Die Bundesregierung hat im Januar 2024 den Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Windenergie-auf-See-Gesetz vorgelegt. Er fasst wesentliche Entwicklungen und Erfahrungen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) zusammen und knüpft damit an den zuletzt im Sommer 2018 erschienenen Erfahrungsbericht an. Entsprechend erstreckt sich der Berichtszeitraum auf die Jahre 2018 – 2022 bzw. zum Teil auch das Jahr 2023, sofern entsprechende Daten bereits vorliegen.
Die Zusammenfassung
Der Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse so zusammen:
Die bisherigen Ausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen sind als erfolgreich einzustufen, ebenso wie die Ausschreibungen für Wind auf See und Wind an Land. Bei Solaranlagen des zweiten Segments (Dachanlagen) war zuletzt wieder eine Überzeichnung des gestiegenen Ausschreibungsvolumens zu beobachten. Mit dem höheren Höchstwert und der Zulassung von Eigenverbrauch wurde den Preissteigerungen Rechnung getragen, sodass größere Anreize zur Gebotsabgabe bestehen.
Bei Windenergie an Land waren die Ausschreibungen bislang über weite Strecken unterzeichnet. Es ist zu erwarten, dass die bereits gesetzlich umgesetzten Erleichterungen für Genehmigungsverfahren in Verbindung mit weiteren, in Umsetzung befindlichen Beschleunigungsmaßnahmen und den getroffenen Maßnahmen zur Ausweisung von mehr Flächen für Windprojekte zu einem deutlichen Aufwuchs der genehmigten Windprojekte und damit des Wettbewerbes und der Zuschlagsmengen in den kommenden Jahren führen. Hier sei auf die Ausführungen des jährlichen Monitoringberichtes zum Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich nach § 98 Abs. 3 EEG und des jährlichen Fortschrittsberichtes Windenergie an Land sowie auf den Bericht des EEG-Kooperationsausschusses hingewiesen.
Die Ausschreibungen für die Windenergie auf See sind als großer Erfolg einzustufen. Ab den Ausschreibungen im zentralen Modell hat kein bezuschlagter Bieter mehr eine Förderung nachgefragt. Insbesondere zeigen auch die Ausschreibungen in 2023 nach dem novellierten WindSeeG die Effizienz sowie Attraktivität des Ausschreibungssystems und Marktes.
Als wesentlich für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien hat sich die Beschleunigung der Projektentwicklung und Projektumsetzung erwiesen. Im Bereich Windenergie wurde hier eine Vielzahl von Maßnahmen zur Flächenentwicklung, Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung umgesetzt. Im Bereich der Solarenergie soll das Solarpaket I Hemmnisse und Bürokratie abbauen und weitere Impulse für den benötigten Zubaus geben.
Fell: "Infame Verdrehung"
Die Schlussfolgerung der Bundesregierung, Ausschreibungen als Erfolgsgeschichte zu verkaufen, sind laut Hans-Josef Fell (ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter und Mitbegründer des EEG) eine „infame Verdrehung der Wahrheit“. Die Umstellung auf Ausschreibungen habe das dynamische, exponenzielle Wachstum gebrochen und den wichtigsten Akteursgruppen, insbesondere den Bürgerenergiegemeinschaften, den Boden unter den Füßen weggezogen.
„Die Ausschreibungen wurden einst mit dem Argument eingeführt, über mehr Wettbewerb die Kosten für Investitionen und damit die Vergütungssätze zu senken. Doch trotz purzelnder Weltmarkpreise für Solar- und Windkraft sind die Vergütungssätze in Deutschland nach der Umstellung auf Ausschreibungen nur kurz gesunken, aber in den letzten Jahren deutlich gestiegen“, sagt Fell.
Erhebliche Deckelung bei Solar
In den Ausschreibungssegmenten Freiflächen und große Dachanlagen zeigte sich laut Fell eine massive Deckelung des Ausbaus. Über das vom Staat festgelegte Ausschreibungsvolumen hinaus können Bieter keine Zuteilung erhalten, weshalb ein mögliches exponenzielles Marktwachstum verhindert wird. Die erste Ausschreibungsrunde 2023 war mit einer Gebotsmenge von 2,9 GW bei einem deutlich angehobenen Ausschreibungsvolumen von 1,95 GW erheblich überzeichnet.
Die Zweite am 1. Juli 2023 war noch deutlicher überzeichnet. Bei einer ausgeschriebenen Menge von 1.6 GW wurden 516 Gebote mit einem Volumen von 4,6 GW eingereicht. Nur 124 Gebote mit einem Umfang von 1.6 GW konnten bezuschlagt werden. „Dies zeigt in aller Klarheit das Versagen des Instrumentes der Ausschreibungen: Insgesamt wurden im Jahr 2023 also 7,5 GW fertig geplante, baureife Freiflächenprojekte eingereicht, aber nur etwa 3,6 GW haben einen Zuschlag erhalten“, kritisiert er. Somit habe das Ausschreibungssystem allein im Jahr 2023 rund 4 GW PV-Ausbau verhindert.
