Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat angesichts der anhaltenden Proteste gegen das Auslaufen der Agrardieselregelung laut Medienberichten eine Änderung der Biokraftstoffgesetzgebung gefordert. Die Ankündigung überrascht: Denn fast auf den Tag vor einem Jahr hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in den Funke-Medien angekündigt, die Verwendung von Nahrungsmitteln für Biokraftstoffe zügig beenden zu wollen. „Wir brauchen in der Bundesregierung eine vernünftige Einigung, dass wir schrittweise runtergehen vom Biosprit aus Nahrungspflanzen, um diese für die menschliche Ernährung nutzen zu können“, sagte der Grünen-Politiker am 9. Januar 2023. „Ich würde es befürworten, wenn wir ab 2030 im Verkehrssektor auf Kraftstoff aus Anbaubiomasse verzichten würden.“
Biokraftstoffverband ist skeptisch
Eine jetzige Änderung der Biokraftstoffgesetzgebung steht nach Auffassung des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) vor großen Hürden. Laut VDB könnten langfristig Biokraftstoffe vermehrt in der Landwirtschaft, im Straßengüterverkehr und in Spezialanwendungen zum Einsatz kommen. „Für eine kurzfristige Nutzung besteht jedoch eine Reihe von Hürden: Es gibt heute kaum landwirtschaftliche Fahrzeuge, die für die Betankung mit reinem Biodiesel B100 freigegeben sind. Es wird auch bei einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen Jahre dauern, bis sich ein Markt entwickelt“, sagt VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann.
Er äußerte sich zu Pressebeiträgen, wonach Biodiesel zukünftig subventioniert im Agrarsektor eingesetzt werden sollte. „Industriepolitisch ist es problematisch, wenn jetzt erneut die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Biokraftstoffe völlig neu geregelt werden sollen. Das führt zu Unsicherheiten und verhindert Investitionen in die Branche. Die deutsche Umsetzung der Erneuerbaren Energien-Richtlinie Ende 2021 ist durchweg gelungen, die Ziele für Erneuerbare im Straßenverkehr können sogar erhöht werden. Dabei sollte man es belassen.“
Unberechtigte Kritik
Die laut Presseberichterstattung von Nichtregierungsorganisationen (NGO) geäußerte grundsätzliche Kritik an Biokraftstoffen wies der VDB zurück. „Seit Jahren kritisieren NGOs Biokraftstoffe mit Argumenten, die wissenschaftlich widerlegt sind und mit den realen Entwicklungen an den Märkten nichts zu tun haben. Zum Beispiel behaupten sie regelmäßig, dass Biokraftstoffe die Hungersituation verschärfen würden. Hunger hat jedoch andere Ursachen als Biokraftstoffe: Kriege, Korruption, Naturkatastrophen und geringe Einkommen. Tatsächlich sinkt der FAO Food Price Index seit Monaten aufgrund sehr guter Ernten“, sagte Baumann.
Zudem behauptet zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe, die Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen sei aufgrund von indirekten Landnutzungseffekten negativ. „Die Forschung zeigt, dass die Theorie von den indirekten Effekten nicht belastbar ist“, sagte Baumann. „Die Aussagen der DUH sind irreführend und widersprechen den Studien, auf die sich der Weltklimarat IPCC beruft.“
Biokraftstoffe reduzieren den CO₂-Ausstoß im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um bis zu 93 %; ihr Anteil an den erneuerbaren Energien im Straßenverkehr beträgt über 95 %. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) haben Biodiesel, Bioethanol und Biomethan im Jahr 2022 rund 11,6 Mio. t CO₂ eingespart. Die auf die Treibhausgasquote (THG-Quote) angerechneten Biokraftstoffe wurden zu etwa 80 % in Europa produziert.
Gut für arme Länder
Nur auf rund 6 % der weltweiten Anbaufläche wurden Rohstoffe für die Biokraftstoffproduktion erzeugt. Das zeigt eine Auswertung der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP).
