Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Strombasierte Kraftstoffe

Sind E-Fuels für Pkw und Lkw sinnvoll? – Pro und contra

Die Debatte um E-Fuels im Straßenverkehr hat die Bundesregierung fast entzweit. Forscher des Fraunhofer-Instituts halten sie für nicht sinnvoll in PKWs, das Karlsruher Institut für Technologie schon.

Lesezeit: 6 Minuten

Seit Monaten wird in Deutschland über den Einsatz von klimafreundlichen E-Fuels im Straßenverkehr diskutiert, weil sich damit per Verbrennungsmotor angetriebene Pkw und Lkw klimaneutral fortbewegen und gleichzeitig die ehrgeizigen Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen ließen – so die Argumentation der Befürworter. In ihrem kürzlich veröffentlichten Modernisierungspaket hat die Bundesregierung nun offiziell verkündet, die Produktion und Nutzung klimafreundlicher E-Fuels künftig für den Straßenverkehr zu fördern und auf europäischer Ebene bewirkt, dass ausschließlich mit E-Fuels betankte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 in der EU zugelassen werden können.

Doch wie sinnvoll ist der Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr aus ökonomischer und ökologischer Sicht? Mit diesen Fragen befasst sich ein neues Diskussionspapier des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), das zur kontroversen Diskussion über E-Fuels einen Beitrag leisten und hier wissenschaftliche Forschungserkenntnisse einfließen lassen möchte. Dabei betrachten die Wissenschaftler synthetische Kraftstoffe, die auf Basis erneuerbaren Stroms hergestellt wurden.

Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Viele Gegenargumente



Die Autoren des Diskussionspapiers kommen zum Schluss, dass der kurz- und mittelfristige Einsatz strombasierter E-Fuels im Straßenverkehr aus folgenden Gründen nach derzeitigen Wissensstand wenig Sinn ergibt: 



  • Die weltweite erneuerbare Stromproduktion müsste im Vergleich zum heutigen Stand fast verdoppelt werden, um im Jahr 2050 einen weltweiten Anteil von 10 % an grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen einschließlich E-Fuels zu erreichen – letztere werden daher noch lange knapp und teuer sein. 


  • Der Einsatz von grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen sollte sich auf Anwendungsbereiche konzentrieren, in denen keine anderen wirtschaftlichen Alternativen zur Erreichung der Treibhausgasneutralität zur Verfügung stehen, wie den Stahlsektor, der Grundstoffchemie, Raffinerien und den internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Alleine auf diese Anwendungen entfallen rund 15 % des Endenergiebedarfs Deutschlands im Jahr 2045. Für den Straßenverkehr verblieben dann kaum nutzbare Mengen.


  • Eine großflächige Nutzung von E-Fuels bei Pkw und Lkw ist ökonomisch nicht zielführend. Die Umwandlungsverluste sind enorm und Alternativen wie die direkte Elektrifizierung sind auf die Stromnutzung bezogen bis zu fünfmal effizienter. E-Fuels sind teuer und können von einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden: Studien gehen nach Erreichung von signifikanten Kostensenkungspotenzialen für 2050 noch von einem Preis zwischen 1,20 und 3,60 €/l für E-Fuels aus – zuzüglich Kosten für Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertrieb sowie für Forschung- und Entwicklung. Allein Steuern und Abgaben dürften den Literpreis bereits um 1 € verteuern. Zum Vergleich: Der Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell bei ca. 0,60 bis 0,70 €/l.


  • Bewertet man die Kosten für den Klimaschutz, so liegen die CO2-Vermeidungsskosten bei Pkw mit E-Fuels in 2030 bei ca. 1000 Euro pro Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder anderer Klimaschutzmaßnahmen. Somit gibt es aus heutiger staatlicher Sicht hinsichtlich einer Klimaschutzstrategie nur wenig Gründe, aktuell E-Fuels bei Pkw und Lkw zu fördern.


  • Die Umweltbilanz von E-Fuels ist laut Fraunhofer ISI problematisch: Bei ihrer Verbrennung im Motor fallen NOx, Kohlenmonoxid und Feinstaub an. Zudem ist der Gesamtwirkungsgrad gering und der Energiebedarf für die Herstellung hoch. Der dafür erforderliche starke Ausbau an Stromerzeugungskapazitäten ist u.a. mit einem enormen Flächen- und Ressourcenbedarf an kritischen Rohstoffen verbunden, der sich in der Ökobilanz von E-Fuels negativ auswirkt. 


