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Zertifikatehandel

CO2-Kompensation durch Waldschutz hält nicht, was sie verspricht

Forscher betonen, dass Waldschutzprojekte zur CO2-Kompensation in vieler Hinsicht fragwürdig sind. Auch CO2-Zertifikate aus dem Schutz tropischer Wälder seien meist wirkungslos.

Lesezeit: 4 Minuten

Viele Firmen kompensieren freiwillig ihre Treibhausgas-Emissionen, indem sie Zertifikate aus Waldschutzprojekten erwerben – doch diese halten meist nicht, was sie versprechen.

Projekte, die angeblich tropischen Regenwald vor der Abholzung schützen, würden viel weniger Emissionen vermeiden, als sie angeben. Das berichtet sciencemediacenter.de unter Berufung auf eine Studie, die jetzt im Fachjournal „Science“ erschienen ist.

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Nur etwa 6 % der CO2-Zertifikate aus den untersuchten Projekten sind dieser Analyse zufolge tatsächlich mit vermiedenen Emissionen verknüpft.

Zertifikate wirkungslos

Zertifikate aus dem Waldschutz stehen schon lange in der Kritik, Emissionseinsparungen stark zu überschätzen. Die neue Studie untermauert dies mit Daten aus 26 Projekten aus sechs südamerikanischen und afrikanischen Ländern, die von dem US-amerikanischen Unternehmen Verra zertifiziert sind.

Zu bestimmen, wie viele Emissionen ein Waldschutzprojekt einspart, ist schwierig, da nie sicher ist, was ohne das Projekt geschehen wäre. Zum Beispiel hätte eventuell ein neues Gesetz die Abholzung ohnehin verringert.

Zertifizierer wie das Unternehmen Verra berechnen die Einsparungen, indem sie Abholzungstrends größerer Waldflächen in die Zukunft fortschreiben und so bestimmen, wie viel der Schutz einer Teilfläche bringt. Das ist den Autoren der Studie zufolge problematisch: Die Umstände könnten sich ändern, die Berechnungen würden aber für zehn Jahre festgelegt. Außerdem würden oft Flächen gewählt, die ohnehin einfacher zu schützen sind. Insgesamt lasse dieses Verfahren viel Freiraum, um Projekten möglichst viele Einsparungen zuzuschreiben und somit möglichst viele Zertifikate zu verkaufen.

Kontrollflächen entlarven Projekte

Dagegen bestimmen die Autoren die Einsparungen, indem sie für jedes Projekt Kontrollflächen auswählen. Diese ähneln den Projektflächen unter anderem in ihrer historischen Abholzungsrate, stehen aber nicht unter Schutz.

Die Ergebnisse aus diesem Vergleich: Nur bei etwa einem Drittel der Projekte (8 von 26) war die Abholzungsrate geringer als auf den Kontrollflächen. Die meisten Projekte schützen den Wald also nicht effektiv. Selbst die erfolgreichen Projekte vermieden weniger Emissionen als sie angegeben hatten – mit einer Ausnahme – und generierten somit zu viele CO2-Zertifikate. Die Forschenden fordern daher bessere Verfahren für die Zertifizierung von Waldschutzprojekten.

Hintergrund:

Im freiwilligen Kohlenstoffmarkt können Firmen oder Privatpersonen CO2-Zertifikate kaufen, zum Beispiel, um mit „Klimaneutralität“ zu werben. Damit investieren sie in Projekte, die Emissionen vermeiden – etwa indem sie Wälder vor der Abholzung schützen oder trockengelegte Moore vernässen. Andere Projekte generieren negative Emissionen, zum Beispiel indem sie Wälder pflanzen.

Wichtig ist die Unterscheidung dieses Systems vom Emissionshandel, wie er etwa in der EU gilt: Beim Europäischen Emissionshandel gibt es ein festgelegtes Kontigent an Zertifikaten, das jährlich verringert wird. Firmen bestimmter Branchen sind dazu verpflichtet, für ihre Emissionen Zertifikate zu erwerben. So sinken die Emissionen in den betroffenen Branchen zwangsläufig. In diesem System können Firmen keine Zertifikate aus Waldschutzprojekten nutzen.

Stimmen

Dr. Hannes Böttcher, Öko-Institut e.V., Berlin: „Die Studie stellt einen weiteren Mosaikstein dar, der die Beschreibung des Problems von Waldschutzprojekten im freiwilligen Kohlenstoffmarkt weiter komplettiert. Ein großes Problem bei der Berechnung der Mengen vermiedener Emissionen durch Waldschutz ist die Frage des Vergleichswerts: Wie viele Emission wären ohne das Projekt entstanden? (...)

Zu oft lassen die Methoden sehr viel Freiheit, die Annahmen so zu treffen, dass sie möglichst günstig für das Projektergebnis sind. Die Studie liefert konkrete Beispiele dafür, wie Annahmen zu den Mengen von vermiedenen Emissionen durch Waldschutz und tatsächlich messbare Entwicklungen auseinanderklaffen."

Prof. Dr. Michael Köhl, Uni Hamburg: „Was viele vermutet und an einzelnen Projekten auch beobachtet haben, ist jetzt durch Zahlen belegt. Die Höhe der generierbaren CO2-Effekte hängt wesentlich vom Vergleichsmaßstab ab. Je stärker die Referenzflächen entwaldet oder degradiert werden, desto höher fallen die generierbaren CO2-Gutschriften und damit die Gewinne des Projektbetreibers aus. (...)

Die Projekte sind ineffektiv für den Klimaschutz, aber ökonomisch effektiv für die Betreiber. Solange Projektbetreiber ihre Referenzflächen selbst auswählen können, wird sich daran nichts ändern."

Dr. Jonas Hein, German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Bonn: "Den Marktstandards des freiwilligen Kohlenstoffmarktes fehlen unabhängige Instanzen, die die Ergebnisse der Auditierung überwachen. So kann die bewusste Überschätzung der Entwaldungsraten vor der Projektintervention nicht ausgeschlossen werden."

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