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„CO₂ könnte eine wichtige Einnahmequelle für Biogasanlagen werden“

Vertriebsleiter Roland Grundmann vom Biomethandienstleister agriportance erklärt, wie Anlagenbetreiber in die Vermarktung von CO₂ einsteigen können und welche Chancen der Markt bietet.

Lesezeit: 6 Minuten

CO₂ ist ein Klimagas, das man möglichst vermeiden will. Inwiefern lässt sich mit dem Gas Geld verdienen?

Grundmann: CO₂ ist ein Rohstoff, vom dem heute in Europa Millionen Tonnen in der Lebensmittelindustrie und anderen Industriezweigen eingesetzt werden. Derzeit wird es überwiegend aus fossilen Quellen gewonnen. Wenn man stattdessen ‚grünes‘ CO₂ verwenden kann, ist das ein Gewinn für den Klimaschutz, aber auch ein Marketinginstrument für die Firmen.

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Warum sind gerade Biogasanlagen prädestiniert dafür?

Grundmann: Derzeit ist die Nachfrage nach Biomethan auf Basis von Biogas sehr hoch, vor allem im Kraftstoffsektor. Bei der Aufbereitung von Biogas zu Biomethan muss der Anlagenbetreiber vor allem das CO₂ abtrennen. Rohbiogas besteht nur zu etwa 55 % aus Methan, 40% sind CO₂. Dieses liegt nach der Reinigung als hochreines Gas vor und könnte vermarktet werden.

Bei der Aufbereitung des Rohbiogases zu Biomethan gibt es unterschiedliche Verfahren am Markt. Sind alle gleichermaßen geeignet, um hochreines CO2 herzustellen?

Grundmann: Nein, leider nicht. Ein einfaches und verhältnismäßig kostengünstiges Verfahren ist die Membrantechnik, die sich sehr gut dafür eignet. Auch mit der Aminwäsche lässt sich CO₂ in hochreiner Form mit 90 bis 99,9 % abscheiden. Einziger Nachteil: Bei der Aminwäsche ist der Energiebedarf sehr hoch. Die Druckwechselabsorption (PSA) wäre auch noch denkbar. Die in den meisten älteren und auch in wenigen neueren Anlagen vorkommende Druckwasserwäsche ist leider nicht dafür geeignet.

Welche Schritte sind nach der Trennung weiter nötig?

Grundmann: Um lebensmitteltaugliches CO₂ zu erzeugen, folgen verschiedene Reinigungsstufen wie Aktivkohle, Kohlenstoffsiebe und Molekularsiebe zur weiteren Abtrennung von Gasen wie Methan, Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Ein europäischer Standard, der häufig gefordert wird, ist der Standard 70/17 des Europäischen Industriegasverbands EIGA. Er schreibt nicht nur die Gasqualität vor, sondern bewertet auch Herkünfte der Substrate usw.

Bei technischem CO₂ sind die Anforderungen nicht so hoch wie bei lebensmitteltauglichem Gas. Ist es nicht einfacher, dann nur die technische Variante herzustellen?

Grundmann: Im Prinzip ja. Das verflüssigte Gas wird in speziellen Tankwagen transportiert, die das Material von verschiedenen Anlagen aufnehmen und an mehrere Kunden ausliefern. Unterschiedliche Qualitäten dürfen nicht transportiert werden. Es würde nur die Möglichkeit bestehen, zwei Flotten aufzubauen. Daher wird meist CO₂ nach dem höchsten Standard produziert und geliefert – auch wenn ein Teil davon als technisches CO₂ eingesetzt wird. Dies könnte sich in absehbarer Zeit ändern, da Power-to-Liquid riesige Mengen technisches CO2 benötigen würde.

Viele Biogasanlagenbetreiber streben aktuell eine Biomethanproduktion auf Basis von Reststoffen wie Gülle und Mist an, um zusätzlich die THG-Quote handeln zu können. Wie bewerten sie die CO2-Abscheidung in diesem Kontext?

Grundmann: Die Abscheidung von CO2 aus Biogasanlagen ist kein völlig neues Thema, allerdings war die Wirtschaftlichkeit bislang nicht gegeben. Neben der Wirtschaftlichkeit gab es bis vor einigen Monaten zwei noch größere Hürden. Bedingt durch den hohen Erdgaspreis ist die Düngemittelproduktion im Zusammenhang mit der Ammoniaksynthese zusammengebrochen. Das daraus entstandene Abfallprodukt fehlt im Markt, so dass derzeit dort eine Unterdeckung besteht. In England wurde die Düngemittelproduktion staatlich wieder hochgefahren, da durch den CO2-Mangel Betriebe, wie Schlachtbetriebe geschlossen wurden mussten. Derzeit wird neben der eigentlichen Produktion auf der Insel per Seeweg das nötige CO2 beschafft. Basierend auf der CO2 Problematik haben wir verschiedene namhafte CO2-Händler gewinnen können.

