher ohne Reinigungseinheit), der Feldhäckseldrusch oder die Ernte mit dem Ladewagen, nachdem das Getreide zuvor ins Schwad gelegt wurde. Je nach Biomassepreis sind so durch geringere Biomasseverluste und niedrigere Kosten über 200 €/ha mehr Gewinn möglich als mit dem Mähdrusch und der anschließenden Ballenkette. „Positiver Nebeneffekt: Es werden auch Unkrautsamen und Krankheitserreger abgefahren, die bei der Vergärung in der Biogasanlage neutralisiert werden“, erklärt er.

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