Keine Kostensenkungen bei PV
Das alles entscheidende Argument der Befürworter für Ausschreibungen war immer, dass mit dem Wettbewerb die Kostensenkungen beschleunigt würden, da nur die Angebote mit den niedrigsten Preisen einen Zuschlag erhalten würden. Der Wettbewerb würde somit für Kostensenkungen sorgen.
Im Februar 2018 betrugen die durch Ausschreibung erzielten Vergütungssätze 4,33 ct/kWh. Diese stiegen dann im April 2023 auf über 7 ct/kWh. „Stärker kann die angebliche kostensenkende Wirkung der Ausschreibungen nicht widerlegt werden“, sagt er.
Vergütungserhöhungen habe es unter der festen Einspeisevergütung fast nie gegeben. Der Gesetzgeber konnte von Jahr zu Jahr niedrigere Vergütungssätze entsprechend der Marktentwicklung festlegen. Bei der Windkraft haben Ausschreibungen sogar viele Anbieter verschreckt: fast alle Ausschreibungsrunden sind massiv unterzeichnet
Biogas: Großer Misserfolg
Auch bei Biogasanlagen haben die 2017 eingeführten Ausschreibungen keinen nennenswerten Marktanschub geschaffen. Auf dem Höhepunkt 2011 wurden noch 1526 MW neu installiert; doch in den Jahren ab 2014 schrumpfte der Markt auf um die 100 MW, in 2023 gar nur noch ca. 30 MW. Da sich im Biogassektor auch viele Anlagen, die aus der 20-jährigen EEG-Vergütung herausfallen, über Ausschreibungen um eine Anschlussvergütung kümmern müssen, führten die Ausschreibungen bereits zu Stilllegungen von Biogasanlagen, was sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird.
Auch bei Biogasanlagen sind die Vergütungssätze vom Gebotstermin 2017 mit 14,30 ct/kWh zunächst gesunken, stiegen dann aber wieder im Jahr 2023 auf 18,92 ct/kWh an.
Die zugeschlagenen Projekte waren seit der Einführung der Ausschreibungen immer unterzeichnet. Das heißt also, dass viele Anbieter mit den Konditionen nicht zurechtkamen und nicht angeboten haben. Also auch beim Biogas sind die Ausschreibungen eine starke Bremse für den Ausbau.
Studien belegen negative Auswirkungen
Auch die Energy Watch Group hatte an David Jacobs bereits 2020 eine Studie zu den Auswirkungen eines Wechsels zu Ausschreibungen in Auftrag gegeben. In den untersuchten 20 Ländern zeigte sich immer das gleiche Bild: Niedergang des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und Unterdrückung der bürgerlichen Aktivitäten.
„Ausschreibungen wurden immer mit dem politischen Argument der Marktwirtschaftlichkeit eingeführt. In Wirklichkeit sind die staatlichen Ausschreibungen ein rein planwirtschaftliches Instrument und haben nichts mit Markwirtschaft zu tun“, sagt Fell. Denn der Staat lege die Obergrenze der Ausschreibungsvolumina willkürlich fest, wodurch Marktkräfte keine exponenziellen Wachstumsschübe mehr erzielen können, wie sie notwendig wären, um wirksamen Klimaschutz zu erreichen.
Beamte in den Ministerien und der Bundesnetzagentur, die nicht im unternehmerischen Wettbewerb stünden, legten hochbürokratische, oft weltfremde Kriterien fest, die viele Akteure abschrecken würden. Meist könnten diese nur von großen finanzkräftigen Unternehmen erfüllt werden. „Bürgerenergie-Gemeinschaften dagegen kapitulieren oft vor den bürokratischen Bedingungen und den Vorleistungen, die zur Einreichung eines Gebots erforderlich sind. Somit schließen Ausschreibungen die Bürgerenergien weitgehend aus“, fasst er zusammen. Von fairen Wettbewerbsbedingungen aller Marktakteure könne keine Rede sein. Die Konzentration auf Konzernstrukturen im Energiegeschäft werde damit auch bei erneuerbaren Energien zementiert, anstatt mit einem Rückgriff auf feste Einspeisevergütungen die einst blühenden Bürgerenergiegemeinschaften wieder zum Wachsen zu bringen.
Weitere Ausschreibungssegmente geplant
„Doch der Ausschreibungswahnsinn mit massiver Erhöhung der Bürokratie und Deckelung des Ausbauvolumens wird weitergehen, anstatt mit schlanken einfachen Einspeisevergütungen wie im EEG 2000 endlich wieder Bremsen zu lösen“, kritisiert er. So sollen im Solarpaket 1 nun auch die neuen Gebietskulissen wie Agri-PV, Moor-PV und Floating PV in hochbürokratische Ausschreibungen gepresst werden, und in Berlin und Brüssel wird diskutiert, Resilienzausschreibungen zu schaffen, die die deutsche Solarindustrie unterstützen sollen.
Als Fazit plädiert Fell dazu, die Ausschreibungen abzuschaffen.
Die vollständige Analyse können Sie hier nachlesen.