Dabei zeichnet sich sehr deutlich ab, dass die Biokraftstoffproduktion zumeist dort angesiedelt ist, wo es ohnehin Rohstoffüberschüsse gibt (v.a. Mais, Palm- und Sojaöl). Ohne die Option der Biokraftstoffherstellung müssten diese Mengen am Weltmarkt platziert werden, was die Rohstoffpreise stark belasten würde. Die Umwandlung von Agrarrohstoffen zu Biokraftstoffen verringert den Produktionsüberhang, sorgt für zusätzliche Wertschöpfung und verringert den Bedarf an Devisen für den Import von Rohöl oder fossilen Kraftstoffen. Dieses Problem betrifft besonders die ärmeren Länder.
Hochwertiges Eiweißfutter
Ein weiterer Vorteil der Biokraftstoffherstellung ist die gleichzeitige Bereitstellung hochwertiger, stark nachgefragter Eiweißfuttermittel. Der Anteil und die Qualität der Eiweißfuttermittel nehmen maßgeblich Einfluss auf die Rohstoffpreise, die somit auch den Umfang der Anbauflächen bestimmen. Dies trifft insbesondere auf Soja zu.
Biokraftstoffe sind damit laut UFOP mitnichten Preistreiber an den Rohstoffmärkten. Im Bedarfsfall stehen die für die Biokraftstoffproduktion benötigten Rohstoffmengen auch für die Nahrungsmittelversorgung zur Verfügung (siehe Raps-/Sonnenblumenöl im Zuge der Ukrainekrise). Im Falle einer politisch motivierten Extensivierung des Ackerbaus – wie dies die EU-Kommission mit der Reduktionsstrategie für Dünge- und Pflanzschutzmittel im Rahmen des „Green Deal“ verfolgt – würde diese Angebotsoption zur „Pufferung“ der Nahrungsmittelnachfrage wegfallen.
Futter- und Nahrungsmittel
Die UFOP betont, dass bei der Herstellung von Biokraftstoffen zugleich Protein in hoher Qualität anfällt, das zur Nutztierfütterung oder direkt für die Humanernährung eingesetzt wird. Dieser Aspekt wird im Zusammenhang mit der Diskussion um weltweite Landnutzungsänderungen nicht ausreichend berücksichtigt.
Bei dem immer wieder angeführten Flächenbedarf für die Biokraftstoffproduktion müsse der Flächenanteil für die Proteinproduktion bei Raps heraus- bzw. angerechnet werden, stellt die UFOP fest.
Die Förderunion fordert deshalb, dass dieser Angebots- und Puffereffekt hinsichtlich des Flächendrucks in Drittstaaten auch in der Potenzialbewertung der Anbaubiomasse im Rahmen der Nationalen Biomassestrategie (NABIS) berücksichtigt werden müsse. Bei einem Anteil von 60 % Futterprotein beim Raps wären somit nur 40 % der Anbaufläche für die Biokraftstoffproduktion anzurechnen. Dieser Ansatz ist aus Sicht der UFOP sachgerecht, denn andernfalls müssten die fehlenden Proteinmengen durch Importe mit einem zusätzlichen Flächenbedarf gedeckt werden.
Hersteller erstmals gemeinsam am Start
Die Plattform „Erneuerbare Antriebsenergie für die Land- und Forstwirtschaft“ stellt ihr breites Spektrum auf der Grünen Woche 2024 aus. Seit Mai 2016 setzen sich Verbände, Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Landwirtschaft, Landtechnik und Biokraftstoffe gemeinsam in der Branchenplattform „Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft“ für die Erforschung und neutrale Informationsvermittlung zum Thema erneuerbare Antriebsenergien ein. Die technologischen Entwicklungen und der Beitritt weiterer Landtechnikunternehmen wurde zum Anlass genommen, den Verbund vor einem Jahr zur Plattform „Erneuerbare Antriebsenergie für die Land- und Forstwirtschaft“ zu erweitern und umzubenennen. Auf der Grünen Woche 2024 stellen sich nun alle vier Mitglieder aus der Landtechnik erstmals gemeinsam auf, um ihre Technologieoptionen zu präsentieren.