Wenn bei der Herstellung zwischen technischem und lebensmitteltauglichen CO2 unterschieden wird, wie stellen Sie sicher, dass ein lebensmitteltaugliches Gas geliefert wird?

Grundmann: Wichtig ist eine Risikoabschätzung mit einem transparenten Konzept zur Lebensmittelsicherheit, wie wir es aus anderen Bereichen mit dem HACCP-Konzept auch kennen. Dazu gehören Chargenanalysen und ein Managementsystem für Lebensmittelsicherheit wie die ISO 22000. Während Biogas aus Energiepflanzen oder landwirtschaftlichen Reststoffen unproblematisch ist, ist es dagegen schwieriger bei Bioabfallanlagen. Und nahezu ausgeschlossen ist CO₂ auf Basis von Deponiegas.

Wer sind die Abnehmer für CO₂?

Grundmann: Es gibt eine Reihe von Kunden. In der Lebensmittelindustrie wird CO₂ benötigt als Trockeneisschnee zum schnellen Kühlen und Frosten von Lebensmitteln, in der Getränkeindustrie oder in der Metallverarbeitung als Eisstrahlen (Sandstrahlen). Dann gibt es CO₂-basierte Polyester z.B. bei Textilien. Auch für die Herstellung von synthetischen Treibstoffen wird es benötigt. Theoretisch wären auch Treibhäuser ein großer Markt. Allerdings können sie nur CO₂ in der Zeit nutzen, in denen die Pflanzen Licht zum Wachsen haben. Daher ist der Absatz hier begrenzt.

Biogasanlagenbetreiber müssen sich vielfach einen neuen Markt eröffnen. Wie findet man CO₂-Abnehmer?

Grundmann: Das ist nicht so einfach. Wir unterstützen mit unseren Dienstleistungen den Anlagenbetreiber, indem wir das CO2 über Partner vermarkten, die zusätzlich die Logistik und die entsprechenden Endkunden mitbringen. Außerdem können wir somit den Verwertungsnachweis erbringen, welcher für die Nachhaltigkeitszertifizierung nötig ist.



Wie wirtschaftlich ist das Verfahren?

Grundmann: Die Herstellungskosten für CO₂ liegen bei 70 bis 150 €/t. Dann kommt noch die Lagerung vor Ort dazu. Ein üblicher 50 t-Tank kostet 150.000 €. Wir empfehlen einen Puffer vor Ort von mindestens fünf Tagen, wenn nicht noch mehr. Lkw fassen rund 21 t. Je nach Abnehmer werden meist nur 5 bis 10 t benötigt. Daher beliefern die Tankwagen oft mehrere Kunden. Wenn eine typische Biogasanlage (500 kW) im Jahr 12 GWh bzw. 2.200.000 Nm³ Rohbiogas produziert, fallen knapp 905.000 m³ CO₂ an. Bei 1 bar und 15 °C entsprechen das etwa 1.730 t pro Jahr. Das Gas wird immer pro Tonne abgerechnet. Bei einem Preis von 35 €/t wären das also etwa 62.000 € Erlös. Da schon ein Tank 150.000 € kostet, erscheint das Verfahren auf den ersten Blick unwirtschaftlich. Aber mit dem Verkauf von THG-Quoten ändert sich das.

Wie funktioniert das und welche weiteren Erlöse sind damit möglich?

Grundmann: Wenn ein Inverkehrbringer von Kraftstoff wie z.B. ein Tankstellenbetreiber Biomethan als Kraftstoff verkauft, erhält er eine THG-Quote, die handelbar ist. In der Regel werden die Biomethanerzeuger daran beteiligt. Biomethan aus Gülle und Mist hat an sich schon eine hohe THG-Minderung, ermöglicht also eine hohe THG-Quote, die sich verkaufen lässt. Wird das CO₂ nachweislich verwertet, erhöht sich der Erlös um ca. 4 ct/kWh Biomethan. Bei 12 GWh (entsprechen 2.20.000 m³ Rohbiogas) wären das 480.000 € im Jahr Mehrerlös oder 271 €/t CO₂. Damit ist der THG-Quotenverkauf auch für die CO₂-Vermarktung entscheidend.

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