  • Die kurzfristige Markteinführung von E-Fuels ist aus Sicht der Technologieoffenheit nicht notwendig. Nach heutiger Planung sollen E-Fuels die heute gültigen Kraftstoffnormen erfüllen, so dass motorenseitig sowie bei den Tankstellen keine weiteren Entwicklungen notwendig sind. Die Technologieoffenheit betrifft eher die Herstellung und den Produktionshochlauf. Da E-Fuels aber auch für andere Anwendungsfelder wie den internationalen Flugverkehr notwendig sein werden, wird ihre Entwicklung unabhängig davon voranschreiten. Sollten sich die heutigen wissenschaftlichen Prognosen für E-Fuels wider Erwarten als zu pessimistisch erweisen, so könnte ihr Einsatz für den Straßenverkehr noch später stärker erwogen werden.

Hindernis für Verkehrswende



Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI und Mitautor des Diskussionspapiers, weist zudem auf mögliche Gefahren für die gesamte Verkehrswende hin: „Aus Sicht der heutigen Studienlage könnte sich die Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr negativ auf die Verkehrswende auswirken, da ihr Einsatz und ihre Verfügbarkeit derzeit wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend ist.“ Aus Innovationssicht gesehen könnten notwendige Initiativen in Richtung Elektromobilität oder andere alternative Mobilitätsformen verlangsamt werden – denn zum Gelingen der Verkehrswende seien auch klare Signale sowie Planungs- und Erwartungssicherheit nötig.

Das Diskussionspapier finden Sie hier.

E-Fuels als Alternative sinnvoll

Einen anderen Blick auf den Kraftstoff hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien versprechen eine bis zu 90-prozentige CO2-Reduktion gegenüber herkömmlichen Treibstoffen. Sie können in großen Mengen hergestellt und schon heute in fast allen Fahrzeugen eingesetzt werden. Das haben Forschende des KIT in großangelegten Projekten wie dem vom Land Baden-Würtemberg geförderten Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ bewiesen. Die neue Plattform InnoFuels soll jetzt die vielen nationalen und europäischen Forschungsvorhaben zur Weiterentwicklung, Produktion und Anwendung von Power-to-Liquid- und Biokraftstoffen vernetzen, Synergien aufzeigen und so dabei helfen, insbesondere die Produktion größerer Mengen strombasierter Flüssigkraftstoffe zu beschleunigen.

„E-Fuels versprechen nicht nur eine bis zu 90-prozentige CO2-Reduktion gegenüber herkömmlichen Treibstoffen, sie erlauben auch die weitere Nutzung der bestehenden Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmotor – und der gesamten Tank-Infrastruktur von der Herstellung über den Transport bis zum Vertrieb“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident Transfer und Internationales des KIT. „Wir konnten tonnenweise reFuels herstellen, die in den bestehenden Kraftstoffnormen für Otto- und Dieselkraftstoffe liegen. Jetzt wollen wir mit der Plattform InnoFuels alle verfügbaren Informationen zu reFuels bündeln, in Teams mit Fachleuten aus Wissenschaft, Industrie und Politik gemeinsam Gesamtlösungen erarbeiten und Leitfäden sowie Forschungs- und Handlungsempfehlungen aufbereiten“, sagt Dr. Olaf Toedter vom Institut für Kolbenmaschinen des KIT, der InnoFuels koordiniert.

Rahmenbedingungen nötig

Bislang werden strombasierte Kraftstoffe vorwiegend im Forschungsmaßstab produziert. Wenn es künftig steigende Beimischungsquoten dieser Kraftstoffe geben soll und genügend E-Fuels für den Luft- und Schiffsverkehr zur Verfügung stehen sollen, müssen viel größere Mengen auf industrieller Ebene produziert werden. Neben technischen Fragen sollen innerhalb der Plattform InnoFuels deshalb insbesondere auch die optimale Gestaltung von Regeln und ökonomischen Rahmenbedingungen für die flächendeckende Massenproduktion von E-Fuels erörtert werden.

Mehr zu dem Thema

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.