Vier Technologien
Es gibt erneuerbare Antriebsenergien, die perspektivisch das gesamte Leistungsspektrum des land- und forstwirtschaftlichen Fuhrparks abdecken könnten und kontinuierlich im Labor und auf dem Feld getestet werden. Die vier Landtechnikunternehmen, die bei der Plattform „Erneuerbare Antriebsenergie für die Land- und Forstwirtschaft“ Mitglied sind, stellen sich auf der Grünen Woche 2024 gemeinsam auf, um ihre jeweiligen Lösungen zu präsentieren:
- Fendt tritt mit dem elektrisch angetriebenen eVario V 100 auf, der sich mit einer Dauerleistung von 55 kW und einer Akkukapazität von 100 kWh etwa fünf Stunden im Einsatz bewähren kann. Durch die geringe Lärm- und Emissionsbelastung eignet er sich laut Hersteller hervorragend im Stall und auf dem Hof, aufgrund seiner relativ kleinen Breite von 1,76 mbietet er sich zudem in Obst- und Weinbergen an.
- John Deere positioniert sich daneben mit dem 6 R 215, der ausschließlich mit Pflanzenöl betankt werden kann und dabei eine Maximalleistung von 237 PS plus 22 PS Intelligent Power Management auf den Acker bringt. Die Ölsaaten für den Kraftstoff können auf den betriebseigenen oder auf benachbarten Feldern angebaut und regional verarbeitet werden, sodass ein klimaneutraler Energieträger entsteht.
- Claas stellt sich mit seinem Axion 960 Terra Trac auf, der es mit HVO-Dieselkraftstoff (hydriertes Pflanzenöl) auf bis zu 445 PS Maximalleistung schafft. Durch das Fahrerassistenzsystem „Cemos“ könnten rund 12 % Kraftstoff eingespart werden. Gleichzeitig sorgt Terra Trac für einen um 50 % reduzierten Reifendruck und 15 % mehr Traktion. Bei der Verwendung von HVO aus Abfall- und Reststoffen können die CO₂-Emissionen um 90 % reduziert werden.
- New Holland zeigt auf dem Gemeinschaftstand seinen T 6.180 Methane Power, der ausschließlich mit Biomethan angetrieben wird. Mit einem Tankvolumen von 450 Liter und einem maximalen Drehmoment von 740 Nm verzeichnet der Schlepper einen um 70 % reduzierten Stickstoffoxid-Ausstoß und emittiert 99 % weniger Partikel als Motoren der Abgasstufe 5. Besonders für Betriebe, die selbst über eine Biogasanlage verfügen oder in der Nachbarschaft eine Tankstelle haben, demnach eine zukunftsfähige Lösung.
Die Firmen sind auf dem Erlebnisbauernhof in Halle 3.2 (Standnummer 311) auf der Grünen Woche zu finden.
Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft 2024“
Auf dem 21. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft 2024“, der am 22. und 23. Januar im City Cube Berlin stattfindet, können die Kongressbesucher während der Session 6D „Erneuerbare Antriebsenergie für die Land- und Forstwirtschaft“ am 23. Januar von 14:30 bis 16:30 Uhr mehr über das Thema erfahren. Unter der Moderation von Prof. Dr. Peter Pickel von John Deere GmbH & Co. KG werden alternative Kraftstoffe im Rahmen diverser Vorträge vorgestellt:
- Dr. Edgar Remmele vom Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) und Henning Eckel vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) geben einen Überblick über erneuerbare Antriebsenergien für Landmaschinen.
- Andreas Schröder von der John Deere GmbH & Co. KG präsentiert das Projekt ResiTraC mit Pflanzenöl als Brückentechnologie.
- Dr. Philipp Kress von der AGCO GmbH wird das Konzept und Felddaten von Brennstoffzellentraktoren im Einsatz vorstellen.
- Die Vortragsreihe wird abgeschlossen von Alexander Bachler von der Landwirtschaftskammer Österreich, der erste Ergebnisse des österreichischen Förderprogramms „Versorgungssicherheit im ländlichen Raum – Energieautarke Bauernhöfe“ im Bereich erneuerbare Antriebsenergie präsentieren wird.
Das vollständige Programm zum 21. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft 2024“ am 22. und 23.1.2024 im CityCube in Berlin und Informationen zur Anmeldung finden Sie unter: www.kraftstoffe-der-zukunft.com